Wie Garagisten Schrauben vergolden
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K-Tipp 16/2001
03.10.2001
Autowerkstätten machen mit Kleinmaterial grosse Kasse
Egal, ob verwendet oder nicht: Garagisten stellen ihren Kunden pauschal Kleinmaterial in Rechnung. Sie verdienen daran Millionen. Für den TCS ist das eine «Saumode».
Markus Kellenberger mkellenberger@ktipp.ch
Es geht in ihrem Fall nur um einen Fünfliber und ein paar Rappen. Trotzdem ärgert sich Andrea Kolb aus Wermatswil ZH. Denn gemäss der offen in der Werkstatt aufgehängten Preisliste hä...
Autowerkstätten machen mit Kleinmaterial grosse Kasse
Egal, ob verwendet oder nicht: Garagisten stellen ihren Kunden pauschal Kleinmaterial in Rechnung. Sie verdienen daran Millionen. Für den TCS ist das eine «Saumode».
Markus Kellenberger mkellenberger@ktipp.ch
Es geht in ihrem Fall nur um einen Fünfliber und ein paar Rappen. Trotzdem ärgert sich Andrea Kolb aus Wermatswil ZH. Denn gemäss der offen in der Werkstatt aufgehängten Preisliste hätte die Abgaswartung für ihren Toyota Starlet exakt Fr. 108.- kosten sollen und nicht Fr. 113.40.
Grund für die Preisdifferenz: der Pauschalposten Kleinmaterial, den das Fakturierungsprogramm der Garage Bamert in Uster ZH automatisch auf die Rechnung schlug. «Eine Frechheit», meint Kolb. «Ich stand die ganze Zeit neben dem Mechaniker. Er hat den Motor kurz angeschaut und dann die Abgasmessung vorgenommen. Kleinmaterial hat er dazu nicht gebraucht.»
Material-Pauschale: Fünf Prozent vom Stundenansatz
Ganz nach dem Motto «Kleinvieh macht auch Mist» setzen viele Garagen Klein-, Verbrauchs- oder Putzmaterial auf die Rechnung - unabhängig davon, ob oder in welcher Menge solches auch wirklich benötigt wurde. Dafür wird vom Kunden eine Pauschale in der Höhe von bis fünf Prozent der verrechneten Arbeitsstunden verlangt. So lautet die stillschweigende Vereinbarung, mit der sich die Branche ein Zusatzeinkommen in Millionenhöhe sichert. Denn bei Stundenansätzen von durchschnittlich 100 Franken verwandelt sich Verbrauchsmaterial wie ein Knäuel schlichter Putzfäden für den Garagisten zum Goldenen Vlies. Kundinnen und Kunden sind dieser Geschäftspraxis hilflos ausgeliefert. Sie müssen das Material bezahlen, sonst können sie betrieben werden. Kein Wunder, dass Markus Studer vom TCS das Verrechnen von Kleinmaterial harsch als «Saumode» betitelt.
So weit geht die Wettbewerbskommission des Bundes (Weko) nicht. «Aber auf den ersten Blick», so Sachbearbeiter Patrick Krauskopf, «ist das nicht ganz lupenrein.» Doch egal, ob sich die Weko bald dem Posten Kleinmaterial annimmt oder nicht: Für Studer steht fest: «Eine seriöse Garage setzt undurchsichtige Posten wie Kleinmaterial nicht auf die Rechnung.»
Doch «seriöse Garagen» im Sinne des TCS gibt es gemäss einer Umfrage des K-Tipp bei den Importeuren wohl nicht viele. Nur gerade Amag, Volvo und BMW raten ihren Vertragsgaragen unmissverständlich, Kleinmaterial nicht in Rechnung zu stellen - einige tun es trotzdem. Und alle andern Importeure lassen ihre Händler von vornherein ungebremst auf die Kunden los.
Garagisten sind um Ausreden nicht verlegen
Rechtfertigungen dafür gibt es viele. So tut es Walter Stanek, Geschäftsführer der Toyota-Garage Bamert, zwar leid, dass Andrea Kolb für die Abgaswartung «versehentlich» Kleinmaterial in Rechnung gestellt wurde. «Das macht der Computer halt von selbst», entschuldigt er sich.
Doch umgekehrt, klagt er, hätten viele Kunden kein Verständnis für die Sorgen und Nöte der Garagisten. Schliesslich sei Kolbs Auftrag kurzfristig angenommen worden und andere Arbeit deshalb liegen geblieben. Und: «Der Konsument vergisst, dass das Gerät für die Abgasmessung von uns gereinigt, kalibriert und aufgewärmt werden muss.»
Ob solchen Erklärungen kann TCS-Experte Studer nur den Kopf schütteln. «Das alles ist im Preis inbegriffen, den die Garage für die Abgaswartung festlegt.» Kleinmaterial lasse sich so nicht rechtfertigen. «Auch bei Reparaturen nicht.»
Sogar der Autogewerbe-Verband der Schweiz (AGVS) sieht das so. «Wir sind der Meinung, dass Kleinmaterial detailliert auf den Rechnungen ausgewiesen werden sollte», sagt AGVS-Direktor Peter Schneider. Doch der Einfluss des Verbandes hält sich in Grenzen und so verhallt der Wunsch des Direktors als laue Empfehlung in den Werkhallen seiner Mitglieder.
Das ist schade. Denn damit torpedieren die betroffenen Garagen die Bemühungen ihres Verbandes, seine Mitglieder vom Abzocker-Image zu befreien, gleich selbst.
Vor wenigen Wochen erst hat der AGVS eine neue Broschüre herausgegeben. Der Titel des Faltblattes ist eine rhetorische Frage: «Sind die Werkstattrechnungen des Garagisten zu hoch?» Die Broschüre liegt in den Garagen zu Handen der Kundschaft auf und wirbt für Verständnis für die hohen Stundenansätze der Mechaniker.
Auf den Franken genau geht daraus hervor, welche Kosten im Stundenansatz der Werkstatt bereits mit einkalkuliert sind. «Und dazu», sagt Schneider, «gehört eigentlich auch das so genannte Kleinmaterial.»
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Abgaswartung - Ein Tummelfeld für Schlawiner
Oft machen Garagisten bei der Abgaswartung nur die halbe Arbeit - ihren Kunden verrechnen sie aber die ganze Leistung.
Das Gesetz verlangt bei jedem Auto alle zwei Jahre eine Abgaswartung durch den Profi. Er muss dazu, noch bevor er die Abgasmessung macht, von den Zündkerzen bis zum Auspuff alles genau kontrollieren. Ein kurzer Blick unter die Motorhaube genügt da nicht.
Trotzdem lassen es viele Garagisten bei diesem einen Blick bewenden und schreiten sofort zur Abgasmessung per Computer. Die zeitaufwändige Wartung lassen sie aus.
Das ist ungesetzlich. Gegenüber dem «Beobachter» sagte Michael Gehrken vom Bundesamt für Strassen: «Wir schliessen nicht aus, dass die Abgaswartung von einzelnen Garagisten dazu benützt wird, schnelles Geld zu machen.
Grund: Eine komplette Wartung dauert rund eine Stunde - die Abgasmessung allein ist in knapp 20 Minuten erledigt. Dem Kunden wird aber oft die ganze Arbeit in Rechnung gestellt. Im Durchschnitt sind es 135 Franken.
Jährlich ist bei 1,7 Millionen Fahrzeugen die Abgaswartung fällig. Wird auch nur bei einem Bruchteil von ihnen statt gewartet nur getestet, läppert sich für die betreffenden Garagisten einiges zusammen.
Peter Schneider, Direktor des Autogewerbe-Verbandes, ist mit dem Vorwurf des «schnellen Geldes» nicht einverstanden. Aus seiner Sicht ist es eher so, dass einzelne Garagisten «Abgaswartung und Abgastest verwechseln». Ein schwacher Trost für Kunden, die für halbe Arbeit den ganzen Preis bezahlen.
Ein echter Trost hingegen ist, dass Neuwagen mit Zulassung ab 1. Januar 2001 mit einem On-Board-Diagnose-System (OBD) ausgerüstet sind. Dieses zeigt an, wenn eine Abgaswartung nötig ist. Damit wird gemäss TCS die obligatorische Kontrolle «bald überflüssig».