Das Bauschänzli in Zürich ist das bestgelegene Gartenrestaurant der Stadt. Die künstlich angelegte Insel auf der Limmat ist mit dem dort stattfindenden Oktoberfest und dem Weihnachtszirkus ein Publikumsmagnet. Eigentümerin ist die Stadt Zürich. Im Januar verkündete sie, dass das «Bauschänzli» neu vermietet wird. Das Rennen unter den 20 Bewerbern machte die Candrian Catering AG. Ihr gehören unter anderem 22 Restaurants, 12 Bars und 14 Take-Aways, viele davon im Hauptbahnhof Zürich. Dort glänzt Candrian mit teurem Mineralwasser (Halbliter für Fr. 4.40) und vergoldetem Heineken-Bier – die Alu-Dose (5 dl) kostet in der «Snackbar» 7 Franken (saldo 2/15).
Der angekündigte Beizerwechsel schlug hohe Wellen. Dutzende Internetkommentare in der Lokalpresse liessen sich über die Preise und die Qualität aus. «Waren Sie bisher schon mal auf dem Bauschänzli essen? Ich schon, genau einmal», schrieb etwa Adam G. Und Werner von G. meinte: «Der Neupächter steht für überteuerte Langeweile.»
Ein vegetarisches Curry kostet fast 40 Franken
Der Stadt Zürich gehört nicht nur das «Bauschänzli», das sie vermietet. Insgesamt 60 Restaurants sind im Portfolio der städtischen Liegenschaftsverwaltung. Die Stadt Bern ist Eigentümerin von 15 Restaurants, die sie vermietet. Basel hat 11, St. Gallen 7, Luzern 4 Beizen. Die Preise in den städtischen Gaststuben sind teilweise gesalzen. So kostet etwa in der Zürcher Altstadt in der «Raclette-Factory» ein Käsegericht à discretion Fr. 49.90 pro Person. Am See, in der «Pumpstation» unter freiem Himmel kostet die Schweinsbratwurst mit Bürli Fr. 8.80. Und im stadteigenen Ausflugsrestaurant «Seerose» in Zürich-Wollishofen gibts das vegetarische Green-Thai-Curry mit geräuchertem Tofu für Fr. 39.90. Und zum Dessert einen Coupe Dänemark für 14 Franken. Alles Preise, die von Unternehmergeist zeugen – aber nicht von Service public.
Städtische Liegenschaften sind oft mit einem sozialpolitischen Engagement verbunden, da sich immer mehr Menschen den teuren Wohnraum nicht leisten können. So subventioniert Zürich über 2100 seiner 9200 eigenen Wohnungen – Service public in Reinkultur. Auch Bern vermietet rund 500 seiner 2000 städtischen Wohnungen an Geringverdiener. Eine vergünstigte 4-Zimmer-Wohnung kostet in der Bundesstadt monatlich maximal 1100 Franken netto. Weitere 600 vergünstigte Wohnungen sollen folgen. Und in Basel erhalten Einkommensschwache Mietzinszuschüsse.
Wohnen ist das eine, günstiges gutes Essen und gesellschaftliche Teilnahme für weniger Begüterte das andere. Doch die Städte nehmen bei ihren Gastrobetrieben auf den Service public keine Rücksicht. Die Auswahlkriterien, nach denen Städte ihre Beizenmieter aussuchen, geben Aufschluss. Beispiel Zürich: Die zentralen Kriterien in der Ausschreibung sind eine schlüssige Konzeptidee – darin ist nur die Rede von einem «soliden» Preis-Leistungs-Verhältnis – ein Leistungsausweis und Referenzen des Bewerbers, ein realistisches finanzielles Angebot sowie die Bonität des Bewerbers. Service public: Fehlanzeige.
Zürich verlangt von diesen Lokalen zudem oft eine Umsatzmiete. Das heisst: Je mehr der Beizer verkauft, umso höher sind die Einnahmen der Stadt. Von einem «Gewinn» will die Stadtverwaltung aber nicht reden. Der jährliche Überschuss von durchschnittlich drei Millionen Franken gehe in ein «Spezialfinanzierungskonto für Instandsetzungen und Erneuerungen». Aktueller Kontostand: Rund 50 Millionen Franken.
Das Ziel der Städte: «Eine angemessene Rendite»
Auch in Basel, Bern, St. Gallen und Luzern ist von Service public bei den eigenen Restaurants keine Rede. Beispiel Bern: «Betriebskonzept, Solvenz, Erfahrung und Referenzen», seien in der Regel die Kriterien bei einer Neuvermietung, sagt Pressesprecherin Christina Martig von Immobilien Stadt Bern. Barbara Neidhart von Immobilien Basel-Stadt erklärt, «unsere elf Gastrobetriebe gehören zum Finanzvermögen». Die Bewirtschaftung der Immobilien sei nicht Bestandteil der Sozial- und Kulturpolitik. «Die Immobilien werden zur Erzielung einer angemessenen Rendite bewirtschaftet», sagt Neidhart.
In St. Gallen sollen die städtischen Beizen ebenfalls eine «gewisse Rendite» abwerfen. Auch in Bern gehören die Restaurants zum Finanzvermögen. «Die Vermietung zu marktkonformen Mieten wirft einen Gewinn ab», sagt Christina Martig von Immobilien Stadt Bern. Aus den 15 Berner Gastrobetrieben resultiere ein Nettomietzinsertrag von jährlich 2,5 Millionen Franken. Im Gegensatz zu St. Gallen oder auch Luzern sieht Bern bei allen Gastroverträgen eine Umsatzmiete vor. Gleichzeitig wird ein Mindestmietzins festgelegt, der unabhängig von der Umsatzentwicklung nicht unterschritten wird.
In die preisliche Gestaltung der Getränke- und Speisekarte mischt sich keine der angefragten Städte ein. «Der Markt regelt das Preis-Leistungs-Verhältnis», heisst es stellvertretend für alle aus Luzern.
Herbert Lanz