Zu viel unnötige Handy-Strahlung
Inhalt
K-Tipp 20/2000
29.11.2000
Handys im K-Tip-Test Nokia 8850 belastet Sie am wenigsten
Die einen Natels strahlen fast sechsmal stärker als andere. Doch die Hersteller verschweigen den Käufern die Strahlenwerte. Der K-Tip hat 28 Handys testen lassen. So wissen Sie, welche Sie am wenigsten belasten.
Thomas Vogel tvogel@k-tip.ch
Auf 1,4 Milliarden Franken Schadenersatz hat der amerikanische Arzt Christopher Newman acht Handy-Hersteller sowie etliche grosse Telefongesellschaften ve...
Handys im K-Tip-Test Nokia 8850 belastet Sie am wenigsten
Die einen Natels strahlen fast sechsmal stärker als andere. Doch die Hersteller verschweigen den Käufern die Strahlenwerte. Der K-Tip hat 28 Handys testen lassen. So wissen Sie, welche Sie am wenigsten belasten.
Thomas Vogel tvogel@k-tip.ch
Auf 1,4 Milliarden Franken Schadenersatz hat der amerikanische Arzt Christopher Newman acht Handy-Hersteller sowie etliche grosse Telefongesellschaften verklagt. Der 41-Jährige leidet an einem bösartigen Hirntumor; er glaubt, dass der Tumor wegen des jahrelangen Gebrauchs eines Mobiltelefons entstand.
Newman wirft den Handy-Produzenten wie auch den Telefongesellschaften vor, die Konsumenten ungenügend aufgeklärt zu haben: Die Gesellschaften hätten den Benutzern nicht gesagt, dass Mobiltelefone starke und gesundheitsschädliche elektromagnetische Strahlen aussenden.
Experten warnen: Kinder sollten wenig mit Handy telefonieren
Ob Handystrahlen tatsächlich gesundheitsschädlich sind, ist trotz vielen Untersuchungen bis heute nicht schlüssig bewiesen. Dennoch warnte eine von der englischen Regierung beauftragte Expertenkommission: «Vor allem Kinder sollten so wenig wie möglich mit einem Handy telefonieren.» Die nach ihrem Vorsitzenden benannte Stewart-Kommission hatte den Auftrag, Auswirkungen der Handystrahlung auf die Gesundheit zu untersuchen.
Tatsache ist: Ein Handy sendet und empfängt Funkwellen. Vor allem beim Senden strahlt das Natel deshalb Energie aus. Ohne diese Energieabstrahlung - eine so genannte nichtionisierende Strahlung - kann kein Gespräch stattfinden. Unbestritten ist inzwischen, dass diese Strahlung das bestrahlte Gewebe erwärmt. Energie geht nämlich grundsätzlich nie verloren; sie wandelt sich lediglich um. Beim Handy in Wärmeenergie, die zum Beispiel das Hirn oder die Augen aufheizt.
Um diese Erwärmung im Kopf zu ermitteln, hat der Zürcher Wissenschaftler Niels Kuster Methoden und Apparate entwickelt, welche die Absorption der Handystrahlung im Kopf messen. Daraus ergibt sich eine für jedes Natel spezifische Absorptionsrate, abgekürzt SAR.
Konkret: Die SAR sagt aus, wie viel Energie in Watt pro Kilogramm Körpergewicht (W/kg KG) der Kopf beim Telefonieren aufnimmt. Je höher dieser Wert ist, desto mehr heizt das Gerät das umliegende Gewebe auf.
Wie stark das Handy strahlt, ist Konsumenten nicht egal
Zwar konnte auch die Stewart-Kommission keine abschliessenden Angaben zur gesundheitlichen Auswirkung des Handygebrauchs machen. Mit Blick auf die Beliebtheit des Mobiltelefons hielt sie aber fest: «Das schnelle Wachstum des Mobiltelefonmarktes deutet darauf hin, dass die meisten Leute die Möglichkeiten gesundheitlicher Schäden nicht als Problem betrachten.»
Dem können weder Kyra Hofmann, Leiterin der Abteilung Mobiltelefone beim Media-Markt Dietlikon ZH, noch Mirjana Moser vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) zustimmen: «Immer wieder fragen uns besorgte Konsumenten nach den Natels mit der kleinsten Strahlenbelastung», sagen beide übereinstimmend. Bisher mussten sowohl Hofmann als auch Moser diese Frage mit einem ratlosen Schulterzucken beantworten.
Konsumentenschützer fordern schon lange, dass die Hersteller die SAR-Werte von Mobiltelefonen deutlich deklarieren. Doch Produzenten und Behörden streiten sich immer noch über den gemeinsamen Nenner. Umstritten ist zum Beispiel, wie schnell Käuferinnen und Käufer den SAR-Wert finden sollen. Während Behörden wie das BAG oder die amerikanischen Strahlenschützer vom FCC eine klare und verständliche Deklaration der Werte auf der Verpackung fordern, wollen die Handy-Produzenten den SAR-Wert lediglich auf einem Beiblatt oder gar nur in der Bedienungsanleitung unter den technischen Spezifikationen aufführen.
Mirjana Moser vom BAG glaubt, dass der SAR-Wert allein nicht genügen. Sie möchte die Werte deshalb nicht nur deklarieren, sondern zusätzlich auch bewerten. Ihr schwebt eine Skala vor, die dem Konsumenten klar sagt, welches Natel ihn stark, weniger stark oder schwach belastet.
Vorschlag des BAG leitet sich vom Grenzwert ab
«Wir können kein Natel, dass den Grenzwert von 2,0 Watt pro Kilogramm einhält, als stark belastend deklarieren», meint Moser. Aber: «Wir können sagen, wie viel Prozent des Grenzwertes die Strahlung erreicht.» Ihr Vorschlag für eine VierPunkte-Einteilung:
- Weniger als 12,5 Prozent des Grenzwertes,
- 12,5 bis 25 Prozent des Grenzwertes,
- 25,1 bis 50 Prozent des Grenzwertes,
- 50,1 bis 100 Prozent des Grenzwertes.
Der K-Tip hat diese Einteilung für die Beurteilung der Belastung übernommen und selber bewertet:
- sehr gering,
- gering,
- mittel,
- stark.
Wie auch immer die Deklaration am Ende ausfallen wird - ein Wermutstropfen bleibt. «Der Wert beruht auf einer Selbstdeklaration der Produzenten, die nicht von Amtes wegen kontrolliert wird», bedauert Mirjana Moser im Gespräch mit dem K-Tip.
Wie stark jedoch die Handys strahlen, die bereits im Jahr 2000 einen Besitzer fanden, wird auch die geplante Deklaration nicht sagen; sie gilt nur für neue Mobiltelefone.
Umso wichtiger sind aktuelle Werte, sind doch weltweit gegen eine halbe Milliarde Natels mit dem auch in der Schweiz üblichen GSM-Standard in Betrieb.
Der K-Tip liess deshalb bei der australischen Firma EMC Technologies die SAR-Werte der aktuellen Natelgeneration im 900-Megahertz-Band bestimmen. EMC hat 28 der neusten und meistverkauften Mobiltelefone untersucht; Media-Markt hat diese Geräte dem K-Tip zu Testzwecken gratis zur Verfügung gestellt.
Diese nach neusten Erkenntnissen und gemäss europäischen Normen ausgeführten Messungen zeigen klar: Nur wenige Handy-Hersteller verstehen ihr Handwerk. Die Kunst besteht nämlich darin, die Strahlung möglichst vom Kopf weg zu leiten. Denn je mehr Sendeleistung in den Kopf geht, desto mehr muss das Natel arbeiten und desto schneller ist der Akku erschöpft.
Weil aber eine lange Bereitschaftszeit bei Mobiltelefonen ein gewichtiges Werbeargument ist, müssten eigentlich die Natel-Produzenten ein Interesse daran haben, die Strahlung möglichst nur zur Gesprächsübertragung zu nutzen statt unnötig den Kopf aufzuheizen.
Design wird laufend verbessert - nur der Strahlenschutz nicht
Die von EMC Technologies gefundenen SAR-Werte zeigen deutlich, dass den Herstellern die Bedenken der Konsumenten nicht so wichtig sind.
Zum Beispiel Motorola: Im letzten K-Tip-Handy-Test (K-Tip 15/99) hatte dieser Hersteller mit seinem Star Tac 130 bei eingefahrener Antenne einen SAR-Wert von 0,07. Das war das schonendste Natel überhaupt auf dem Markt. Heute erreicht Motorola mit seinem aktuellen Modell T2288 einen höheren Wert von 0,54. Besonders stark «grillt» das winzige V3690 von Motorola das Hirn der Nutzer. Es belastet den Telefonierer rund 15-mal stärker als das Star Tac 130.
Ebenso Nokia: Während die Edelhandys 8850 und das nicht mehr im Verkauf befindliche 8810 zu den schonendsten gehören und den Benutzer nur schwach belasten, steht am anderen Ende der Skala Nokias neuster Spross - das Nokia 6210. Es belastet den Konsumenten über siebenmal stärker als das 8810.
Nicht besser schneidet Ericsson ab: Das vor einem Jahr geprüfte I888 World belastete den Konsumenten rund zwei Drittel weniger als das neue Kult-Handy T28s (SAR 0,37 bzw. 1,27).
Ericsson und Swisscom berufen sich auf europäische Grenzwerte
Ericsson verweist darauf, dass alle ihre Geräte - so auch das T28s - die geltenden europäischen Grenzwerte einhalten. Auch Swisscom stellt sich auf diesen Standpunkt. Sie behauptet zusätzlich, die gefundenen Resultate seien lediglich Zufallswerte und untereinander nicht vergleichbar.
Erfreulich: Einen Schritt in die richtige Richtung tat Philips. Im letzten Test mit dem Genie noch einer der Verlierer, belastet das neue Ozeo den Nutzer nur noch einen Drittel so stark.
Ebenfalls erfeulich: Das stark belastende NEC DB4000 soll gemäss NEC Deutschland im deutschsprachigen Raum nicht mehr verkauft werden. Begründung: «Wir konnten im deutschen Markt nie richtig Fuss fassen.»
Das Handy strahlt auch im Bereitschafts-Modus
Innert kürzester Zeit hat sich das Mobiltelefon vom unbeweglichen Klotz zum handlichen Zwerg entwickelt, der überall und immer mit dabei ist. Der K-Tip beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Strahlung.
- Strahlt mein Handy nur, wenn ich telefoniere? Nein. Ihr Natel strahlt auch im Bereitschaftsmodus, wenn auch sehr viel schwächer. Es hält nämlich auch während dieser Zeit dauernd Kontakt zur Basisstation (Antenne). Einerseits muss es dem Betreiber den eigenen Standort mitteilen und andererseits fragt es auch ab, ob gerade jemand anruft. Wenn das Handy jedoch ausgeschaltet ist, sendet es nicht mehr; jetzt ist kein Energiefluss mehr vorhanden.
- Nützt ein so genannter Strahlenschutz? In den meisten Fällen sind diese Strahlen-Absorber nichts wert. Wenn sie die Strahlung effektiv absorbieren würden, könnten Sie auch nicht mehr telefonieren. Denn der aktuelle Energiefluss transportiert gleichzeitig Ihre und die Stimme des Gesprächspartners.
- Was belastet mich mehr: der Natel-Sendemast oder das Natel selber? Obwohl beim Antennenmast ein stärkerer Sender im Betrieb ist, ist die persönliche Belastung durch das Mobiltelefonieren um ein Vielfaches höher als die Belastung, die von einem Natelsendemast ausgeht. Die Strahlung des Telefons wird direkt durch den Kopf am sendenden Gerät absorbiert, während der Sendemast zwar den gesamten Körper belastet, dafür weniger.
- Ist mein Schnurlos-Telefon zu Hause ebenso belastend wie mein Handy? Nein. Die Sendeleistung eines Schnurlos-Telefons mit Basisstation erreicht nur fünf Prozent eines Natels. Schliesslich muss es nur eine Reichweite von gut 300 Metern haben. Dementsprechend kleiner ist auch die Belastung.
- Ich habe sehr schlechten Natelempfang. Kann das meine Strahlenbelastung beeinflussen? Ja. Je weiter Sie von einem Sendemast entfernt sind oder je schwächer das Signal ist, je mehr Leistung muss das Telefon abstrahlen, um das Gespräch dennoch einwandfrei zu übertragen.
- Wie beeinflusst eine Freisprech-Einrichtung meine Strahlenbelastung? Auch wenn die englische Konsumentenzeitschrift Which? berichtete, dass Freisprech-Einrichtungen die Belastung noch erhöhen würden, haben unabhängige Institute - auch das K-Tip-Messlabor EMC Technologies - das Gegenteil gezeigt. Freisprech-Einrichtungen reduzieren die Belastung des Hirns auf einen minimalsten Level. Voraussetzung: Sie dürfen das Telefongerät nicht auf Kopfhöhe tragen.