Vis-à-vis geht die Post ab
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K-Tipp 19/2000
15.11.2000
Bettwil AG Private retten den Dorfladen und die Poststelle
Das Ehepaar Brunner in Bettwil zeigt, wies geht: Nach schwedischem Vorbild haben sie im Juni Dorflädeli und Poststelle zusammengelegt. In der Schweiz ein bisher einmaliges Experiment.
Markus Kellenberger mkellenberger@k-tip.ch
Auf ihren neuen Dorfladen sind die 600 Einwohnerinnen und Einwohner Bettwils stolz. Mit gutem Grund: Was das Ehepaar Ruth und Ruedi Brunner dort mit Hilfe der Gemeinde...
Bettwil AG Private retten den Dorfladen und die Poststelle
Das Ehepaar Brunner in Bettwil zeigt, wies geht: Nach schwedischem Vorbild haben sie im Juni Dorflädeli und Poststelle zusammengelegt. In der Schweiz ein bisher einmaliges Experiment.
Markus Kellenberger mkellenberger@k-tip.ch
Auf ihren neuen Dorfladen sind die 600 Einwohnerinnen und Einwohner Bettwils stolz. Mit gutem Grund: Was das Ehepaar Ruth und Ruedi Brunner dort mit Hilfe der Gemeinde gebaut hat, ist der eigentliche Lebensnerv der Gemeinde. Ein visavis-Laden und darin untergebracht ein kleiner Postschalter, der fast alle wichtigen Dienstleistungen erbringt.
«Wir mussten etwas tun», sagt Ruedi Brunner. «Die Leiterin der vorherigen Volg-Filiale zog sich altershalber zurück und der ehemalige Posthalter liess sich pensionieren - aber was ist eine kleine Gemeinde ohne Dorfladen und ohne Post?»
Zuerst sah es für den Ort tatsächlich schlecht aus. Der gelbe Riese, laufend auf der Suche nach Sparmöglichkeiten, wollte das unrentable Postamt schliessen. Zehn Autominuten weg liegt nämlich die weit grössere Gemeinde Fahrwangen. Dort hätten die Bettwiler nach dem Willen der Post künftig ihre Einzahlungen machen und ihre Päckli abgeben sollen.
Das passte vielen Bettwilern nicht. «Für das Dorfleben wäre das eine Katastrophe gewesen», sagt Vizeammann Oskar Brunner. Mit seiner Unterstützung entschieden sich deshalb die gelernte Verkäuferin Ruth Brunner und ihr Mann Ruedi, gelernter Pöstler, ein Experiment zu wagen: Ein neues Lädeli, kombiniert mit einer Poststelle - und Bettwils Probleme wären auf einen Schlag gelöst. Das war vor drei Jahren.
Die zur Frimago gehörende visavis-Kette bot sofort Hand dazu. «Schliesslich», so Frimago-Sprecherin Christina Herzig, «versuchen wir seit acht Jahren vergeblich, die Post dafür zu begeistern, unsere Landfilialen als Poststellen zu benützen.» Harzig kam das Projekt voran, sobald die Post einen Entscheid fällen sollte. «Und das, obschon Beispiele aus andern Ländern zeigen, dass viele kleine Läden nur so auf einen anständigen Umsatz kommen und gleichzeitig der Service public auch in abgelegenen Orten auf einem guten Niveau erhalten bleibt», sagt Herzig.
Bei der Post sieht man das anders. «Ein solches Projekt beinhaltet viele Detailprobleme, die zuerst gelöst sein wollen», erklärt Rainer Von der Mühl, der seitens der Post am Bettwiler Projekt mithalf. «Läuft der Laden schlecht, reichts nicht und umgekehrt. Dann gehen Lädeli und auch die Poststelle wieder zu.» Dieses Risiko gelte es abzuschätzen. Und das habe halt einige Zeit gebraucht.
Ruth und Ruedi Brunner nehmen dieses Risiko in Kauf und sind stolz auf ihre Pionierrolle. Immerhin haben sie mit ihrer Initiative eine der unpopulären Schliessungen verhindert, die auf dem Land und in Städten laufend Postkunden verärgern. Und gerade darum verstehen sie eines nicht. Ruedi Brunner: «Mit unserem Laden hat die Post jetzt ein echtes Vorzeigeobjekt. Ich frage mich, warum sie sich nicht traut, das auch gross im Land zu verkünden.»