Von klein auf bestrahlt
Tausende von Trafostationen in der Schweiz müssten dringend saniert werden. Sie erzeugen zum Teil massiv zu viel Elektrosmog.
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K-Tipp 20/2004
01.12.2004
Bernhard Matuschak - redaktion@ktipp.ch
Jede zwanzigste der insgesamt 50 000 Trafostationen in der Schweiz belastet die Umwelt mit zu hohen Strahlendosen und ist dringend sanierungsbedürftig - dies die Schätzung von Dario Marty vom Eidgenössischen Starkstrominspektorat in Fehraltorf ZH. Die betroffenen 2000 bis 3000 Stationen fallen unter die Verordnung über den Schutz vor nicht ionisierender Strahlung (NISV). Diese schreibt einen Grenzwert von 1 Mikrotesla für so genannte Orte mit empfindlicher Nutzung vor. Orte also wie Spitäl...
Jede zwanzigste der insgesamt 50 000 Trafostationen in der Schweiz belastet die Umwelt mit zu hohen Strahlendosen und ist dringend sanierungsbedürftig - dies die Schätzung von Dario Marty vom Eidgenössischen Starkstrominspektorat in Fehraltorf ZH. Die betroffenen 2000 bis 3000 Stationen fallen unter die Verordnung über den Schutz vor nicht ionisierender Strahlung (NISV). Diese schreibt einen Grenzwert von 1 Mikrotesla für so genannte Orte mit empfindlicher Nutzung vor. Orte also wie Spitäler, Kindergärten und Schulen, an denen Menschen während längerer Zeit Elektrosmog ausgesetzt sind.
Kantone warten auf Vollzugsrichtlinien
«Betroffen sind so gut wie alle Trafostationen, die sich innerhalb von Gebäuden befinden und vor dem Jahr 1999 in Betrieb gingen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde nicht auf Elektrosmog geachtet», sagt Josef Peter. Der eidgenössisch diplomierte Elektroinstallateur hat bereits mehr als 50 Trafostationen überprüft und Belastungen von bis zu 70 Mikrotesla gemessen.
Fakt ist auch: Elektrosmog steht im Verdacht, Krankheiten auszulösen. «Intensive Strahlung ist für den Menschen erwiesenermassen schädlich. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass auch schwache Strahlung schädlich sein könnte und dass sie das Wohlbefinden stört», schreibt das Bundesamt für Umwelt (Buwal) in einer Stellungnahme zur NISV. Sogar Emissionen von unter 1 Mikrotesla könnten gesundheitsschädlich sein. So hält das Buwal weiter fest, dass es aufgrund «neuester Untersuchungen» schon bei einer über längere Zeit bestehenden Magnetfeldbelastung von 0.4 Mikrotesla «möglicherweise bei Kindern ein doppelt so hohes Risiko für Leukämie (Blutkrebs) gibt».
Doch seit Inkrafttreten der NISV Anfang 2000 warten Kantone, Städte und Gemeinden auf die Vollzugsrichtlinien aus dem Buwal, wie die Verordnung umzusetzen ist. «Die NISV bezieht sich auch auf andere, politisch dringlichere Bereiche, zum Beispiel den Mobilfunk. Deshalb haben wir unsere Ressourcen zunächst auf diesen Bereich konzentriert», begründet Jürg Baumann, Strahlungsexperte beim Buwal, die Verzögerung. Zudem seien unerwartete technische Probleme aufgetreten, die eine Beurteilung schwierig machten und weitere Grundlagen erforderten. «So kommt es sehr darauf an, in welchem Betriebszustand des Trafos gemessen wird, denn die Magnetfelder schwanken stark», sagt Baumann.
Die Stadt Zürich hingegen hat bereits alle 660 öffentlichen Trafostationen überprüft. Ergebnis laut Lukas Küng, der beim Elektrizitätswerk (EWZ) für die Umsetzung der Verordnung zuständig ist: 200 Anlagen überschreiten den Grenzwert von 1 Mikrotesla.
Die Stadt Zürich hat gehandelt
Küng schätzt die Sanierungskosten auf 20 Millionen Franken. Der höchste Wert sei, so Küng, mit 50 Mikrotesla in einer Schule gemessen worden. 30 Trafostationen mit zu hoher Strahlung an Schulen und Kindergärten hat das EWZ bereits saniert, weitere 20 sind in Arbeit.
«Wer sich dauerhaft solchen Dosen aussetzt, nimmt Schäden in Kauf»
Wer die Strahlenbelastung einer Trafostation in öffentlichen Gebäuden wissen will, setzt sich am besten mit dem Elektrizitätswerk der Gemeinde in Verbindung und verlangt Messungen. Für private Anlagen, wie sie in vielen Betrieben genutzt werden, gilt der von der Suva publizierte Grenzwert am Arbeitsplatz von 500 Mikrotesla - ein Wert, der 500 -mal höher liegt als an Orten mit so genannt empfindlicher Nutzung.
«Wir gehen davon aus, dass sich am Arbeitsplatz erwachsene und gesunde Personen aufhalten, die von einer höheren Feldstärke keine gesundheitlichen Nachteile zu erwarten haben», beschwichtigt Suva-Elektroingenieur Hermann Jossen. Kritiker wie der Messtechniker Hansueli Jakob von der Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener sehen dies jedoch anders: «Der Suva-Grenzwert ist jenseits von gut und böse. Wer sich dauerhaft solchen Strahlendosen aussetzt, nimmt gesundheitliche Schäden in Kauf.»