Zwei Jahre Garantie auf alle Waren
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K-Tipp 3/2001
14.02.2001
Kaufrecht Der Bundesrat will Löcher beim Konsumentenschutz stopfen - aber nicht alle
Schweizer Konsumenten sind weniger gut geschützt als ihre europäischen Nachbarn. Das soll sich ändern. Der Bundesrat hat endlich konkrete Vorschläge erarbeitet.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Der Basler Rechtsprofessor Ernst Kramer sprach im K-Tipp vom 8. September 1999 Klartext: «Unser Kaufrecht weist ein gravierendes Konsumentenschutz-Defizit auf. Es muss dr...
Kaufrecht Der Bundesrat will Löcher beim Konsumentenschutz stopfen - aber nicht alle
Schweizer Konsumenten sind weniger gut geschützt als ihre europäischen Nachbarn. Das soll sich ändern. Der Bundesrat hat endlich konkrete Vorschläge erarbeitet.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Der Basler Rechtsprofessor Ernst Kramer sprach im K-Tipp vom 8. September 1999 Klartext: «Unser Kaufrecht weist ein gravierendes Konsumentenschutz-Defizit auf. Es muss dringend revidiert werden.»
Im Bundeshaus hatte man für seine Forderung zunächst kein Gehör. Es bestehe kein unmittelbarer Handlungsbedarf, erklärte damals der Jurist Felix Schöbi vom Bundesamt für Justiz: «Wir haben momentan kein Projekt in der Pipeline.»
Jetzt hat sich die Pipeline doch noch gefüllt. Und was herausgekommen ist, birgt reichlich Zündstoff.
Konsumentenschutz soll auf EU-Niveau
Mitte Januar 2001 hat der Bundesrat zwei Gesetzesentwürfe in die Vernehmlassung geschickt: das Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr und das Bundesgesetz über die elektronische Signatur.
Mit diesen Entwürfen will der Bundesrat einerseits der starken Zunahme von Vertragsabschlüssen im Internet Rechnung tragen. Anderseits möchte er den Käufer-Schutz in der Schweiz auf europäisches Niveau anheben.
Von den vorgeschlagenen Änderungen sollen aber keineswegs nur Konsumenten profitieren, die Verträge im Internet abschliessen, wenn sie beispielsweise ein Buch bestellen. Die neuen Bestimmungen zum Kaufrecht würden nämlich ganz allgemein gelten - also auch für den Kauf im Laden. Folgendes ist vorgesehen:
- Immer zwei Jahre Garantie. Beispiel: Sie kaufen einen neuen Fernseher. Laut Vertrag haben Sie «sechs Monate Garantie». Zehn Monate nach dem Kauf geht der Fernseher kaputt.
Bisherige Regelung: Sie haben Pech gehabt. Die gesetzliche Garantiefrist beträgt zwar ein ganzes Jahr, aber der Verkäufer darf sie im Vertrag beliebig verkürzen.
Vorschlag Bundesrat: Die gesetzliche Garantiefrist soll auf zwei Jahre verdoppelt werden. Und: Geschäfte dürfen diese Frist in ihren Verträgen oder Garantiescheinen nicht mehr verkürzen.
Wichtig: Die neue Regelung würde nur für professionelle Verkäufer gelten. Private könnten die Garantie weiterhin verkürzen oder ganz ausschliessen.
- Werbeaussagen sind verbindlich. Beispiel: Ein Kleidergeschäft wirbt in Inseraten für Lederjacken «aus echtem Leder». Sie kaufen eine solche Jacke, ohne mit dem Verkäufer nochmals über die Qualität zu sprechen. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass die Jacke aus Kunstleder gefertigt ist.
Bisherige Regelung: Da der Kleiderladen bloss in der Werbung, nicht aber Ihnen persönlich versprochen hat, es handle sich um echtes Leder, gilt die Jacke nicht als mangelhaft. Zusicherungen in der Werbung sind nach geltendem Recht für den Verkäufer nicht verbindlich.
Vorschlag Bundesrat: Händler sollen nicht mehr das Blaue vom Himmel versprechen dürfen. Sie müssen für alle Eigenschaften eines Produkts einstehen, die sie in der Werbung zugesichert haben.
- Mängelrüge «innert angemessener Frist». Beispiel: Ihre neue Kaffeemaschine gibt während der Garantiezeit den Geist auf. Weil Sie gerade auf dem Sprung in die Ferien sind, reklamieren Sie erst drei Wochen später.
Bisherige Regelung: Ihre Reklamation kommt zu spät. Laut Gesetz hätten Sie «sofort» reklamieren müssen. Wenn der Verkäufer Ihnen bös will, kann er die Behebung des Mangels verweigern, obwohl die Garantie noch läuft. Vorschlag Bundesrat: In Zukunft soll es ausreichen, wenn Konsumenten «innert angemessener Frist» reklamieren. Welche Frist angemessen ist, müsste im Streitfall der Richter entscheiden.
Damit ist der Vorschlag unbestimmter als die Lösung der Europäischen Union (EU). Dort haben Käufer nach Entdeckung eines Mangels zwei Monate Zeit, um ihn zu rügen. In Deutschland und Österreich genügt es sogar, wenn sie irgendwann innerhalb der Garantiezeit reklamieren.
- Neu: Reparaturanspruch. Beispiel: Sie erwerben in einem Möbelgeschäft einen Tisch. Noch während der Garantiezeit beginnen die Beine zu lottern, weil sie schlecht befestigt sind. Sie verlangen vom Geschäft eine Reparatur, weil Sie an Ihrem Tisch hängen und das gleiche Modell nicht mehr erhältlich ist.
Bisherige Regelung: Sie können entweder den Kauf rückgängig machen, eine Preisminderung verlangen oder den Tisch gratis umtauschen (bei Massenware). Auf eine Reparatur haben Sie kein Anrecht.
Vorschlag Bundesrat: Käuferinnen und Käufer sollen auch eine Reparatur («Nachbesserung») verlangen können - allerdings nur dann, wenn dem Verkäufer dadurch keine übermässigen Kosten entstehen. Der Verkäufer darf das Wahlrecht des Käufers vertraglich nicht einschränken.
Internet, E-Mail: Neue Regeln für Fern-Geschäfte
Weitere Vorschläge des Bundesrats betreffen den so genannten «Fernabsatz». Damit sind alle Verträge gemeint, die ein Konsument mit einem professionellen Anbieter abschliesst, ohne dass sich die Parteien persönlich treffen. Beim Fernabsatz kommunizieren die beiden Vertragspartner vielmehr via (herkömmliche oder elektronische) Post, Telefon, Telefax, Fernsehen oder Internet. Zu denken ist etwa an eine Buchbestellung im Internet oder an die telefonische Buchung einer Reise.
Für solche Verträge schlägt der Bundesrat Folgendes vor:
- 7-tägiges Widerrufsrecht.
Beispiel: Sie bestellen bei einem Internet-Anbieter einen Computer. Am nächsten Tag bereuen Sie den Entscheid und wollen vom Vertrag zurücktreten.
Bisherige Regelung: Gekauft ist gekauft. Ein Widerrufsrecht existiert in der Schweiz - ausser bei Abzahlungsverträgen und Haustürgeschäften - nicht.
Vorschlag Bundesrat: Konsumenten sollen einen auf elektronischem Weg geschlossenen Vertrag innert einer Woche ohne Angabe von Gründen widerrufen können. Zur Begründung steht im bundesrätlichen Bericht: «Der Umstand, dass der Kunde den reellen Kaufgegenstand nicht sieht, sowie die Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit der ein Vertrag abgeschlossen werden kann, bergen die Gefahr, dass der Konsument einen unüberlegten Entscheid fällt.»
Kein Widerrufsrecht soll der Kunde haben bei Fernabsatz-Verträgen
- die ihn weniger als 100 Franken kosten;
- mit Banken und Versicherungen;
- über Waren, die speziell für ihn angefertigt werden sollen;
- über Dienstleistungen, die auf seine persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind (zum Beispiel eine für ihn zusammengestellte Reise);
- die er bei einer Internet-Auktion abgeschlossen hat.
Laut Vorschlag muss der Anbieter seinen Kunden ausdrücklich auf das Widerrufsrecht hinweisen. Erst wenn er dies tut, beginnt die siebentägige Frist zu laufen.
Noch kundenfreundlicher ist hier die EU. Gemäss ihrer Fernabsatz-Richtlinie beginnt die Widerrufsfrist beim Kauf von Waren erst zu laufen, wenn die Ware beim Kunden eintrifft. In Deutschland gilt sogar eine 14-tägige Frist.
- Verkäufer muss Lieferkosten tragen. Beispiel: Sie bestellen telefonisch bei einem Weinhändler zwölf Flaschen Wein. Über die Versandkosten sprechen Sie mit dem Händler nicht.
Bisherige Regelung: Wenn nichts anderes vereinbart ist, müssen Sie als Käufer die Liefer-Kosten übernehmen.
Vorschlag Bundesrat: Im Fernabsatz soll neu der Verkäufer die Versandkosten tragen. Die Parteien können aber auch etwas anderes vereinbaren.
- Vollständige Kundeninformation. Nach dem Willen des Bundesrats müssen Fernabsatz-Anbieter ihren Kunden vor Vertragsabschluss verschiedene Informationen liefern. Gefordert sind unter anderem Angaben zur Identität des Anbieters, zu den Produkten, den Preisen und den Zahlungsbedingungen.
Online-Anbieter müssen ausserdem «auf die einzelnen technischen Schritte hinweisen, die zu einem Vertragsabschluss führen», und «angemessene technische Mittel zur Verfügung stellen, mit denen der Kunde Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen kann».
Diese Informationspflichten sind weniger umfassend als in der EU. Dort müssen Anbieter zum Beispiel auch die Handelsregister-Nummer angeben.
Das klein Gedruckte ist weiterhin nachteilig
In einem anderen Bereich bleibt die Schweiz ebenfalls hinter dem EU-Standard zurück: bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Mit Hilfe des klein Gedruckten dürfen Unternehmen heute das Gesetz abändern und so Konsumenten massiv benachteiligen. Das soll - abgesehen von den neuen und unabänderlichen Garantiebestimmungen beim Kauf - auch so bleiben.
Für Rechtsprofessor Kramer ist das «stossend». Er hatte schon im Herbst 1999 in besagtem K-Tipp-Artikel gefordert, dass «die Gerichte die Möglichkeit erhalten müssten, einseitige Vertragsbedingungen als ungültig zu erklären».
Im Bundeshaus will man davon nach wie vor nichts wissen. Die gegenwärtige Regelung sei ausreichend, verlautet aus Bern.
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Elektronische Unterschrift kommt
Mit der Anerkennung der «elektronischen Signatur» will der Bundesrat das Vertrauen der Konsumenten in den elektronischen Geschäftsverkehr stärken.
Für die meisten Verträge genügt eine mündliche Vereinbarung zwischen den Parteien. Nur in Ausnahmefällen verlangt das Gesetz ein Schriftstück mit eigenhändiger Unterschrift, zum Beispiel für Abzahlungs- oder Konsumkreditverträge. Solche Verträge sollen in Zukunft auch via E-Mail oder durch Annahme eines Online-Angebots im Internet abgeschlossen werden können. Voraussetzung dafür ist die Gleichstellung der eigenhändigen Unterschrift mit der so genannten «elektronischen Signatur», die der Bundesrat nun vorschlägt.
Die elektronische Signatur ermöglicht es den Vertragspartnern, sich mit Hilfe von zwei Codes zu identifizieren. Kontrollieren lässt sich auch, ob ein Dokument nach der Signatur noch verändert wurde.
Vom elektronischen Weg ausgeschlossen wären nach dem Willen des Bundesrats Rechtsgeschäfte, die notariell zu beurkunden sind - zum Beispiel Grundstückkäufe. Auch Testamente wären trotz elektronischer Signatur ungültig, weil sie laut Gesetz von Hand zu schreiben sind.