Es muss ein stressfreier Nachmittag gewesen sein: Um 15.30 Uhr wurden Kaffee und ein Geburtstagskuchen aufgetischt. Und um 17.15 Uhr schritten Kommissionsmitglieder, Angestellte und geladene Gäste zum Apéro riche. Ein Wirtschaftsprüfer referierte über «Sharing Economy: Teile und verdiene! Wo steht die Schweiz?» und ein Vertreter von Hotelleriesuisse sprach 15 Minuten lang über die «Chancen und Herausforderungen der klassischen Hotellerie». Hotelleriesuisse vertritt die Interessen der national und international ausgerichteten Hotelbetriebe.
Gastgeber des Anlasses war kein Wirtschaftsforum, sondern die Eidgenössische Kommission für Konsumentenfragen. Sie feierte kürzlich ihren 50. Geburtstag.
Die Kommission zählt 16 Mitglieder, alle bis 2019 vom Bundesrat gewählt. Die Kommission trifft sich vier bis sechs Mal im Jahr. Die Sitzungspauschale beträgt 200 Franken. Für das Sekretariat ist das Eidgenössische Büro für Konsumentenfragen zuständig. Es bereitet die Sitzungen der Kommission vor und schreibt das Protokoll. Ihr Auftrag gemäss Website: Die Interessen der Konsumenten und «gleichzeitig das allgemeine Interesse» zu wahren. Das entsprechende Reglement erliess der Bundesrat 1965. Das Budget beträgt 1,9 Millionen Franken. Davon geht 1 Million als Subventionen an Konsumentenschutzorganisationen.
In fünf Jahren zwei Empfehlungen
Der Output der Kommission ist: dürftig. In den letzten fünf Jahren gab sie gerade einmal zwei Empfehlungen an den Bundesrat ab und verschickte eine einzige Medienmitteilung – sie bezog sich auf die Jubiläumsveranstaltung. Von den letzten zehn Plenarsitzungen wurden drei abgesagt. Im Herbst 2012 fand die Plenarsitzung nicht statt, weil «aufgrund der Herbstferien einige Mitglieder nicht zugegen waren».
Auch das Büro für Konsumentenfragen ersäuft nicht in Arbeit. Eine ihrer Dienstleistungen ist die Publikation von Rückrufen. Der administrative Aufwand ist überschaubar. Die Rückrufe stammen von den Firmen selbst. Das Büro publiziert sie lediglich auf seiner Website – aber nur wenn die Firmen damit einverstanden sind. Sträubt sich ein Unternehmen, wird nichts aufgeschaltet.
Hektik kommt nur selten auf. Manchmal dauert es fünf Tage, bis ein Rückruf aufgeschaltet ist, manchmal sogar zehn.
Anruf bei Bürochef Jean-Marc Vögele. Wie viele Angestellte hat er überhaupt? Vögele sagt: sechs. Er guckt aber zur Sicherheit noch nach. Ja, sechs. Die zusätzliche Praktikantin gehe bald.
Der Sitz der Behörde ist an der Einsteinstrasse 2 in Bern. Im gleichen Haus arbeitete vor über hundert Jahren Albert Einstein. Das Büro für Konsumentenfragen scheint vom Erfinder der Relativitätstheorie inspiriert zu sein: Um optimal zu arbeiten, verfügt es gemäss Website über eine «relative Autonomie».
Das Büro bezeichnet sich selbst auf seiner Website stolz als «Kompetenzzentrum des Bundes für die Belange der Konsumentinnen und Konsumenten im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik». Oft beissen sich jedoch Konsumentenbelange und Wirtschaftsinteressen.
Beispiel: Im Mai 2014 wandte sich saldo an das Büro. Bei einer Kontrolle in Läden hatten die Prüfer entdeckt, dass bei fast jedem dritten Artikel aus Holz eine korrekte Deklaration fehlte. Der Bundesrat hatte 2010 entschieden, dass bei Holzprodukten deklariert sein muss, woher das Material stammt. Der Vollzug dieser Kontrolle liegt beim Büro für Konsumentenfragen.
saldo wollte wissen, welche Händler gegen die Bestimmung verstossen hatten. Antwort: «Das private Interesse der Unternehmen am Schutz ihrer Daten überwiegt das öffentliche Interesse an der vollständigen Offenlegung der Untersuchungsergebnisse.» Immerhin: Nach Intervention von saldo beim Eidgenössischen Öffentlichkeitsbeauftragten Hanspeter Thür empfahl dieser dem Büro für Konsumentenfragen, die Liste der Beanstandungen herauszugeben. Es kam im Juli letzten Jahres dieser Empfehlung nach (saldo 13/15).
«Bis vor einigen Jahren erstellte das Büro einen Jahresbericht», sagt Vögele. «Heute verzichtet es darauf, um Kosten zu sparen.» Wer wissen will, was die Behörde leistet, muss die Informationsbulletins durchlesen. Letztes Jahr gab es sechs davon. Sie enthalten zur Hauptsache Konsumenteninformation aus anderen Bundesämtern. Was auch noch drinstand: Ein Hinweis zum Welttag für Konsumentenrechte am 15. März und eine Ankündigung für das eigene 50-Jahr-Jubiläum.
saldo gratuliert nachträglich. Und rät zum Zügeln: 500 Meter weg von der Einsteinstrasse ist die Archivstrasse. Der Name passt irgendwie besser.