Zähne fletschen auf Knopfdruck
Inhalt
K-Tipp 17/2001
17.10.2001
Hunde-Abwehrgeräte Ultraschall gibt Spaziergängern falsche Sicherheit
Die Angst vor Kampfhunden hat den Verkauf von Hunde-Abwehrgeräten auf Ultraschallbasis angekurbelt. Doch Vorsicht: Eine Studie belegt, dass Ultraschall aggressive Hunde noch wütender machen kann.
Markus Kellenberger mkellenberger@ktipp.ch
Ein Druck auf den Knopf und schon «sendet das Gerät bis auf 7 Meter einen für den Menschen unhörbaren Hochfrequenzton aus, der angreifende...
Hunde-Abwehrgeräte Ultraschall gibt Spaziergängern falsche Sicherheit
Die Angst vor Kampfhunden hat den Verkauf von Hunde-Abwehrgeräten auf Ultraschallbasis angekurbelt. Doch Vorsicht: Eine Studie belegt, dass Ultraschall aggressive Hunde noch wütender machen kann.
Markus Kellenberger mkellenberger@ktipp.ch
Ein Druck auf den Knopf und schon «sendet das Gerät bis auf 7 Meter einen für den Menschen unhörbaren Hochfrequenzton aus, der angreifende Hunde stoppt». Das verspricht die Werbung für den Dazer - ein Hunde-Abwehrapparat aus den USA. Er soll Wanderer, Jogger und Velofahrer mit Ultraschall vor beisswütigen Hunden schützen.
«Genau das brauche ich», sagte sich Stine Polonius aus St. Gallen. Seit Jahren hindert sie die Angst vor fremden grossen Hunden, bestimmte Wanderwege zu benützen. Damit sollte nun Schluss sein. Sie kaufte sich für rund 100 Franken den Dazer.
Vorsichtshalber probierte sie das Gerät zuerst am Hund einer Freundin aus. Doch statt die Flucht zu ergreifen, «schaute mich das Tier treuherzig an», erzählt Polonius.
Verunsichert kaufte sie ein zweites und ebenso teures Ultraschall-Abwehrgerät namens Super Shoot. «Man weiss ja nie», habe sie sich gedacht. Aber auch diesem Gerät, das zusätzlich mit einer trüb leuchtenden Taschenlampe und einer erbärmlich leise quäkenden Alarmsirene ausgerüstet ist, war beim Praxistest kein Erfolg beschieden. Tierpsychologin Christine Krättli aus Eschenbach SG wundert das nicht. Zusammen mit Hundeführern der Stadtpolizei Winterthur hat sie die auf dem Markt erhältlichen Ultraschall-Abwehrgeräte an Wach-, Blinden- und Polizeihunden ausprobiert. Insgesamt wurden 120 Hunde unterschiedlicher Rassen, Grössen und Charaktere dem Hochfrequenzton ausgesetzt.
Krättlis Fazit: «Die Geräte sind einen feuchten Kehricht wert.» Noch schlimmer als die Nutzlosigkeit wiege, dass «der hohe Ton ein wütendes Tier noch aggressiver machen kann». Wer sich im Falle eines Falles also auf ein Ultraschall-Abwehrgerät verlässt, provoziert möglicherweise genau das, was er eigentlich verhindern wollte: einen deftigen Biss in den Allerwertesten.
Leider kennen viele Verkäufer der Hochtonapparate Krättlis Studie nicht. Deshalb sind sie überzeugt, ihren Kunden einen Gefallen zu tun.
So beispielsweise Colin Ramp vom Sportgeschäft Ryffel Running in Bern. «Wir erhalten nur positive Reaktionen», sagt er. Ein Kunde habe erzählt, dass er mit Hilfe des Dazers innert kurzer Zeit einen Hofhund bändigte, der ihm auf seiner täglichen Jogging-Runde sonst immer kläffend nachgesetzt habe.
«Ich vermute, da haben sich Hund und Läufer mit der Zeit einfach aneinander gewöhnt», analysiert Gabriela Calzavara von der Tierärztlichen Vereinigung für Verhaltensmedizin. Wie viele ihrer Kollegen hält auch sie «aus Erfahrung» nichts vom Ultraschall-Einsatz. «Die Leute wenden in ihrer Angst das Gerät bei Hunden an, die nicht wirklich gefährlich sind, und glauben, damit eine abschreckende Wirkung erzielt zu haben», sagt sie.
Kurz: Weit nützlicher als der Einsatz zweifelhafter Akustik-Abschrecker ist richtiges Verhalten. «Und das», meint Tierpsychologin Krättli, «ist vor allem auch auf Seiten der Hundehalter gefordert.» Begegne sie auf einem Spaziergang anderen Menschen, nehme sie ihre Tiere sofort an die Leine. Denn bei aller Liebe, die der Mensch seinem besten Freund entgegenbringt: «Hunde sind auch nur Tiere - passieren kann immer etwas.»
n
Angst vor Hunden besiegen
Es ist leichter gesagt als getan: Doch wenn Sie sich von einem Hund bedroht fühlen,
- bleiben Sie so ruhig wie möglich,
- rennen Sie nicht weg,
- starren Sie dem Hund nicht in die Augen,
- sagen Sie dem Halter laut und deutlich:
«Ich habe Angst. Nehmen Sie den Hund an die Leine.»
Falls Sie aktiv etwas gegen Ihre Angst vor Hunden tun wollen, belegen Sie einen Kurs gegen Hundeangst. Infos gibt die Erwachsenenbildnerin Gertrud Marbach, Tel. 01 342 12 97, E-Mail: rosalinde@reconline.ch
Rund 90 Tierärztinnen und -ärzte sind in Sachen aggressive Hunde speziell ausgebildet. Sie beraten sowohl Hundehalter als auch Nicht-Hundehalter. Die Adressen gibts bei der Gesellschaft Schweizerischer Tierärzte, Tel. 021 731 13 56, E-Mail: trolliet@swissonline.ch
Weiter steht bei allen Fragen zum Umgang mit aggressiven Hunden die Hotline des Bundesamtes für Veterinärwesen zur Verfügung: Tel. 031 322 22 99.