Wohl die wenigsten Autofahrer waren im vergangenen Winter jemals auf Schnee unterwegs. Trotzdem boomt der Verkauf von Autos mit Allradantrieb: Über 54 Prozent der im Januar in der Schweiz verkauften Neuwagen waren so ausgestattet.
Für die Autohändler ist das ein Bombengeschäft. Denn die meisten Hersteller rüsten nur Modellvarianten mit grossen und kräftigen Motoren mit Allradantrieb aus. Und sie verlangen dafür viel Geld.
Der K-Tipp hat die zehn meistverkauften Modelle des Januars 2020 genauer angeschaut. Nicht berücksichtigt wurden der Mercedes GLC und der BMW X3, da diese nur als 4 x 4 erhältlich sind. Verglichen wurde jeweils die günstigste Ausführung ohne und die günstigste Ausführung mit Allradantrieb. Die Ergebnisse:
Das meistverkaufte Modell ist der Skoda Octavia. Ohne Allradantrieb gibt es ihn für 26 040 Franken, mit Allradantrieb für 33 700 Franken. Das sind 7660 Franken mehr – ein Aufpreis von 29,4 Prozent.
Den höchsten Aufpreis zahlen Golf-Käufer. Dieses VW-Modell gibts mit 1-Liter-Motor und 115 PS für 28 450 Franken. Wer einen Golf mit Allradantrieb will, muss einen 300-PS-Boliden kaufen. Er kostet fast das Doppelte.
Am kleinsten ist die Differenz beim Volvo XC60. Wer Allradantrieb will, zahlt 5300 Franken drauf, also 10 Prozent mehr.
Im Durchschnitt der zehn Modelle beträgt der Aufpreis 9600 Franken.
Diese Zuschläge sind massiv. Dass es auch anders geht, zeigt Suzuki: Den Kleinwagen Ignis gibts mit 1,2-Liter-Motor sowohl mit als auch ohne Allradantrieb. Der Aufpreis für den Allradantrieb beträgt nur 2000 Franken.
VW-Importeur Amag reagiert verärgert auf die Recherchen des K-Tipp: «Wir finden den Vergleich ohne Berücksichtigung der Ausstattung und der unterschiedlichen Motorisierung unsachlich und für den Leser irreführend.» Und weiter: «Wir möchten Sie bitten, den Vergleich des Golf 1.0 TSI mit dem Golf TSI R zu streichen.»
Was der K-Tipp natürlich nicht tut. Denn der Vergleich zeigt sehr schön, wie die Hersteller jene Kunden, die einen Allradantrieb wünschen, abzocken – indem sie ihnen einen grossen Motor aufzwingen. Und allerlei Zusatzausstattung draufpacken.
VW verspricht bald günstigeren Golf
Immerhin schreibt die Amag auch: «Wir stehen beim Golf mitten in einem Modellwechsel.» Der Importeur verspricht, nächstes Jahr werde ein günstiger Golf mit Allradantrieb erhältlich sein.
Doch warum bieten die Hersteller ihre günstigsten Modellvarianten nicht auch in einer Allradversion an? Die Amag schreibt: «Wir treffen den Entscheid aufgrund der Kundenbedürfnisse.» Volvo behauptet: «Die Nachfrage für Allradantrieb auf kleinen Motorisierungen ist zu gering.» Mercedes richtet sich angeblich «nach den Bedürfnissen der Kunden». Und BMW nach der «Kundennachfrage».
Übrigens: Dass Allradantrieb nur in Kombination mit grossen und kräftigen Motoren erhältlich ist, führt neben dem hohen Kaufpreis zu weiteren Nachteilen. Das zeigt das Beispiel Skoda Octavia: Die günstigste Ausführung ohne Allradantrieb kommt mit 5,7 Liter Benzin auf 100 Kilometer aus. Sie trägt die Energieetikette A. Der Ocatavia mit Allradantrieb und grossem Motor verbraucht mehr als das Anderthalbfache. Die Folge: Energieetikette F.
Nachteile von Allradantrieb
Wer kaum auf Schnee fährt, kauft besser kein Auto mit Allradantrieb. Denn der Allradantrieb hat neben dem hohen Kaufpreis und dem höheren Verbrauch noch weitere Nachteile. Das zeigte der K-Tipp schon vor gut sieben Jahren auf (18/2012):
- 4 x 4-Autos sind schwerer.
- Das führt in gewissen Kantonen zu höheren Motorfahrzeugsteuern.
- Zudem verlängert das zusätzliche Gewicht den Bremsweg.
- Die Reibung zwischen den zusätzlichen beweglichen Teilen führt zu mehr Verschleiss. Deshalb sind die Unterhaltskosten höher.
- Aus Platzgründen ist der Tank oft kleiner. In Kombination mit dem höheren Verbrauch führt das zu einer merklich geringeren Reichweite.