Manche Anleger kann man mit Abenteurern vergleichen, die ins Amazonasgebiet aufbrechen, ohne Mindestkenntnisse über die dort lauernden Gefahren zu haben», begründet Walter Wittmann (73) seine «goldenen Regeln». Sie sind Teil seines neuen Buches «Wie man erfolgreich investiert» (siehe unten). Jeder Anleger brauche sinnvolle Verhaltensregeln, wenn er an Finanzmärkten halbwegs erfolgreich agieren wolle:
Informiere dich objektiv
Erste Priorität: Skepsis. Das ist wichtig in Bezug auf Versprechen und Urteile seitens der Finanzberater – sie verfolgen oft nur ihre eigenen Interessen. Man braucht also zuverlässige und unabhängige Informationsquellen. Doch diese sind rar und vor allem nicht kostenlos.
Gut fährt man mit seriösen Börsen- oder Wirtschaftsbriefen. Vor allem dann, wenn die Herausgeber selber «keine Anlagen tätigen und keine Vermögensverwaltung betreiben», schreibt Wittmann. Sonst sei die Versuchung gross, Anlagen zu empfehlen, die der Autor selber im Depot hat. So oder so gilt: Anleger müssen alles dransetzen, eine objektive Sichtweise zu erhalten. Denn das Risiko trägt immer der Anleger.
Spekuliere nicht
Es tönt simpel, wurde oft gesagt, und auch Wittmann wiederholt es: Setzen Sie nur Geld ein, das verloren gehen kann, ohne dass Sie finanziell ins Trudeln kommen. Viele Investoren hoffen, an der Börse den Coup ihres Lebens zu landen. Sie sind durch nichts zu bremsen, wollen zocken.
Sollten diese Anleger tatsächlich einmal Glück haben, fordern sie es erneut heraus. Dies kann nur in einem Desaster enden, ist Wittmann überzeugt. Dies gilt vor allem für jene «Spieler», die Kredite aufnehmen oder die Hypotheken ihres Eigenheims erhöhen, um mit diesen Mitteln auf Pump Aktien zu kaufen.
Lass nicht zu, dass Zeit gegen dich arbeitet
Wer die Zeit gegen sich hat, steht unter Druck. Das Ergebnis: Verluste. Dies zeigt sich bei Anlegern, die zum Beispiel mit Optionen spekulieren. Zwar kann man Optionen, sofern sie regelmässig und in liquiden Märkten gehandelt werden, jederzeit vor Verfall verkaufen, doch die Neigung privater Anleger ist gross, bis zum Schluss auszuharren.
Dies um potenzielle Verluste aufzuholen oder um noch mehr Gewinn zu realisieren. Doch die Erfahrung zeige, dass die erdrückende Mehrheit von Anlegern mit Optionen Totalverluste erleiden, so Wittmann. Es gibt eine Reihe weiterer Anlagen, wie Hedge- und Immobilien-Fonds, die entweder mit Kündigungsfristen versehen sind – oder bei denen man erst am Ende der Laufzeit aussteigen kann. Man ist Gefangener einer Entwicklung, auf die man keinen Einfluss hat.
Kaufe nur das, was du verstehst
Kennen darf man nie mit verstehen verwechseln. Es ist unabdingbar, das Geschäftsmodell eines Unternehmens zu kennen, zu wissen, was es produziert und in welchen Absatzmärkten es sich betätigt. Entscheidend ist eine sehr starke Marktposition. Weiter braucht es die Kenntnis über die langfristige Entwicklung von Umsatz und Gewinn sowie über die Zukunftsaussichten der Firma.
Also nicht blind einem Unternehmen aus der Region vertrauen. Das gilt auch für Firmen im eigenen Land, für solche mit bekannten Namen wie Coca-Cola oder Nestlé und für die Hausbank.
Diversifiziere deine Anlagen
Die grosse Gefahr ist das Klumpenrisiko, das heisst: Bei Aktien setzt man auf wenige, vertraute Aktien – etwa auf Schweizer Blue Chips. Zwar sind das massive Werte, aber sie reichen nicht aus, um genügend diversifiziert zu sein. Auch solche Aktien können bei einem Crash oder einer anhaltenden Baisse happige Verluste bringen.
Abzuraten ist auch davon,einzig seine Lieblingsbranche, etwa Hightech-Aktien, zu berücksichtigen. Ebenso unklug ist es, bloss auf Energie-, Metall- oder Goldaktien zu setzen.
Auch wer Anlagen nur in einem einzigen Land tätigt, sollte nicht übersehen, dass man dadurch ein Klumpenrisiko eingehen kann. Dabei spielen auch die Grösse und die Leistungsfähigkeit eines Landes eine grosse Rolle. Riskant sind kleine, wenig dynamische Volkswirtschaften.
Man sollte sich auch nicht ausschliesslich auf Immobilien konzentrieren. Oft kaufen Anleger gleich mehrere an einem Ort. Liegt dieser fernab eines städtischen Einzugsgebiets, gibt es keinen liquiden funktionierenden Markt. Schlimmstenfalls findet sich in einer Notlage kein Käufer für solche Immobilien. Sinnvoll ist sicher eine Diversifikation in die alten EU-Länder, in Kanada, Australien und in die Schweiz.
Investiere nur in liquide Märkte
Man muss unbedingt darauf achten, wie es um die Handelbarkeit der Anlagen steht. Denn leider kann man sie bei Geldbedarf nicht immer verkaufen. Für eine Reihe von Anlagen gibt es faktisch keinen oder nur einen ineffizienten Markt.
Das gilt etwa für die unzähligen Derivate (Futures, Optionen usw.). Der Anleger muss oft bis zum Verfall warten, bis er Bares erhält, unabhängig davon, wie sich die Finanzmärkte entwickeln. Sich hier zu engagieren, ist ein zu hohes Risiko. Selbst wer in Obligationen investiert, sollte daran denken, dass auch hier sehr enge Märkte existieren, wo man nicht jederzeit verkaufen kann.
Achte auf das Timing
Wittmann beobachtet hier ein typisches Muster bei Privatanlegern: Sie investieren, wenn sie vom grassierenden Optimismus angesteckt werden, kaufen so zu spät und zu teuer. Selbst nach Kursgewinnen wird nicht verkauft, sondern gewartet, ob es noch weiter nach oben geht.
Drehen einzelne Aktien oder Märkte nach unten, wird ebenso wenig verkauft, weil man auf die nächste Erholung wartet. Gehts wei-ter bergab, verlieren die Anleger den Kopf und verkaufen meist in der Nähe des untersten Wendepunktes.
Um den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen, ist man auf unabhängige Börsenbriefe angewiesen – und an die Ratschläge muss man sich konsequent halten.
Veranstalte keine Aufholjagd
Bei sinkenden Kursen Aktien nachkaufen, das tut mancher Investor. Er ist nicht bereit, Fehlpositionen durch Verkäufe zu eliminieren. Nachgekauft wird auch oft, weil man sich Jahresziele für die Höhe der Rendite setzt. Dies ist weder sinnvoll noch Erfolg versprechend. Aufholjäger schaffen es selten, Gewinne zu realisieren. Entweder wegen unrealistisch hoher Ziele oder weil sie Angst haben, die Kurse könnten nach dem Verkauf steigen. Das führt dazu, dass man auf Gewinnmitnahmen verzichtet und von Wenden nach unten überrascht wird.
Arbeite mit Stop-Loss
Stop-Loss-Limit ist eine Handelsoption für eine Verkaufsorder im Wertpapierhandel und bezeichnet eine Kursuntergrenze. Sobald der angegebene Kurs unterschritten wird, wird ein Verkauf ausgeführt. Diese Absicherung ist die einzige Medizin gegen Fehleinschätzungen. Am besten gibt man bereits mit dem Kauf einer Wertschrift ein Stop-Loss in Auftrag.
Enge Limits von zum Beispiel 10 Prozent machen nur bei grosskapitalisierten Aktien Sinn. Bei Mid Caps und Small Caps gibts nicht selten Tageschwankungen von mehr als 10 Prozent. Anleger sollten sich deshalb auf Standardwerte konzentrieren. Bei steigenden Kursen muss man die Stop-Loss-Marken auch immer wieder nach oben anpassen.
Bleibe stets handlungsfähig
Zur vollen Handlungsfähigkeit gehört etwas, worüber kaum gesprochen oder geschrieben wird: physisch und psychisch fit zu sein. Nicht wenige Senioren beginnen aus purer Langeweile, an den Finanzmärkten zu zocken. Ähnlich präsentiert sich die Lage für jene, die zwar im Berufsleben stehen, aber wegen Dauerstress kaum Zeit haben, sich seriös mit ihren Anlagen zu beschäftigen.
Beruflich Hyperaktive und Senioren sollten ihr Geld deshalb in festverzinsliche Anlagen investieren.
Buchtipp: «Wie man erfolgreich investiert»
Walter Wittmann ist emerittierter Wirtschaftsprofessor der Uni Freiburg. Er gibt leicht verständlich viele Infos und Tipps für Private, z. B. über die diversen Anlagestrategien und zu guten Börsenbriefen. Das Buch ist im Verlag Orell Füssli erschienen (2008), Fr. 39.80.