1x operiert, 2x kassiert
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Die geplanten Operationen fanden nicht statt. Trotzdem stellten Spitäler ihren Patienten für den Eingriff die volle Pauschale in Rechnung.
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K-Tipp 10/2003
21.05.2003
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Die Operation sollte um 9 Uhr stattfinden. Doch Daniel Plüss aus Obfelden ZH kam an diesem Morgen nicht unters Messer: Die behandelnden Ärzte eröffneten dem Patienten, bei ihm bestehe Verdacht auf eine Stoffwechselkrankheit namens Porphyrie - und das mache die Anästhesie zu einem Risiko.
So behielt denn der 33-jährige Patient Plüss seine Mandeln, die er eigentlich loswerden wollte.
Und ärgerte sich gewaltig. Gar nicht so sehr darüber, dass der Porphyrie-Verd...
Die Operation sollte um 9 Uhr stattfinden. Doch Daniel Plüss aus Obfelden ZH kam an diesem Morgen nicht unters Messer: Die behandelnden Ärzte eröffneten dem Patienten, bei ihm bestehe Verdacht auf eine Stoffwechselkrankheit namens Porphyrie - und das mache die Anästhesie zu einem Risiko.
So behielt denn der 33-jährige Patient Plüss seine Mandeln, die er eigentlich loswerden wollte.
Und ärgerte sich gewaltig. Gar nicht so sehr darüber, dass der Porphyrie-Verdacht schon längere Zeit aktenkundig war. Und auch nicht, weil man ihn vergeblich für eine Nacht im Spital aufgeboten hatte. Sondern weil ihm das Zürcher Triemlispital für die abgesagte Operation dennoch die volle Pauschale von 2562 Franken in Rechnung stellte. Und dass seine Krankenkasse, die Intras, das auch anstandslos zahlte.
Vier Monate später wurden seine Mandeln doch noch entfernt - im Zürcher Universitätsspital für 2185 Franken. Auch das zahlte die obligatorische Grundversicherung seiner Krankenkasse ohne aufzumucken.
Der Patient wurde also einmal operiert, zahlte aber seine obligatorische Kostenbeteiligung zweimal.
Seine Reklamationsschreiben ans Triemlispital fruchteten nichts. Sie trugen ihm nur einen frechen Brief vom «Leiter Bereich Dienste» Hans Rüegg ein. «Dass unsere Ärzte die medizinisch bestmögliche Lösung gewählt haben, interessiert Sie gar nicht», musste sich der Patient anpflaumen lassen. «Ihre Briefe erwecken den Eindruck, als wären Sie lieber ein Risiko eingegangen, um Ihren Selbstbehalt tief zu halten.» Und: «Eigentlich müsste ich Ihnen Rechnung stellen für all die Zeit, die Sie uns mit Ihrer Korrespondenz beschäftigen.»
Anna Hofer aus Küsnacht ZH ist praktisch das Gleiche passiert. Als sie am 20. Februar 2003 um 14 Uhr aus der Narkose erwachte, musste sie erfahren, dass ein wichtiges Mikrochirurgie-Instrument zur Entfernung ihrer Dickdarmgeschwulst nicht funktioniert hatte. Der Eingriff hatte nicht stattgefunden.
Die Kasse hats nicht interessiert
Folge - man ahnt es schon: Die Patientin musste ein zweites Mal antreten, das Zürcher Unispital stellte zwei Rechnungen, die Krankenkasse zahlte beide Male, und die Patientin beglich ihre Kostenbeteiligung doppelt. Was Hofer besonders ärgert: Sie machte zwar ihre Krankenkasse, die EGK-Gesundheitskasse, auf diesen stossenden Umstand aufmerksam - doch es habe die Kasse nicht interessiert.
Immerhin hatte das Zürcher Universitätsspital ein Einsehen, nachdem sich der K-Tipp eingeschaltet hatte. Die zweifache Verrechnung sei ein Fehler gewesen, die Krankenkasse bekomme den Rechnungsbetrag für die ausgefallene Operation zurückerstattet.
Triemlispital-Direktor Markus Müller hingegen ist der Ansicht, die Rechnungsstellung für die nicht entfernten Mandeln von Daniel Plüss sei korrekt erfolgt. Denn für Spitalaufenthalte über 24 Stunden würden die Verträge zwischen Spitälern und Krankenkassen Fallpauschalen pro Fachgebiet (Chirurgie, Medizin, Gynäkologie usw.) vorsehen.
Das bedeutet, dass für leichte und für schwierige Eingriffe sowie die damit verbundenen Spitalaufenthalte die gleiche Fallpauschale in Rechnung gestellt wird - unabhängig von Zeitdauer und effektivem Aufwand.
Unverständnis bei Santésuisse
Und es führt gemäss Müller dazu, dass Fallpauschalen unabhängig vom Erfolg der Spitalbehandlung verrechnet werden - also auch dann, wenn die Operation abgesagt wird. Das sei aufgrund der Verträge klar, meint er. Immerhin seien ja im Fall Plüss die vor der Operation notwendigen Untersuchungen gemacht worden.
Beim Zürcher Krankenkassenverband Santésuisse stösst das auf Unverständnis. Solche Fälle seien in den konkreten Fallpauschalenvereinbarungen nicht geregelt. «Wenn ein Eingriff gar nicht vollzogen wird, dann fehlt ein wesentlicher Teil der fallbezogenen medizinischen Massnahmen», schreibt Markus Diethelm von Santésuisse Zürich.
Zu guter Letzt lenkte Triemlispital-Direktor Müller doch noch ein: «Wir werden die effektiv durchgeführten Konsultationen und Laboruntersuchungen verrechnen und nicht die Pauschale.»