Wer sparen will, muss kaufen
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K-Tipp 9/2000
03.05.2000
Strom: Käser kämpft gegen fragwürdiges Tarifsystem.
Nachtstrom ist billiger - beim Elektrizitätswerk Bündner Oberland (EWBO) jedoch nur mit den "richtigen" Elektrogeräten.
Käser Josef Kobler ist empört. Seine Sennerei in Brigels GR bezieht vom örtlichen Monopolisten EWBO jährlich rund zehnmal mehr Strom als ein Durchschnittshaushalt. Etwa einen Drittel der gut 50000 Kilowattstunden (kWh) verbraucht der Betrieb laut Kobler nachts.
Trotzdem mu...
Strom: Käser kämpft gegen fragwürdiges Tarifsystem.
Nachtstrom ist billiger - beim Elektrizitätswerk Bündner Oberland (EWBO) jedoch nur mit den "richtigen" Elektrogeräten.
Käser Josef Kobler ist empört. Seine Sennerei in Brigels GR bezieht vom örtlichen Monopolisten EWBO jährlich rund zehnmal mehr Strom als ein Durchschnittshaushalt. Etwa einen Drittel der gut 50000 Kilowattstunden (kWh) verbraucht der Betrieb laut Kobler nachts.
Trotzdem muss die Sennerei - wie jeder Haushalt - den Normaltarif von 21,3 Rappen pro kWh bezahlen. Und zwar rund um die Uhr. Das treibt dem Käser die Zornesröte ins Gesicht: "Ich habe Stromkosten von über 10000 Franken pro Jahr, und das nur wegen des absurden EWBO-Tarifsystems."
Tatsächlich gibt es beim EWBO den Vorzugspreis von 11,6 Rappen pro kWh (während neun Stunden pro Tag) nur für Kunden, die irgendeinen Elektroapparat mit mindes-tens 1,2 Kilowatt Leistung besitzen. Das EWBO muss das Gerät - etwa einen Boiler oder eine Wärmepumpe - zudem selber steuern und während mindestens fünf Stunden täglich sperren können. "So lässt sich unsere Netzbelastung ausgeglichener gestalten, was Kosten spart", verteidigt EWBO-Direktor Hans Herger dieses System und fügt hinzu: "Mit dem Vorzugstarif belohnen wir jene Kunden, die uns das ermöglichen."
Fest steht damit auch: Käser Kobler müsste sich einen den EWBO-Bedingungen entsprechenden Apparat zulegen, wenn er den Vorzugspreis erhalten will.
Das löst bei Energieberater Werner Geiger, dem Gründer der tarifkritischen Website "www.enerprice.ch", Stirnrunzeln aus: "Es ist reichlich absurd, dass sich jemand ein unnötiges Elektrogerät anschaffen muss, um die Stromkosten zu senken." Kobler habe aber kaum eine andere Wahl, meint Geiger. Er rät dem Käser, notfalls einen Occasions-Kochherd zu kaufen.
Doch EWBO-Direktor Herger stellt klar: "Einen Alibi-Kochherd würden wir nicht akzeptieren." Kobler müsste schon ein Gerät an-schliessen, das er zu benützen gedenke - zum Beispiel einen Boiler. Das EWBO will den Käser in diesen Tagen darüber informieren, was das Umrüsten seines bestehenden Öl-Boilers auf elektrischen Betrieb kosten würde.
Gleichzeitig räumt Herger aber ein, dass das EWBO-Tarifsystem in Fällen wie jenem von Josef Koblers Sennerei "nicht unbedingt einleuchtet": "Wir werden unsere Tarifstrukturen so oder so überprüfen und uns Korrekturen überlegen", kündigt er an. Man müsse jedoch berücksichtigen: Das EWBO habe bis jetzt immer wieder stattliche Summen in Massnahmen gegen die Entvölkerung und zur wirtschaftlichen Prosperität des Bündner Oberlands investiert.
Käser Kobler in Brigels hat gegen Standort-Förderung nichts einzuwenden. Bloss spürt er in seinem Betrieb nichts von den entsprechenden Bemühungen des EWBO. Im Gegenteil. Für ihn ist deshalb klar: "Sobald der Strommarkt auch für die Kleinen liberalisiert ist, werde ich mir einen neuen Lieferanten suchen."