Wie man sitzt, so fährt man
Wenn beim Biken Po, Hände oder Knie schmerzen, liegt es vielleicht am Sattel. Oder es stimmt etwas an Lenker, Pedalen und Sitzposition nicht.
Inhalt
K-Tipp 7/2005
06.04.2005
Thomas Vonarburg - thvonarburg@ktipp.ch
Mehr als vier Millionen Menschen in der Schweiz benützen das Fahrrad. In den letzten Jahren wurden jeweils rund 270 000 Neuvelos verkauft. Aber: Jeder zweite Velofahrer ist «mit einer nicht optimalen Sitzposition» unterwegs, wie eine Untersuchung der Schweizerischen Fachstelle für Zweiradfragen ergeben hat - und das führt früher oder später zu Schmerzen an Gesäss, Händen, Armen, Rücken und Knien. «Viele Leute fühlen sich unwohl auf ihrem Velo. Und statt sich zum Beispiel einen passen...
Mehr als vier Millionen Menschen in der Schweiz benützen das Fahrrad. In den letzten Jahren wurden jeweils rund 270 000 Neuvelos verkauft. Aber: Jeder zweite Velofahrer ist «mit einer nicht optimalen Sitzposition» unterwegs, wie eine Untersuchung der Schweizerischen Fachstelle für Zweiradfragen ergeben hat - und das führt früher oder später zu Schmerzen an Gesäss, Händen, Armen, Rücken und Knien. «Viele Leute fühlen sich unwohl auf ihrem Velo. Und statt sich zum Beispiel einen passenden Sattel zu kaufen, lassen sie das Velofahren dann ganz», bedauert Marius Graber, Technikexperte bei der Zeitschrift «Velojournal».
Mit simplen Veränderungen an Sattel, Lenker und Pedalen wird das Velofahren laut Graber um einiges bequemer, anderseits aber auch effizienter. Vier Punkte sind dabei besonders zu beachten:
1. Sattel
- Satteltyp: «Meist werden von den Veloherstellern zu schmale Sättel montiert, besonders bei den Herren- und Sport-Modellen», sagt Marius Graber. Im Gegensatz zum Dammbereich härten sich Sitzknochen bei regelmässigem Fahren ab. Vorausgesetzt die Sattelbreite stimmt, können die Schmerzen bei den Sitzknochen mit der Zeit verschwinden. Entgegen der landläufigen Meinung ist der Sitzknochenabstand bei Frauen nicht breiter als bei Männern, innerhalb der Geschlechter variiert er aber deutlich. Wird ein zu schmaler Sattel benutzt, so rutschen die Sitzknochen über die Sattelkanten, was unweigerlich Schmerzen verursacht. Aber auch ein zu breiter Sattel kann weh tun, weil der Sattelrand dann die Durchblutung der Beine stören kann.
Generell lässt sich sagen: Je sportlicher und stärker nach vorne geneigt die Sitzposition, desto schmaler der Sattel und je aufrechter die Position, desto breiter der Sattel.
Um den Druck im Dammbereich zu reduzieren, greifen die Sattelhersteller zu verschiedenen Mitteln. Für fast jedes Problem gibts einen Satteltyp: solche mit Vertiefungen oder Loch im Sattel, solche mit besonders weichem Sattelaufbau oder Sättel mit einem Medizinalgel-Polster. Weitere Möglichkeiten sind Stufensättel: Die Höhe des vorderen Teils wird leicht gesenkt, womit der Dammbereich entlastet wird.
Für den Komfort im Gesässbereich sind Wölbung, Breite und Polsterung des Sattels entscheidend: Viele Velofahrer sitzen möglichst flach am bequemsten. Die ideale Breite und Weichheit respektive Härte des Sattels ist aber individuell: Weiche Sättel können als mindestens so unbequem empfunden werden wie harte.
Wer weniger als 30 Minuten am Stück fährt, ist mit einem sehr weichen Sattel gut bedient. Wer grössere Strecken fährt, bei dem graben sich die Sitzbeinknochen zu fest ins Polster ein, wodurch sich der Druck auf den Dammbereich verstärkt und die Durchblutung der Beine behindert werden kann. Grundsatz: Ob der Sattel wirklich passt, merkt man frühestens nach einer halben Stunde Fahrt.
Tipp: Unbedingt vor dem Kauf ausprobieren; seriöse Händler gewähren auf Sättel auf jeden Fall ein zeitlich beschränktes Umtauschrecht.
- Sattelhöhe: Bei richtig eingestellter Sattelhöhe ist das Bein ganz durchgestreckt, wenn die Ferse (und nicht die Fussspitze!) die unten stehende Pedale gerade noch erreicht (siehe Skizze 1). Während des Fahrens befindet sich der Fussballen dann auf der Pedalmitte, wodurch das Knie in der tiefsten Pedalstellung leicht gebeugt wird.
Tipp: Positionieren Sie den Sattel auf der richtigen Höhe. Ist der Sattel zu tief eingestellt, wird das Knie beim Treten stark gebeugt; eine zu hohe Sitzhöhe zeigt sich durch seitliches Kippen des Oberkörpers und Gesässes.
- Sattelposition: Für optimalen Komfort und maximale Kraftübertragung ist die horizontale Position des Sattels besonders wichtig. Um die richtige Stellung zu finden, rücken Sie die Pedalkurbel nach vorne auf die 3-Uhr-Position. Die Verbindungsachse von der Kniemitte zur Pedalachse sollte senkrecht sein (Skizze 2). Wenn dem nicht so ist: Sattel entsprechend vor- oder zurückschieben.
- Sattelneigung: Der Sattel sollte vorerst waagrecht montiert werden, was mit einer Wasserwaage leicht zu überprüfen ist. Von dieser Grundposition aus lässt sich dann die ideale Neigung ermitteln: Viele Sitzprobleme können durch eine leicht abwärts geneigte Sattelnase vermieden werden (vor allem bei Beschwerden, die an Steigungen auftreten). Sattel aber nicht zu stark nach vorne neigen, sonst kommt zu viel Druck auf die Hände und der Po rutscht vom Sattel.
2. Lenker
- Lenkertyp: Es gibt ganz verschiedene Lenkerarten, die man individuell testen sollte. Bei City- und Trekkingbikes ist der leicht nach hinten gebogene Tourenlenker Norm (Gesundheitslenker); flache und weniger stark gekrümmte Modelle bieten eine sportlichere, windschlüpfrigere Position, und der MTB-Lenker ist kaum gekrümmt, der Rennbügel lässt sich am Ober- oder Unterlenker greifen.
Generell gilt: Je mehr Griffpositionen möglich sind, desto eher kann man einseitige Belastungen an Händen und Armen verhindern. Besonders viele Griffvarianten bieten die neuen Multipositionslenker, die bei Tourenrädern Standard sind.
Ein häufiges Problem sind eingeschlafene Finger, weil der Druck auf die Handballen zu gross ist. Abhilfe schafft hier in erster Linie eine möglichst aufrechte Sitzposition, zusätzlich aber auch ein komfortabler Lenkergriff mit grosser Auflagefläche oder ein stärker gekröpfter Lenker (ab 11 Grad), der ein zu starkes Abknicken der Handgelenke verhindert.
- Lenkerhöhe: Der Höhenunterschied zwischen Sattel und Lenkergriffen wird Lenkerhöhe genannt. Je aufrechter man fährt, desto schonender für den Rücken ist dies. Und: Je stärker nach vorne gebeugt, desto windschnittiger und besser die Kraftübertragung.
Das gesündeste für den Rücken ist eine aufrechte Sitzposition auf einem vollgefederten Rad.
Die Richtwerte für die Lenkerhöhe sind:
- Allround-Velo: Lenker ca. 5 cm über Sattelhöhe (Skizze 3).
- Rennvelo: 7 bis 10 cm unter Sattelhöhe.
- Mountainbike: Lenker etwa auf Sattelhöhe (klassisch) resp. ca. 7 cm über Sattelhöhe (Downhill).
- Lenkerbreite: Mit breitem Lenker lässt sich zwar das Rad besser manövrieren, wenn aber die Handgelenke abknicken, kann er auch zu Beschwerden führen - ein Problem, das durch einen gekröpften Lenker entschärft wird.
Tipp für Allround-Fahrer: Wählen Sie einen Lenker, der eine natürliche Stellung des Handgelenkes erlaubt.
3. Pedale
- Weil die ganze Antriebsenergie vom Menschen via Pedale aufs Velo übertragen wird, sind Veloschuhe mit einer steifen Sohle von Vorteil. Sie verteilen den Druck auf den ganzen Fuss.
Tipp: Wählen Sie einen Veloschuh, mit dem Sie auch zu Fuss gut unterwegs sind. Die meisten Veloschuhe können auch auf normalen Pedalen gefahren werden. Eine Alternative zu Klickpedalen, in denen die Schuhe fix sind, bieten Pedalen mit grosser Ablagefläche und einem griffigen Profil (wie sie die BMX-Fahrer verwenden), die man auch mit Halb- und Turnschuhen benutzen kann.
4. Velohose/Handschuhe
- Velohose: Gute Bikerhosen sind elastisch und haben Polster, die nicht nur atmungsaktiv sind, sondern auch Pobacken und Schritt effizient entlasten. Die besten Velohosen haben ein nahtfreies und neuerdings auch elastisches Sitzpolster.
Tipp: Velohosen ohne Unterhosen tragen; so verhindern Sie Druckstellen.
- Handschuhe: Anatomisch gepolsterte Handschuhe verhindern schmerzende Hände und eingeschlafene Finger.
- Gesässcreme: Lang- und Vielfahrer leiden oft an Gesässpickeln und Hautrötungen. Spezielle Gesässcremen reduzieren die Reibung zwischen Hosenpolster und Haut.