Zu Unrecht am Pranger
Ein Versandhaus wollte eine Kundin nur gegen Vorauszahlung beliefern. Grund war eine Verwechslung. Wer solchen Ärger vermeiden will, muss Datensammlern auf die Finger schauen.
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K-Tipp 4/2003
26.02.2003
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Zum Erstaunen von Jacqueline Schumacher aus Jona SG kam die Sendung des Versandhauses Boutique Elégance per Nachnahme. Als sich die Kundin beim Modeversand nach dem Grund dieser Massnahme erkundigte, traf sie fast der Schlag: «Die Angestellte sagte mir, eine Lieferung auf Rechnung komme nicht in Frage, weil ich zahlungsunfähig sei.»
Tags darauf kam der Bescheid auch noch schriftlich: «Eine Bonitätsprüfung bei der Firma Infoscore Zoom AG in Schlieren ZH hat ergeben, dass geg...
Zum Erstaunen von Jacqueline Schumacher aus Jona SG kam die Sendung des Versandhauses Boutique Elégance per Nachnahme. Als sich die Kundin beim Modeversand nach dem Grund dieser Massnahme erkundigte, traf sie fast der Schlag: «Die Angestellte sagte mir, eine Lieferung auf Rechnung komme nicht in Frage, weil ich zahlungsunfähig sei.»
Tags darauf kam der Bescheid auch noch schriftlich: «Eine Bonitätsprüfung bei der Firma Infoscore Zoom AG in Schlieren ZH hat ergeben, dass gegen Sie eine Betreibung läuft und ein Inkasso-Mahnverfahren wegen Aussichtslosigkeit eingestellt wurde.»
«Ich war fassungslos», erinnert sich Schumacher. Denn: Sie wurde noch nie betrieben und hatte auch noch nie ein Inkassobüro am Hals. Weshalb also die Einträge? Es brauchte mehrere Anläufe, bis Schumacher herausfand, dass sie Opfer einer blamablen Verwechslung geworden war. «Leider haben Sie eine Namensvetterin, auf die sich unsere gespeicherten Daten beziehen», teilte ihr Infoscore-Geschäftsführerin Liliane Rosser schliesslich mit. Auf die Frage, an wen Infoscore die falschen Daten sonst noch weitergegeben habe, kam keine Antwort.
Für Schumacher ist das Verhalten der Auskunftei «absolut inakzeptabel. Da ich mich kürzlich an verschiedenen Orten um eine Wohnung beworben und immer Absagen erhalten habe, ist nicht auszuschliessen, dass die betreffenden Verwaltungen falsche Informationen über mich erhielten.»
Der Gipfel ihres Ärgers: Mehrere Wochen nachdem Infoscore den Fehler zugegeben hatte, war Schumacher noch immer unter einer falschen Adresse registriert, wie K-Tipp-Recherchen ergaben. Für die Betroffene ist deshalb klar: «Die Datenbank wird schlampig geführt.» Rosser bestreitet dies. Bei rund 15 000 Auskünften pro Tag seien Fehler aber «nicht ganz vermeidbar».
Wer vermutet, dass falsche persönliche Daten herumgeistern, sollte wie folgt vorgehen:
- Fragen Sie beim Versandhaus nach, woher die Infos zu Ihrer Zahlungsfähigkeit stammen. Das Versandhaus ist laut Eidgenössischem Datenschutzbeauftragten verpflichtet, Auskunft zu geben.
- Verlangen Sie vom betreffenden Datensammler schriftlich einen Auszug der über Sie gespeicherten Daten. Legen Sie Ihrem Brief eine Ausweiskopie bei. Die Auskunft muss innert 30 Tagen unverschlüsselt und kostenlos erfolgen.
Diese Auskunft kann man auch präventiv verlangen. Die grössten Bonitäts-Datenbanken führen:
- Deltavista AG, Goldbacherstrasse 8, 8700 Küsnacht
- Infoscore Zoom AG, Ifangstrasse 8, 8952 Schlieren
- Intrum Justitia AG, Eschenstrasse 12, 8603 Schwerzenbach
- Erkundigen Sie sich auch, wie Ihre Daten in die Datenbank kamen und an wen sie weitergeleitet wurden. Sie haben ein Recht darauf, dies zu erfahren.
- Sind die gespeicherten Daten falsch, fordern Sie das Unternehmen auf, sie zu berichtigen und die Empfänger der falschen Daten entsprechend zu informieren. Verlangen Sie dafür eine schriftliche Bestätigung.
Musterbriefe finden Sie auf der Homepage des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten: www.edsb.ch/ d/doku/musterbriefe
Ohne Telefonbuch-Eintrag sind Kunden nicht kreditwürdig
Wer nicht im Telefonbuch eingetragen ist, erhält von Versandhäusern in der Regel nichts auf Rechnung.
Seit 1998 müssen sich Inhaber eines Festnetz-Anschlusses nicht mehr im Telefonbuch eintragen lassen. Sie können wählen zwischen der weissen, grünen, roten und schwarzen Liste. Schwarz bedeutet, dass die Angaben des Nummerninhabers geheim bleiben.
Wer sich dafür entscheidet - und das sind bisher über 150 000 Personen -, erhält von Versandhäusern nur gegen Vorauszahlung Waren. «Wir beliefern Neukunden nur auf Rechnung, wenn die Adresse bekannt ist», bestätigt etwa Patrick Kessler, Schweiz-Geschäftsführer von Quelle und Neckermann.
Ob eine Adresse bekannt ist, wird anhand des elektronischen Telefonbuchs und mit Hilfe von Auskunfteien abgeklärt. So arbeiten Quelle, Neckermann, Cornelia und Boutique Elégance mit der Firma Infoscore Zoom zusammen, Ackermann mit Intrum Justitia und Heyne, Jelmoli sowie Sport-Scheck mit Deltavista.
In der Bonitätsprüfung von Sport-Scheck blieb Caroline Fracchiolla aus Brugg AG hängen. Statt der bestellten Kleider erhielt sie einen Brief: «Zu unserem Bedauern hat unsere Kreditabteilung eine Lieferung auf Rechnung abgelehnt. Da wir nicht auf Nachnahmeversand eingestellt sind, können wir Ihren Auftrag leider nicht bearbeiten.» Ursache der Absage: Fracchiolla war im Telefonbuch noch unter ihrem ledigen Namen - Albrecht - eingetragen.
(thm)