400 Mio. zu viel im Jahr
Gespräche vom Festnetz aufs Handy sind in der Schweiz viel zu teuer. Politiker und Konsumentenschützer haben Gegenmassnahmen bisher verschlafen.
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K-Tipp 19/2003
12.11.2003
Patrick Gut - pgut@ktipp.ch
Telefonieren vom Festnetz aufs Handy kostet den Konsumenten im Schnitt 48 Rappen pro Minute. Das sind Fr. 28.80 pro Stunde. Den Löwenanteil - im Schnitt sind es 40,3 Rappen pro Minute - macht die Gebühr aus, welche die Mobilfunkbetreiber (Swisscom, Orange und Sunrise) für die Verbindung in ihr Netz abkassieren.
Ein durchschnittlicher Privathaushalt in der Schweiz bezahlt mehr als die Hälfte der Gesprächsgebühren für Anrufe vom Festnetz aufs Handy. Und dies, obschon solche V...
Telefonieren vom Festnetz aufs Handy kostet den Konsumenten im Schnitt 48 Rappen pro Minute. Das sind Fr. 28.80 pro Stunde. Den Löwenanteil - im Schnitt sind es 40,3 Rappen pro Minute - macht die Gebühr aus, welche die Mobilfunkbetreiber (Swisscom, Orange und Sunrise) für die Verbindung in ihr Netz abkassieren.
Ein durchschnittlicher Privathaushalt in der Schweiz bezahlt mehr als die Hälfte der Gesprächsgebühren für Anrufe vom Festnetz aufs Handy. Und dies, obschon solche Verbindungen von den Gesprächsminuten her nur gut 10 Prozent ausmachen.
Der Blick in die Statistik des Bundesamtes für Kommunikation zeigt: Es geht um eine schöne Stange Geld. Deutlich mehr als 800 Millionen Franken dürften die Verbindungsgebühren für Gespräche vom Festnetz aufs Handy dieses Jahr in die Kassen der drei Mobilfunkbetreiber schwemmen.
«Schweizer zahlen 400 Millionen zu viel»
Der Aufwand für die Verbindung sei gering, sagen dagegen verschiedene Telekomexperten, eine halb so hohe Gebühr würde genügen. So kommt etwa Ralf Beyeler vom Tarifvergleichsdienst Comparis.ch zum Schluss: «Die Schweizer zahlen für Gespräche vom Festnetz aufs Handy jedes Jahr 400 Millionen Franken zu viel.» Dass es mit der Hälfte geht, zeigt auch das Nachbarland Österreich, wo der Staat die Verbindungsgebühr auf 17,7 Rappen pro Minute festgelegt hat.
Grund für die grosse Differenz zum Nachbarland: In der Schweiz sind die Preise für Verbindungen vom Festnetz aufs Handy nicht vorgeschrieben. Ganz anders bei Gesprächen von Festnetz- zu Festnetz-Apparat. Hier muss die Swisscom laut Gesetz «kostenorientierte» Gebühren verrechnen. Für das Jahr 2004 werden das im Schnitt ganze 1,44 Rappen/Minute sein - statt 48 Rappen bei Anrufen ins Mobilnetz.
Dies ist die direkte Folge davon, dass die Preisgestaltung für die Verbindung ins Mobilfunknetz bisher gesetzlich nicht geregelt ist.
Schlafmützen statt Preissenker
Nun geht die Wettbewerbskommission (Weko) zwar der Frage nach, ob eine Marktbeherrschung vorliegt, die Untersuchung ist aber blockiert, weil Swisscom und Orange die Zuständigkeit der Weko bestreiten.
Wer könnte den Missstand beheben, hat das aber bisher verschlafen?
«Es ist offensichtlich, dass die Konsumenten massiv geschröpft werden. Trotz Wettbewerb sichern sich alle Anbieter fette Pfründe», sagt Nationalrat Peter Vollmer. Der SPler präsidiert die Nationalrats-Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen, die unlängst die Revision des Fernmeldegesetzes vorberaten hat. Das Gremium hat es jedoch versäumt, dem revidierten Gesetz eine wirksame Spitze gegen überhöhte Tarife im Mobile-Bereich zu verschaffen. Der Bundesrat werde das Gesetz aber demnächst zuhanden des Parlaments verabschieden. Vollmer sagt, er wolle das Thema aufgreifen und die Konsumentensicht in der Debatte einbringen.
«Parlamentarischer Befreiungsschlag»
Beim Konsumentenforum sind die hohen Mobiltelefontarife kein Thema. Man beschäftige sich im Telekom-Bereich momentan vorwiegend «mit dem Missbrauch von 0900er-Nummern».
Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) stosse sich zwar schon lange an den hohen Tarifen, bisher habe man sich aber vor allem für eine bessere Preisbekanntgabe engagiert. Jetzt will die SKS doch noch «Alarm schlagen». «Da auf Behördenebene alles blockiert scheint, bleibt nur ein parlamentarischer Befreiungsschlag», sagt SKS-Geschäftsführerin Jacqueline Bachmann. Die Politiker müssten «nachweislich kostenorientierte Gebühren für Interkonnektion auch im Handybereich fordern».
Fehlanzeige auch bei den Telefonanbietern. Sie müssten ein Verfahren ins Laufen bringen mit dem Ziel, die marktbeherrschende Stellung der drei Mobilfunkbetreiber feststellen zu lassen. Die Telefonanbieter scheinen jedoch den Aufwand zu scheuen.