Massiver Stellenabbau bei der Postfinance, 100-Millionen-Schwindel bei Postauto, Rücktritte von Verwaltungsräten und Konzernchefin Susanne Ruoff: Der gelbe Riese steckt in argen Nöten.
Von einer Seite allerdings gibt es Streicheleinheiten, und das seit Jahren: von der Eidgenössischen Postkommission Postcom. Als Aufsichtsbehörde hat sie den schweizerischen Postmarkt und die Grundversorgung zu überwachen mit dem Ziel, «eine vielfältige und preiswerte postalische Versorgung aller Landesteile für Wirtschaft und Bevölkerung dauerhaft zu gewährleisten».
Bereits in ihrem Jahresbericht 2015 bescheinigte die Behörde der Post, «sämtliche Dienstleistungen in hoher Qualität zu erbringen». Fast gleich klang es ein Jahr später. Und im jüngsten Jahresbericht der Postcom steht: «Auch 2017 hat die Schweizerische Post sämtliche Dienstleistungen der Grundversorgung in hoher Qualität erbracht und die ihr vorgegebenen Werte erneut klar übertroffen.»
Hohe Qualität? Mancher Postkunde dürfte das angesichts des Serviceabbaus der vergangenen Jahre anders sehen. Und der Abbau geht weiter. Auch das kann man dem Jahresbericht der Postcom entnehmen – aber nur, wenn man ihn genau studiert.
Poststellennetz wird weiter ausgedünnt
Die Zahl der Poststellen sank letztes Jahr um 134 auf noch 1189 Filialen. Gleichzeitig wurden 119 Postagenturen neu eröffnet. Ende 2017 gab es somit 968 Agenturen in Gemeindeverwaltungen, Tourismusbüros, Quartiergeschäften, Metzgereien und anderen Läden. Der K-Tipp zeigte schon vergangenen Herbst mit einer Stichprobe, dass Angebot und Qualität von Postdienstleistungen in Agenturen oft zu wünschen übrig lassen (K-Tipp 18/2017). Die Postcom schreibt im Jahresbericht immerhin, es sei «eine Professionalisierung des Betriebs der Postagenturen angezeigt».
Gegen die Schliessung von Poststellen spricht sie sich aber selten aus (K-Tipp 19/2017). Vergangenes Jahr beurteilte sie insgesamt 24 Fälle – nur im Fall von St. Stephan BE zeigte sie sich ansatzweise widerspenstig: Den geplanten Ersatz der Filiale durch einen Hausservice lehnte die Postcom ab. Und sie empfahl der Post, die Poststelle erst zu schliessen, wenn diese durch eine Agentur in der Gemeinde ersetzt werden könne.
Parallel zur fortschreitenden Ausdünnung des Poststellennetzes verschwanden vergangenes Jahr weitere 112 öffentliche Briefkästen.
Der Anteil pünktlich zugestellter A-Post-Briefe und Priority-Pakete ging 2017 zurück, jener der B-Post-Briefe und der Economy-Pakete nahm etwas zu. Den schlechtesten Wert gab es bei den Priority-Paketen mit 96 Prozent pünktlich zugestellten Sendungen. Bei Stichproben von K-Tipp und «Saldo» erzielte die Post in der Vergangenheit allerdings schon diverse Male schlechtere als die von ihr selber vermeldeten Pünktlichkeitswerte.
Ein grosses Wachstum hat die Post bei der Zahl der Kundenreklamationen. Sie nahm in einem Jahr um 16 Prozent auf 268 993 Beschwerden zu. Laut Postcom ist der Anstieg hauptsächlich auf «Anpassungen des IT-Systems im Kundendienst» zurückzuführen. In der Grundversorgung sei es bei den meisten Reklamationen um falsch zugestellte oder verlorene Briefe und Pakete gegangen.
Für Kunden ist es ärgerlich, dass die Postcom die Mängel nicht schärfer anprangert und resoluter eingreift. Schuld daran sind nicht zuletzt ihre beschränkten Kompetenzen.
Der Ständerat scheint das ähnlich zu sehen. Ende Mai genehmigte er einen Vorstoss. Dieser will etwa erreichen, dass die Postcom künftig bei geplanten Poststellenschliessungen nicht nur Empfehlungen abgeben, sondern entscheiden darf. Der zahnlose Tiger soll also wenigstens einen Zahn erhalten.