7800 Franken für 30 Minuten

Für eine halbe Stunde auf der Notfallstation des Spitals Heiden AR zahlte eine Patientin mehr als für vier Tage stationären Aufenthalt im Kantonspital St. Gallen.

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K-Tipp 17/2010

17.10.2010

Letzte Aktualisierung:
19.10.2010

Sabine Knosala KTipp

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Brigitte König (Name geändert) aus Heiden AR versteht nach ihren neuesten Erfahrungen besser, warum die Krankenkassenprämien Jahr für Jahr steigen: Sie lernte nämlich, dass die Spitalrechnungen mit den tatsächlich erbrachten Leistungen in keinem Zusammenhang stehen müssen.

Das kam so: Ende Mai brachte sie ihre betagte Mutter ins Spital Heiden. Die 75-Jährige war die Treppe hinuntergestürzt und blutete am Kopf. Auf der Notfallstation legte eine Krankenschwester einen Verband über den Verband, den bereits die Tochter angebracht hatte.

Da die Pupillen der Verletzten ungleich aussahen, schlug die Krankenschwester eine Verlegung ins Kantonalspital St. Gallen zur näheren Untersuchung vor. Die beigezogene Ärztin war damit einverstanden. Im Kantonalspital St. Gallen blieb die Verunfallte vier Tage.

Als Brigitte König die Rechnungen der beiden Spitäler erhielt, konnte sie es nicht glauben: Das Kantonsspital St. Gallen verlangte für die Behandlung und den viertägigen Aufenthalt auf der Station inklusive Transport von Heiden 7000 Franken – das Spital Heiden zusätzlich rund 7800 Franken.

Dies, obwohl die Verletzte in Heiden nur etwa eine halbe Stunde in der Notfallstation verarztet worden war. «Das steht doch in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander», so König zum K-Tipp.

Hintergrund: St. Gallen belastete der Patientin die einzelnen erbrachten Leistungen, Heiden berechnete die für eine stationäre Behandlung geltende «Fallpauschale Chirurgie Halbprivat» von 7337 Franken sowie eine «Tagespauschale Halbprivat Chirurgie» von 492 Franken.

Wohlverstanden: Die Patientin hatte in Heiden nie ein Zimmer belegt. Und auf den Notfallstationen wird nicht zwischen halbprivater und allgemeiner Abteilung unterschieden.

Volle Fallpauschale trotz Kurzbehandlung

Das Spital Heiden bezeichnet die Rechnung gegenüber dem K-Tipp als korrekt. Die Krankenkasse Kolping beglich sie anstandslos. Sowohl das Spital als auch die Krankenkasse berufen sich auf eine Verordnung des Bundesrates über die Kostenermittlung und die Leistungserfassung durch die Spitäler.

Laut Artikel 3 dieser Verordnung gelte der kurze Besuch der Patientin auf der Notfallstation als stationäre Behandlung, auch wenn sie nie ein Zimmer belegt habe. Es reiche schon, wenn sie an ein anderes Spital überwiesen werde. Und Heiden rechne bei stationären Aufenthalten nach dem System der Fallpauschalen ab.

Mit andern Worten: Das Spital Heiden behauptet, die Verordnung sei so zu verstehen, dass bei der Versorgung einer Patientin auf der Notfallstation die volle Fallpauschale in Rechnung gestellt werden könne – egal, ob die Patientin anschliessend stationär im Spital bleibt und behandelt oder an eine andere Klinik weiterverwiesen wird.

Da kann Felix Schneuwly vom Krankenkassenverband Santésuisse nur den Kopf schütteln: «Das Spital Heiden hätte die ambulante Behandlung nach dem Tarmed-Tarif abrechnen müssen, nicht mit einer Fallpauschale.» Der Krankenkassenspezialist rät, solche Rechnungen nicht zu akzeptieren, sondern anzufechten.

Auch das Bundesamt für Gesundheit schreibt dem K-Tipp, es könne «aufgrund einer ersten Einschätzung die Begründung des Spitals Heiden nicht nachvollziehen». Eine separate Vergütung der beiden Spitäler wie in diesem Fall sei «kaum im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes». Es habe sich um eine einzige stationäre Behandlung gehandelt.

Andere Kassen hätten Gespräch gesucht

Längst nicht alle Krankenkassen hätten die Rechnung des Spitals Heiden gezahlt. Das zeigt eine K-Tipp-Umfrage bei den sechs grössten Schweizer Kassen. Concordia und Swica denken gleich wie Schneuwly: Sie hätten das Gespräch mit dem Spital gesucht und einen ambulanten Tarif vorgeschlagen.

«Wichtig ist in solchen Fällen, dass die Rechnung mit gesundem Menschenverstand erstellt wird», sagt Concordia-Sprecher Rudolf Baumgartner. Pascal Huber von der Assura bezeichnet es als «dreist, dass eine Halbprivat-Pauschale verrechnet wurde». Ohne Murren gezahlt hätte nach eigenen Angaben die Visana. CSS und Helsana wollten sich zum vorliegenden Fall nicht äussern.

Fazit: Ab dem Jahr 2012 werden hoffentlich alle Kassen einheitlich reagieren. Dann wird landesweit ein neues Tarifsystem mit Fallpauschalen eingeführt. Bei Verlegungen gilt: Die Vergütung bei Behandlungen in mehreren Institutionen darf gesamthaft nicht höher ausfallen als bei Behandlung in einer Klinik.

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