«Zum Nichtstun verdammt»
Geschäftemacher, die die Leute mit Schneeballsystemen über den Tisch ziehen, haben weiterhin fast freie Hand: Ein griffiger Gesetzesartikel ist verschollen.
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K-Tipp 8/2007
25.04.2007
Otto Hostettler
Landesweit bekannt wurde das System vom Kings Club: Interessierte werden mit Topsalären oder hohen Gewinnaussichten geködert. Doch um eine Provision «verdienen» zu können, muss man vor allem neue «Vertriebspartner» ?nden.
Inzwischen gibt es etliche schneeballähnliche Systeme. Firmen wie Bestlife 3000, Business Academy oder Innoflex funktionieren nach diesem Prinzip wie auch die berüchtigten Schenkkreise.
Doch das verlockende Konstrukt solcher sogenannter Mu...
Landesweit bekannt wurde das System vom Kings Club: Interessierte werden mit Topsalären oder hohen Gewinnaussichten geködert. Doch um eine Provision «verdienen» zu können, muss man vor allem neue «Vertriebspartner» ?nden.
Inzwischen gibt es etliche schneeballähnliche Systeme. Firmen wie Bestlife 3000, Business Academy oder Innoflex funktionieren nach diesem Prinzip wie auch die berüchtigten Schenkkreise.
Doch das verlockende Konstrukt solcher sogenannter Multi-Level-Marketing-Firmen funktioniert nur für jene, die zuoberst in der Pyramide sind. Die meisten «unteren» Beteiligten verlieren über kurz oder lang ihr Geld. Seit Jahren berichtet der K-Tipp über die Machenschaften solcher Firmen.
Gäbe es eine klarere gesetzliche Grundlage, könnten dubiose Geschäftemacher wesentlich einfacher zur Rechenschaft gezogen werden. Tatsächlich existiert ein solcher Passus, aber er wurde nie in Kraft gesetzt.
Der ausführliche Gesetzesartikel unter dem Titel «Unlautere Gewinnspiele zur Verkaufsförderung» und «Schneeballsysteme» wurde vor über fünf Jahren bei der Totalrevision des 80-jährigen Lotteriegesetzes von einer Expertenkommission ausgearbeitet. Darauf befand das Gremium einstimmig, ein solcher Passus gehöre ins Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Ein Opfer des Streits ums Lotteriegesetz
Um das restliche Lotteriegesetz gab es gleichzeitig wegen des schwindenden Einflusses der Kantone auf Grosslotterien einen heftigen Konflikt, worauf der Bundesrat das fertige Gesetz 2004 sistierte.
Der ebenfalls ?xfertige Passus zum Schneeballsystem, der notabene nie bestritten war und auch heute nicht in Frage gestellt wird, verschwand ebenfalls in einer Schublade. Die damalige Präsidentin der Expertenkommission, die bernische alt Regierungsrätin Dora Andres, zeigt sich erstaunt: Sie sei davon ausgegangen, dass besagter Artikel längst ins UWG aufgenommen worden sei, sagte sie dem K-Tipp.
Im Bundesamt für Justiz heisst es, der Artikel sei nicht weiterbearbeitet worden, weil das Lotteriegesetz sistiert sei, wie Reto Brand von der Lotterieaufsicht sagt. Doch einen direkten Zusammenhang zwischen dem Schneeballsystem-Artikel und dem Streit ums Lotteriegesetz gibt es nicht. Ex-Kommissionspräsidentin Andres ist überzeugt, dass es «überhaupt kein Problem» wäre, den Passus unabhängig von der ganzen Diskussion ums Lotteriegesetz in Kraft zu setzen.
Ganz offensichtlich wird der Ball in der Bundesverwaltung hin und her geschoben. Ein frustrierter Sachbearbeiter in der Bundesverwaltung sagt es anders: «Wir sind zum Nichtstun verdammt.»
Hände weg von diesen Systemen!
So erkennen Sie Schneeballsysteme:
- Ähnlich wie bei Jobangeboten wird nach «Vertriebspartnern» gesucht.
- Wer finanziell profitieren will, muss neue Vertriebspartner finden (Multi-Level-Marketing).
- Als Produkte werden z.B. fragwürdige «Motivationskurse» oder «Weiterbildungskurse» verkauft (Business Academy). Es gibt auch kuriose Pillen mit illegalen Heilsversprechungen (Bestlife 3000 GmbH).
- Bevor Sie «Verkäufer» werden können, müssen Sie Geld einzahlen.
- Bei Schenkkreisen/ Tischversammlungen zahlen Mitglieder Geld ein. Nach kurzer Zeit werde sich der Betrag vervielfachen, heisst es.