Sandrine Lehmann hat wenig Zeit, um Vertragsbedingungen bei Versicherungen zu studieren. Ende 2021 war die dreifache Mutter und Psychotherapeutin aus Wallisellen ZH darum froh, dass ein Krankenkassenvermittler vorbeikam, um sie beim Wechsel der Krankenkasse zu beraten.
Der Makler vermittelte ausschliesslich Policen von Groupe Mutuel. Er empfahl der 44-Jährigen die Spital-Zusatzversicherung «H Bonus» für die private Abteilung zum Preis von 780 Franken pro Jahr. Ein gutes Angebot, dachte Lehmann.
Der Makler stellte ihr beim Gespräch Fragen zur Gesundheit. Dazu verlangen Krankenkassen vor dem Abschluss einer Zusatzversicherung Angaben. Denn nur Gesunde sind willkommen. «Ich informierte den Makler akribisch über meine bisherigen Krankheiten», erzählt die Psychotherapeutin. So hatte Lehmann zum Beispiel im Jahr 2019 einen Nabelbruch erlitten, der operiert werden musste.
Der Makler habe ihre Angaben auf einem Formular notiert. Den Versicherungsantrag liess er Lehmann jedoch auf einem Tablet unterschreiben. «Er versprach, die Angaben später elektronisch zu erfassen und den Antrag dann einzureichen», sagt Lehmann dem K-Tipp. Wenig später erhielt sie von Groupe Mutuel den Vertrag zugeschickt. Der Vermittler erhielt als Provision eine Jahresprämie.
Kasse kündigte Versicherung fristlos
Im Januar dieses Jahres erlitt Sandrine Lehmann einen Darmverschluss – eine Folge ihrer Nabelbruchoperation. Sie verbrachte zehn Tage in der Privatabteilung des Kantonsspitals Winterthur ZH. Groupe Mutuel erteilte dafür eine Kostengutsprache. Danach holte die Krankenkasse einen Arztbericht ein und erfuhr, dass Lehmann den Nabelbruch bereits vor Versicherungsabschluss erlitten hatte. Das hatte der Versicherungsvermittler im Gesundheitsfragebogen verschwiegen – ohne dass Lehmann davon wusste.
Groupe Mutuel verlangte darauf von Sandrine Lehmann die Kosten von fast 15'000 Franken für den Spitalaufenthalt – und kündigte ihre Versicherung per sofort.
Sandrine Lehmann ist kein Einzelfall. Immer wieder melden sich bei der Rechtsberatung des K-Tipp Versicherte, deren gesundheitliche Situation von Maklern beschönigt wurde. Lehmanns Fall zeigt: Falsche Angaben können sich für die Versicherten im Nachhinein rächen.
Die Frau beschwerte sich bei Groupe Mutuel über die fehlerhafte Beratung. Doch die Kasse zeigte sich unnachgiebig. Denn Lehmann hatte den Antrag auf dem Tablet unterschrieben und damit die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben bestätigt.
Lehmann wandte sich an den K-Tipp. Auf Anfrage bestreitet der Makler ein Fehlverhalten: «Ich habe die Informationen aufgenommen, wie sie von Frau Lehmann bereitgestellt wurden, und den Antrag gemeinsam mit ihr ausgefüllt.» Aber: Lehmanns Ehemann war beim Beratungsgespräch dabei und bestätigt ihre Darstellung.
Dank K-Tipp: Groupe Mutuel lenkt ein
Als der K-Tipp bei Groupe Mutuel nachhakte, lenkte die Kasse ein: «Unabhängig von der Schuldfrage übernehmen wir die Kosten für diesen Krankheitsfall, im Sinne einer Ausnahme und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.» Zudem nehme man Lehmann wieder in die Zusatzversicherung auf, mit einem Gesundheitsvorbehalt für den Nabelbruch. Der Vermittler habe die Provision in der Höhe einer Jahresprämie zurückzahlen müssen.
Vorsicht bei Vergleichsportalen
Übrigens: Im Internet gibt es Prämienvergleichsplattformen, hinter denen Krankenkassen oder Maklerfirmen stecken. Diese versuchen, an Adressen zu gelangen, um Beratungstermine zu vereinbaren. Die Visana zum Beispiel betrieb bis vor kurzem das Portal Krankenkassenadmin.ch. K-Tipp-Leser, die dort ihre Prämien verglichen, erhielten daraufhin Anrufe von Maklern der Visana.
Prämien vergleicht man am besten auf Priminfo.ch, dem offiziellen, unabhängigen Prämienrechner des Bundes für Grundversicherungen. Dort muss man weder Adresse noch Telefonnummer angeben.
Ratgeber zum Thema
- Ein Vergleich von Zusatzversicherungen und Tipps für die Wahl der Grundversicherung sind zu finden im Ratgeber VZ-Test 2024. Kosten: Fr. 9.50 plus Fr. 3.40 Versand. Zu bestellen unter www.vzch.com/krankenkassentest oder via Tel. 044 207 27 27.
- Weitere Tipps im K-Tipp-Ratgeber So sind Sie richtig versichert.
Versicherungen: So tappen Sie nicht in die Maklerfalle
Versicherungsvermittler bezeichnen sich oft als «neutral» oder «unabhängig». Sie erhalten aber von Versicherern zum Teil hohe Provisionen für Vertragsabschlüsse. Sie verkaufen daher Policen von Kassen, von denen sie Geld erhalten – und nicht unbedingt die für den Kunden passendste und günstigste Police.
Tipps zum Umgang mit Versicherungsmaklern:
- Laut Gesetz müssen Makler die Kunden vor einer Beratung darüber aufklären, ob sie ausschliesslich für eine Krankenkasse tätig sind oder für mehrere Gesellschaften. Bei Maklern sollte man stets Offerten von mindestens drei Kassen einholen, bevor man einen Antrag unterschreibt.
- Den Gesundheitsfragebogen sollte man persönlich und genau ausfüllen. Der Antragsteller ist dafür verantwortlich, dass die Antworten korrekt sind. Tipp: Kopie des Antrags verlangen. So hat man Gewähr, dass der Makler nachträglich nichts verändert.
- Beantwortet man Gesundheitsfragen falsch, kann die Versicherung den Vertrag innert vier Wochen nach Kenntnisnahme der Anzeigepflichtverletzung per sofort kündigen und muss bei eingetretenen Schadenfällen nicht zahlen – oder hat sogar Anspruch auf die Rückerstattung bereits bezahlter Leistungen.