Zu klein und nicht so fein
Geschmacklich lassen sie zu wünschen übrig, und ihr Fleischanteil ist mickrig: Beim Miesmuschel-Test fallen viele Moules durch.
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K-Tipp 3/2006
08.02.2006
Bennie Koprio
Moules - oder zu deutsch Miesmuscheln - sind gesund: Ihr Fleisch ist mager und hat mit 70 kcal/100 g nur halb so viele Kalorien wie mageres Rindfleisch. Es enthält viel Eiweiss und ist reich an Mineralien und Vitaminen. Weitere Vorzüge: Moules sind schnell zubereitet und mit einem Kilopreis von 8 bis 12 Franken erschwinglich.
Trotzdem schrecken viele vor dem Kauf von Moules zurück: Sei es, dass sie in der Küche nicht mit ihnen umzugehen wissen, sei es, dass sie das Image der S...
Moules - oder zu deutsch Miesmuscheln - sind gesund: Ihr Fleisch ist mager und hat mit 70 kcal/100 g nur halb so viele Kalorien wie mageres Rindfleisch. Es enthält viel Eiweiss und ist reich an Mineralien und Vitaminen. Weitere Vorzüge: Moules sind schnell zubereitet und mit einem Kilopreis von 8 bis 12 Franken erschwinglich.
Trotzdem schrecken viele vor dem Kauf von Moules zurück: Sei es, dass sie in der Küche nicht mit ihnen umzugehen wissen, sei es, dass sie das Image der Schalentiere davon abhält. Denn Moules gelten als die Dreckfänger des Meeres: Eine einzige Muschel filtert pro Tag bis zu 50 Liter Wasser. Ist das Meer verschmutzt, reichern sich folglich die Umweltgifte in den Schalentieren an.
Das Westschweizer Konsumentenmagazin «A Bon Entendeur» (ABE) hat 20 Portionen Muscheln auf Schadstoffe untersuchen lassen - Moules von Irland bis Spanien, frische und gekochte, tiefgefrorene und als Fertiggericht angebotene. Erfreulich: Alle Proben waren bakteriologisch einwandfrei, die Konzentrationen an Blei, Cadmium und Quecksilber lagen weit unter den Grenzwerten.
Ein Ergebnis, das Kenner nicht erstaunt. Denn Moules stammen heute aus hoch technisierten Zuchtanlagen - «einer wichtigen Industrie, die strengen Kontrollen unterliegt», sagt René Dörig vom Frisch-Fisch-Grosshandel Dörig & Brandl. Allein Holland - Europas grösster Moules-Züchter - exportiert jährlich 100 000 Tonnen.
2 von 6 Proben schmeckten gut
Nur: Schmeckt auch gut, was sauber gezüchtet wurde? ABE ist mit fünf Portionen frischen und einer Portion tiefgekühlten Moules nach Brüssel geflogen, wo mehr Muscheln gegessen werden als in jeder anderen Stadt der Welt. Paul Vanlancker, Chef des auf Moules spezialisierten Restaurants Chez Léon, bereitete die Muscheln für die fünf Degustatoren zu: Konsumentenschützerin Stéphanie Bonnewyn, Lebensmittel-Experte Robert Remy, Patrick Verbrugghe vom Hotel Marriott in Brüssel, Benjamin Javaux vom Restaurant Chez Léon und Pierre Coulon vom Naturwissenschaftlichen Museum in Brüssel.
Resultat: Nur zwei erhielten die Note «gut» - die frischen Muscheln von Migros aus der Bucht von Mont Saint-Michel (Fr. 11.80/kg) und jene von Coop aus Holland (Fr. 12.-/kg). «Ziemlich klein, aber das Fleisch hatte eine gute Konsistenz. Leicht parfümiert und leicht salzig», lautet der Kommentar von Benjamin Javaux zu den Migros-Moules. An den Muscheln von Coop gefiel Patrick Verbrugghe «die mittlere Grösse und die schöne Farbe. Sie waren vollmundig und schmolzen im Mund.»
«Die waren nicht frisch»
Die restlichen Proben überzeugten nicht. «Der Geruch nach Meer war viel zu stark: die waren nicht frisch», so Stéphanie Bonnewyn über die Moules aus der Normandie, gekauft bei Carrefour (Fr. 10.70/kg). Die spanischen Moules von Manor (Fr. 9.-/kg) waren laut Degustatorenurteil sehr fad, ziemlich gummig und zu klein. Robert Remy: «Man musste das Fleisch in der Schale regelrecht suchen.»
Auch bei den Proben, die das Labor untersuchte, war der Fleischanteil oft mickrig. Die Grösse ist zwar kein Qualitätskriterium. Das Muschelfleisch sollte laut Experte Javaux aber rund ein Drittel des Gesamtgewichts ausmachen. Und diesen Anteil erreichten von den 20 getesteten Moules nur gerade fünf.
Qualitätsmerkmale von Muscheln
Das wichtigste Merkmal für die Qualität von Moules: Sie müssen frisch sein. Das heisst laut Frisch-Fisch-Grosshändler René Dörig: «Sie müssen leben, ihr Schliessmuskel muss aktiv sein.» Die Muschel sollte also geschlossen sein. Schliesst sich eine offene Moule nicht, wenn man sie leicht zusammendrückt oder anklopft, sollte man sie wegwerfen.
Frischmuscheln sind heikel. Die ideale Lagertemperatur ist laut Laurent Isoux vom Genfer Fisch-Grossisten Gastromer zwischen fünf und acht Grad. «Wenn Sie Ihre Muscheln im Winter auf den Fenstersims legen und sie gefrieren, sterben sie ab», warnt Isoux.
Moules sind schnell zubereitet - insbesondere, da sie in der Regel in der Zuchtanlage bereits gereinigt wurden und das Entfernen der Bärte entfällt. Das Rezept von Paul Vanlancker vom Restaurant Chez Léon in Brüssel: Die frischen Moules (1 Kilo pro Person) mit wenig Wasser in eine Pfanne geben, salzen, pfeffern und eine Handvoll gehacktes Gemüse - Zwiebeln und Stangensellerie - sowie grosszügig Butter dazugeben. Kochzeit: 4 bis 5 Minuten.
Bekannter als das belgische Rezept sind in der Schweiz die Moules Marinières: Hier werden die Muscheln mit gehackten Zwiebeln und Petersilie in Weisswein gekocht.
Hat sich eine Muschel beim Kochen nicht geöffnet, wirft man sie weg. Auch zerbrochene Moules - inklusive Schalensplittern - muss man laut René Dörig entfernen.
Von tiefgekühlten Moules halten Feinschmecker wenig. Die Jury erkannte das einzige Tiefkühlprodukt bei der Degustation sofort: mehlig und zu trocken, lautete das Urteil. «Die waren vermutlich tiefgekühlt», so Benjamin Javaux vom Restaurant Chez Léon.
(ko)