Vertrauen ist gut, Kontrolle unerlässlich
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K-Tipp 19/2000
15.11.2000
Volkszählung 2000 Privatfirma erfasst Daten von über 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung
Die DCL Data Care AG in Kriens ist dick im Geschäft: Sie darf für 1950 Gemeinden federführend die Volkszählung 2000 abwickeln. Datenschützer sind beunruhigt.
Gery Schwager gschwager@k-tip.ch
Das lässt die Herzen eingefleischter Statistiker höher schlagen: Volkszählung! Die lückenlos angelegte Erhebung soll die Basisdaten zur Lösung unzähliger Proble...
Volkszählung 2000 Privatfirma erfasst Daten von über 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung
Die DCL Data Care AG in Kriens ist dick im Geschäft: Sie darf für 1950 Gemeinden federführend die Volkszählung 2000 abwickeln. Datenschützer sind beunruhigt.
Gery Schwager gschwager@k-tip.ch
Das lässt die Herzen eingefleischter Statistiker höher schlagen: Volkszählung! Die lückenlos angelegte Erhebung soll die Basisdaten zur Lösung unzähliger Probleme liefern - und zwar in so verschiedenartigen Bereichen wie Verkehr, Energieversorgung, Medizin, Steuerwesen, Bildung, Berufsberatung und und und.
Das Bundesamt für Statistik (BFS) gerät darob ins Schwärmen. «Einzigartig» sei die Volkszählung und zudem «effizient, modern, unentbehrlich, zukunftsweisend und sicher», heisst es auf der Internet-Website, die das Amt eigens im Hinblick auf die Erhebung mit Stichtag 5. Dezember 2000 eingerichtet hat. So gesehen werden Bund, Kantone und Gemeinden die anfallenden Kosten von insgesamt 150 Millionen Franken wohl richtig gerne bezahlen.
Freuen darf sich auch die DCL, eine Tochtergesellschaft der schweizerischen Post und des Medienriesen Bertelsmann. Das BFS hat die auf Adressdaten-Management spezialisierte Firma als Generalunternehmerin mit Organisation und Betrieb des Dienstleistungszentrums für die Volkszählung betraut.
Dorthin können Gemeinden Arbeiten wie den Vorbedruck und Versand der Fragebogen, aber auch heiklere Tätigkeiten wie die Rücklaufkontrolle und die Datenerfassung auslagern. «1950 Gemeinden haben mit uns einen Vertrag für die Durchführung der Volkszählung abgeschlossen», sagt DCL-Geschäftsführer Peter Delfosse, «sie repräsentieren über 90 Prozent der Bevölkerung.»
Grossauftrag an nur eine Firma: «Sensibler Punkt»
Doch nicht überall ist man glücklich über den Grossauftrag an die Adressbearbeitungs-Spezialistin DCL.
Bruno Baeriswyl, Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich, spricht offen von einem «sensiblen Punkt der Volkszählung». Der Umstand, dass die DCL-Schwesterfirma Swiss Post Data Services im Direktmarketing tätig ist, hat die Gemüter auch nicht eben beruhigt.
«Grundsätzlich ist jede Auslagerung von staatlichen Datenbearbeitungen an private Unternehmen datenschutzrechtlich sensibel», erklärt Baeriswyl. Das sieht auch die Stiftung Archiv Schnüffelstaat Schweiz (ASS) so. Sie macht geltend, dass «damit staatlichen und parlamentarischen Kontrollmechanismen potenziell der Boden entzogen wird».
Bereits vor Jahresfrist hat sich Baeriswyls Baselbieter Amtskollege Beat Rudin, Präsident der Vereinigung der Schweizerischen Datenschutzbeauftragten, kritisch mit dem so genannten Outsourcing befasst. An einem Symposium in Zürich forderte er strenge Regeln punkto Geheimhaltung und Kontrolle, damit «nicht die Bürgerinnen und Bürger als Objekte staatlicher Datenbearbeitung die Outsourcing-Rechnung bezahlen müssen».
Millionenstrafe droht bei Datenschutz-Verstoss
Für BFS-Vizedirektor Werner Haug sind Zweifel an der Datensicherheit bei der Volkszählung unbegründet. Die DCL ist laut Haug «vertraglich zu sehr strengem Datenschutz verpflichtet»; bei Verstössen droht ihr eine Konventionalstrafe in Millionenhöhe. Ausserdem würden das BFS sowie eine externe Treuhandstelle Kontrollen durchführen und den Datenschutzbeauftragten von Bund und Kantonen regelmässig Bericht erstatten, führt der BFS-Mann aus. Letztere könnten auch Besuche vor Ort vornehmen.
Auf all diese Punkte verweist auch DCL-Geschäftsführer Delfosse. Und vehement wehrt er sich gegen Stimmen, die die Nähe der beiden Post-/Bertelsmann-Töchter DCL und Swiss Post Data Services als potenzielle Gefahr für die Datensicherheit bei der Volkszählung bezeichnen. Es handle sich hier um zwei voneinander unabhängige Firmen mit völlig verschiedenen Aufträgen.
«Selbstverständlich kann man innerhalb von grossen Konzernen mit einer grossen Zahl von Einzelgesellschaften immer Verbindungen herstellen, die sich auf den ersten Blick als problematisch erweisen könnten», so Delfosse. «Entscheidend ist jedoch die gelebte Wirklichkeit.»
Schützenhilfe erhält die DCL von Odilo Guntern, dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. Er argumentiert, die Firma habe sowohl die gesetzliche Pflicht als auch ein eigenes Interesse daran, ihren «einzigartigen Auftrag» im Zusammenhang mit der Volkszählung korrekt zu erfüllen. Denn falls sich die DCL einen Fehler leisten sollte, sähe sie sich mit einem massiven Imageproblem konfrontiert.
Im Übrigen erinnert Guntern an die Geheimhaltungspflicht für alle Personen, die mit Volkszählungsdaten in Berührung kommen. Auch müssten die verantwortlichen Stellen sämtliche Personendaten löschen, sobald feststehe, dass die Fragebogen vollzählig und vollständig ausgefüllt seien.
Wo Menschen mitwirken, gibts auch Risiken
Allerdings: «Bei der Volkszählung sind wie bei jeder Datenbearbeitung, bei der der Faktor Mensch mitwirkt, Risiken nie völlig auszuschliessen», weiss Guntern - und kündigt deshalb Kontrollen an.
Das kann aus Sicht der Stiftung ASS zwar nicht schaden, löst aber keineswegs alle Probleme. «Die Gefahren der Volkszählung liegen nur vordergründig in der alle zehn Jahre aufkommenden Frage-Gier der Statistiker», hält sie fest.
Bedenklicher ist ihrer Ansicht nach, dass Kantone und Gemeinden Teile der Volkszählungsdaten dazu verwenden dürfen, ihre Einwohnerregister nachzuführen und zu korrigieren. «Das Zählen ist ja nur ein Aspekt», so die Stiftung ASS. «Der Betrieb der Personenregister sowie die Weitergabe der darin enthaltenen Daten an Polizei oder Staatsschutz geschehen hinter unserem Rücken.»
Infos im Internet: www.volkszaehlung.ch
Antworten via Internet möglich
Bei der kommenden Volkszählung haben Sie die Möglichkeit, den Personen- und Haushaltfragebogen via Internet auszufüllen. Voraussetzung ist, dass Sie zu jenen gut 90 Prozent der Bevölkerung gehören, um deren Daten sich das zentrale Dienstleistungszentrum (siehe Haupttext) kümmert.
Ist dies der Fall, erhalten Sie gleichzeitig mit den Papierfragebogen einen Benutzernamen und ein Passwort. Damit können Sie sich ab dem 27. Nov. unter www.e-census.ch einwählen und die Fragen elektronisch beantworten.
Hauptvorteil dieses Verfahrens: Das System passt die Fragestellung stets den bereits erteilten Antworten an; für einen 15-Jährigen zum Beispiel fällt so die Frage nach einem allfälligen Hochschulabschluss sogleich weg. Doch wie steht es um die Datensicherheit? «Theoretisch gibt es natürlich immer irgendwelche Sicherheitslücken», räumt Werner Haug, Vizedirektor im Bundesamt für Statistik (BFS), ein. «Wir sind aber an der praktischen Sicherheit interessiert und hier schneidet das Internet sicher sehr gut ab.»
Konkret unterliegen Ihre Daten, sofern Sie sich für den elektronischen Weg entscheiden, nach Angaben des BFS einer Verschlüsselung mit sehr hohem Sicherheitsniveau (128 Bit). Zudem sei der Rechner der Volkszählung von allen anderen Datenbanken und Kommunikationsnetzen des Bundesamts getrennt und speziell geschützt.
«Für die Datenübermittlung via Internet hat man hohe Sicherheitsstandards definiert», lobt denn auch der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Odilo Guntern. Er fügt allerdings nüchtern hinzu: «Eine 100-prozentige Datensicherheit wird es nie geben.»
Wer etwas verschweigt oder nicht die Wahrheit sagt, wird zur Kasse gebeten
Welches ist die Sprache, in der Sie denken und die Sie am besten beherrschen? Welches war die Wohngemeinde Ihrer Mutter, als Sie geboren wurden? Welches ist Ihre Stellung im Haushalt? - Schon erstaunlich, was der Bund bei der Volkszählung so alles von Ihnen wissen will.
Total 21 Fragen müssen Sie auf dem Personenfragebogen beantworten. Zusätzlich hat jeder Haushalt einen Haushaltfragebogen zu bewältigen. Und sofern Sie zu den Wohn- oder Hauseigentümern gehören, winkt Ihnen noch der dreiseitige Gebäudefragebogen.
Die Unterlagen erhalten Sie ab 27. November zugestellt; letzter Rückgabetermin ist der 12. Dezember 2000.
Ob Sie das viele Papier ausfüllen und zurückschicken oder nicht, ist Ihnen nicht freigestellt; Sie müssen - und zwar vollständig. Das eidgenössische Volkszählungsgesetz und die zugehörige Verordnung halten die Auskunftspflicht für alle in der Schweiz wohnenden Personen unmissverständlich fest.
Zudem gilt nach Artikel 6 des Gesetzes: «Wer die Fragen unvollständig oder falsch beantwortet oder die Erhebungspapiere oder andere Unterlagen trotz Mahnung nicht fristgerecht zurückgibt, muss der zuständigen Behörde für den zusätzlichen Aufwand eine Gebühr bezahlen.» Der Stundenansatz beträgt 110 Franken, wobei die Gebühr 1000 Franken nicht übersteigen darf.
Sie können sich von der Volkszählung aber nicht «loskaufen», indem Sie die Aufwandgebühr bezahlen; Ihre Auskunftspflicht bleibt in jedem Fall bestehen. Ausgenommen davon ist einzig das Personal der Botschaften, Konsulate und ständigen Vertretungen fremder Staaten mit seinen Angehörigen.