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K-Tipp 3/2001
14.02.2001
US-Hilfswerk World Vision Schweizer Stellen verweigern Zusammenarbeit
World Vision sammelt mit einer grossen Kampagne für Erdbeben-Opfer in Indien. Doch weder die Glückskette noch der Bund wollen mit dem amerikanischen Hilfswerk zusammenarbeiten.
Pia Seiler pseiler@ktipp.ch
Nach der Erdbebenkatastrophe in Indien hat das Hilfswerk World Vision schnell reagiert und Schweizer Tageszeitungen rund 500000 Spendenaufrufe beigelegt. Umgehend hat World Visi...
US-Hilfswerk World Vision Schweizer Stellen verweigern Zusammenarbeit
World Vision sammelt mit einer grossen Kampagne für Erdbeben-Opfer in Indien. Doch weder die Glückskette noch der Bund wollen mit dem amerikanischen Hilfswerk zusammenarbeiten.
Pia Seiler pseiler@ktipp.ch
Nach der Erdbebenkatastrophe in Indien hat das Hilfswerk World Vision schnell reagiert und Schweizer Tageszeitungen rund 500000 Spendenaufrufe beigelegt. Umgehend hat World Vision auch bei der Glückskette und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit des Bundes (Deza) um weiteres Geld nachgefragt.
Doch beide Organisationen verweigern eine Zusammenarbeit mit World Vision, dessen Hauptsitz in Kalifornien liegt. Glückskette-Direktor Felix Bollmann: «Wenn wir mit einer Organisation zusammenarbeiten, wollen wir von der Schweiz aus genau kontrollieren können, wohin die Spendengelder fliessen. Diese Forderung aber kann World Vision Schweiz noch nicht erfüllen.»
Auch die Deza stellt zur Bedingung: Organisationen müssen in der Schweiz verankert sein. «Die Verankerung muss echt sein», sagt Deza-Mitarbeiter Konrad Specker. «Nur ein Büro zum Geldsammeln genügt nicht.»
Tatsächlich hat das Schweizer Büro von World Vision keine eigene Abteilung für Katastrophenhilfe und keine eigene Kontrolle über die Indien-Projekte. «Die Kontrolle über die Gelder ist durch ein genaues Reporting gesichert», sagt World-Vision-Sprecher Andreas Nievergelt. «Wir überlegen zudem, ob wir einen Schweizer Projektverantwortlichen nach Indien schicken sollen.»
Die Spenden gehen auf ein Sammelkonto in England. Dies ist für Glückskette-Direktor Bollmann zu wenig transparent. Er befürchtet, dass Spenden bei World Vision International versickern.
Im Spendenaufruf versucht das Hilfswerk, diesen Vorwurf zu entkräften. Gemäss einer Grafik (rechts) fliessen lediglich 21,27 Prozent der «Mittel» in Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit - und 78,73 Prozent in «Projektarbeit 3. Welt». Was damit genau gemeint ist, steht jedoch nirgends.
Auf Nachfrage sagt Andreas Nievergelt: «In den 78,73 Prozent sind auch die Kosten für die Projekt-Verantwortlichen eingerechnet. Sie machen knapp 1,5 Prozent aus.» Und wie gross ist der Anteil, den die Hilfsbedürftigen bekommen? Darauf kann Nievergelt dem K-Tipp keine Antwort geben.
Deza und Glückskette wollen das Hilfswerk zudem nicht als Partner, weil das Zewo-Gütesiegel fehlt. Die Zentralstelle für Wohlfahrtsunternehmen (Zewo) hat ein entsprechendes Gesuch des Hilfswerks vor vier Jahren abgelehnt. Die Zewo kritisierte die Kinder-Patenschaften, für die World Vision bekannt ist - im Speziellen die «irreführende» Werbung mit Kinderfotos. «Das Hilfswerk setzt Einzel-Patenschaften als Marketinginstrument ein», sagt Zewo-Mitarbeiterin Jacqueline Augsburger. «Die Kinder werden dabei zu Werbezwecken missbraucht, um Spenden für Entwicklungsprojekte zu erhalten.»
World Vision hält an den Patenschaften fest, erwähnt aber in den heutigen Mailings, dass mit den Spenden auch Projekte wie Brunnen oder Schulen finanziert werden. Das genügt Jacqueline Augsburger von der Zewo immer noch nicht. «Nach wie vor steht das einzelne Kind im Zentrum, obwohl es von den Projekten nicht mehr profitiert als die übrige Bevölkerung.»
Ob korrekt oder nicht: Willy Lenherr, Deza-Chef für humanitäre Hilfe in Asien und Amerika, will auch in Zukunft World Vision nicht als Partner in Indien. «Wir arbeiten dort seit Jahren mit indischen Organisationen zusammen, die sich bewährt haben. Ich sehe nicht ein, warum wir eine zusätzliche Organisation dazwischenschalten sollten.»
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