Für Sandra Schmied (Name geändert) begann der Ärger mit der Kirchensteuer vor über 30 Jahren. Ende 1989 zügelte sie mit ihrem Ehemann nach Stallikon ZH. Das Paar meldete sich bei der Gemeinde an. Sandra Schmied gab an, sie sei konfessionslos. Anders als ihr Ehemann war sie bereits 1972 aus der evangelisch-reformierten Kirche ausgetreten. Doch die Gemeindeangestellte registrierte die heute 76-Jährige irrtümlich als Mitglied der reformierten Kirche.
Schmieds bemerkten den Fehler nicht – obwohl auf den Steuererklärungen bei der Rubrik «Konfession» für Sandra Schmied «evang-reformiert» vorgedruckt war. Das Paar strich aber den Vermerk beim alljährlichen Ausfüllen der Steuererklärung durch. Das Steueramt reagierte auf dieses Durchstreichen all die Jahre nicht – auch nicht in den Einschätzungsentscheiden.
In den Schlussrechnungen war unter «Steuerart» jeweils die Kirchensteuer «evang-reformiert» mit einem Steuerfuss von «8 %» aufgeführt. Es fehlte ein Hinweis, dass damit die Kirchensteuer für beide Eheleute gemeint war. Darauf kam nur, wer auf der Rückseite der Rechnung das Kleingedruckte beachtete: dass bei der Steuerberechnung unter «Anteil» der Vermerk «½» hätte stehen sollen.
Fehler erst bei einem Ortswechsel bemerkt
Im November 2021 zügelte das Ehepaar Schmied von Stallikon in die Nachbargemeinde Bonstetten.Als es sich bei der Gemeinde anmeldete, gab Sandra Schmied erneut an, dass sie konfessionslos sei. Die Angestellte der Gemeinde überprüfte die Anmeldung per Telefon bei der Gemeinde Stallikon. Dabei erfuhr sie, dass die Frau dort als Mitglied der reformierten Kirche registriert war. Das teilte sie dem Ehepaar mit.
Ende Januar 2022 forderte das Ehepaar Schmied vom Steueramt Stallikon für die Zeit von 1989 bis 2020 die zu Unrecht bezahlte Kirchensteuer zurück – laut eigener Schätzung ein Betrag in der Höhe von insgesamt rund 11'000 Franken. Das Steueramt räumte den Fehler ein und entschuldigte sich dafür. Gleichzeitig warf das Amt dem Paar vor, es habe sich all die Jahre weder beim Steueramt noch bei der reformierten Kirche gemeldet – obwohl es bemerkt habe, dass die Steuer auf der jährlichen Steuererklärung falsch erfasst worden war.
Trotzdem war das Steueramt bereit, eine Berichtigung vorzunehmen. Eine solche ist gemäss Zürcher Steuergesetz bei rechtskräftigen Steuerrechnungen möglich, wenn der Behörde ein Rechnungsfehler unterlief. Die Berichtigung ist aber auf die letzten fünf Jahre seit Ausstellung der Steuerrechnung begrenzt. Gestützt darauf erhielten Schmieds die Kirchensteuer nur für die Jahre 2016 bis 2020 zurück, total rund 1000 Franken.
Kirchenbehörde lehnt Rückzahlung ab
Darauf forderte das Ehepaar von der Kirchenpflege Stallikon/Wettswil und später von der Bezirkskirchenpflege Affoltern ZH die zu Unrecht erhobene Kirchensteuer für die Jahre 1989 bis 2015 zurück. Beide Instanzen lehnten eine Rückzahlung ab: Die erhobene Steuer stütze sich auf rechtskräftige Entscheide und Schlussrechnungen.
Martin Billeter, Präsident der Bezirkskirchenpflege, empfahl dem Paar, es solle die bezahlte Kirchensteuer als eine – wenn auch nicht freiwillige – Spende an eine Organisation interpretieren, die gemeinnützig und karitativ tätig sei. Und Danièle Beringer, Präsidentin der Kirchenpflege der Kirchgemeinde Stallikon/Wettswil, schlug dem Paar eine «personalisierte Spende» vor. Das heisst: Es hätte angeben können, dass die Kirche in seinem Namen einen Geldbetrag an eine bestimmte Person spendet. Doch Schmieds verstanden nicht, warum es nicht möglich war, stattdessen die Kirchensteuer zurückzuzahlen. Sie lehnten den Vorschlag der Kirchenpflege ab.
Rückzahlungspflicht besteht nicht
Rechtlich ist klar: Nach dem anwendbaren Steuergesetz ist die Kirchgemeinde nicht dazu verpflichtet, die Kirchen-
steuer zurückzuzahlen. Das bestätigt Rechtsprofessor Lorenz Engi, Lehr- und Forschungsrat am Institut für Religionsrecht der Uni Freiburg. Doch sei es nicht verboten, dass die Kirchgemeinde freiwillig eine entsprechende Zahlung leiste.
Die Rückerstattung der rund 10'000 Franken an das Ehepaar Schmied wäre für die Kirchgemeinde Stallikon/Wettswil ohne Probleme möglich. Ende 2023 verfügte sie laut der Jahresrechnung über ein Barvermögen von rund 570'000 Franken und über ein Eigenkapital von gegen 2 Millionen Franken.
So können Sie Fehler bei den Steuern vermeiden
- Falls Sie aus der Kirche austreten: Verlangen Sie eine Austrittsbestätigung und bewahren Sie sie auf.
- Legen Sie die Austrittsbestätigung der Gemeinde vor, wenn Sie sich nach einem Ortswechsel neu anmelden.
- Verlangen Sie danach von der Gemeinde eine schriftliche Bestätigung, dass Sie als konfessionslos registriert wurden.
- Überprüfen Sie in der Schlussrechnung des Steueramtes, dass keine Kirchensteuer erhoben wird. Das geht am einfachsten mit dem Steuerrechner der Eidgenössischen Steuerverwaltung, zu finden auf Estv.admin.ch → Steuerrechner → Einkommens- und Vermögenssteuer.
- Falls das Steueramt eine Kirchensteuer berechnet, können Sie beim Gemeindesteueramt gegen die Schlussrechnung innert 30 Tagen Einsprache erheben.
- Entdecken Sie den Fehler des Steueramtes erst später, können Sie beim Amt eine Berichtigung der Rechnung verlangen. Das ist in allen Kantonen bis fünf Jahre nach Erhalt der Schlussrechnung möglich.