Die italienische Stadt Sestri Levante ist ein Badeort in Ligurien, rund 50 Kilometer südlich von Genua. Marco Mieschbühler aus Hallwil AG soll dort am 24. Juli 2016 in der Via Vittorio Veneto seinen VW parkiert und die Parkgebühren nicht bezahlt haben. Das geht aus einer Bussenverfügung der Gemeindepolizei von Sestri Levante hervor, die der Aargauer knapp ein Jahr später erhielt.
Die Polizei forderte Mieschbühler auf, wegen der nicht beglichenen Parkgebühr eine Busse zu bezahlen: Sie verlangte umgerechnet 70 Franken, wenn die Busse innert fünf Tagen bezahlt werde. Nur: Marco Mieschbühler war im Jahr 2016 nach eigenen Angaben nicht in Italien. «Am 24. Juli 2016 fuhr ich mit meinem Auto – übrigens ein Ford! – zu einer Geburtstagsparty ins Museum Suhr», sagt er. Er ignorierte das Schreiben und vergass den Vorfall.
Nach drei Jahren kam die Vorladung
Doch im Herbst 2019 erhielt Mieschbühler über das Bezirksgericht Lenzburg AG eine Vorladung aus Italien zugestellt. Mittlerweile war die Inkassofirma Nivi Credit aus Florenz mit dem Eintreiben der Busse beauftragt. Ihr Anwalt forderte Mieschbühler auf, Ende Januar vor einem Friedensrichter in der Stadt Chiavari zu erscheinen. Inklusive Verfahrenskosten belief sich die Forderung laut Klageschrift mittlerweile auf über 1300 Franken.
Mieschbühler bezweifelte, dass der Anwalt überhaupt befugt war, ihn zu einer Verhandlung nach Italien aufzubieten. In der Schweiz dürfen das nur Behörden. Patrick Pfister, ein auf italienisches Recht spezialisierter Jurist aus Birchwil ZH, beurteilt das Vorgehen der Inkassofirma jedoch als zulässig: «Im italienischen Prozessrecht beginnt ein Verfahren vor dem Friedensrichter, indem der Kläger oder sein Anwalt dem Beklagten die Klage zustellt.» Der Richter publiziere Anfang Jahr die Verhandlungsdaten im Voraus. Die Kläger könnten die Beklagten auf eines dieser Daten vorladen. Ignoriert der Beklagte die Vorladung, entscheidet der Friedensrichter den Fall aufgrund der Argumente des Klägers.
Nur: Dieser Entscheid ist in der Schweiz nicht vollstreckbar. Das heisst: Mieschbühler hat in der Schweiz keine Nachteile zu gewärtigen, wenn er in Chiavari nicht an der Friedensrichterverhandlung teilnimmt.
Bei Einreise droht Inkasso
Doch was passiert, wenn der Aargauer wieder einmal nach Italien reist? Patrick Pfister meint: Mieschbühler müsse keine Sanktionen befürchten, wenn er das mache. Denn für Parkbussen einer Kommunalpolizei gebe es in Italien kein elektronisches Register. «Der Polizist schreibt einen Rapport und übergibt ihn dem Inkassobüro.» Die Polizei wisse später nicht, was mit dem Rapport passiert sei.
Anders ist die Praxis bei Geschwindigkeitsbussen und unbezahlten Mautgebühren auf Autobahnen. TCS-Sprecher Daniel Graf sagt: «Bei Bussen kann man je nach Delikthöhe bei den italienischen Zollbehörden im Fahndungssystem registriert sein.» Graf ergänzt: «Einzelne Mitglieder haben berichtet, der Zoll habe sie bei der Einreise aufgefordert, ihre Busse zu begleichen.»
Das sollten Sie über Bussen aus dem Ausland wissen
Eine berechtigte Busse bezahlt man am besten möglichst schnell. So verhindert man hohe Inkassokosten.
Zwischen der Schweiz, Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein gilt seit 2017 ein Vertrag über die polizeiliche Zusammenarbeit. Gestützt darauf können Österreich und das Fürstentum Liechtenstein die Verkehrsbussen in der Schweiz eintreiben. Zuständig sind die kantonalen Behörden, etwa die Generalstaatsanwaltschaft im Kanton Thurgau oder die Untersuchungsrichterämter im Grenzkanton St. Gallen. Das gilt für Bussen von mindestens 70 Euro oder 100 Franken.
Zahlt der Gebüsste nicht, kann er betrieben werden. Das kassierte Bussgeld darf der Kanton behalten. Das läppert sich zu einem schönen Betrag zusammen. Beatrice Giger von der Staatsanwaltschaft St. Gallen: «In den ersten zwei Jahren wurden für ausländische Bussen 508 Rechnungen gestellt – im Betrag von insgesamt 89 609 Franken.»
Übrigens: In Frankreich und Italien gibt es beim raschen Einzahlen Rabatte.