Aargauer Vermieter hebeln das Gesetz aus
Der Formular-Mietvertrag des Aargauer Hauseigentümerverbands ist teilweise widerrechtlich. Er schanzt Mietern Aufgaben und Kosten zu, die diese nicht übernehmen müssen.
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K-Tipp 17/2002
16.10.2002
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Unter Juristen gibt es den Ausdruck des «zwingenden» Rechts. Das sind Gesetzesparagrafen, die in einem Vertrag zwischen den Parteien nicht abgeändert werden dürfen. Enthält ein unterschriebener Vertrag trotzdem eine von zwingendem Recht abweichende Klausel, ist diese ungültig.
Solche zwingende Bestimmungen gibt es auch beim Mietrecht - so zum Beispiel bezüglich Haftung bei Schäden an der Wohnung: Der Mieter haftet für derartige Mängel im Grundsatz nur, falls er den Schad...
Unter Juristen gibt es den Ausdruck des «zwingenden» Rechts. Das sind Gesetzesparagrafen, die in einem Vertrag zwischen den Parteien nicht abgeändert werden dürfen. Enthält ein unterschriebener Vertrag trotzdem eine von zwingendem Recht abweichende Klausel, ist diese ungültig.
Solche zwingende Bestimmungen gibt es auch beim Mietrecht - so zum Beispiel bezüglich Haftung bei Schäden an der Wohnung: Der Mieter haftet für derartige Mängel im Grundsatz nur, falls er den Schaden auch selber verursacht hat.
Das scheint aber den Aargauer Hauseigentümerverband nicht gross zu kümmern. In seinem standardisierten Formular-Mietvertrag, den der Verband in eigener Regie ausgearbeitet hat und den Wohnungs- und Hausvermietern zur Verfügung stellt, finden sich Bestimmungen, die zwingendem Recht widersprechen.
Zum Beispiel bei den Fensterscheiben. Defekte Scheiben müsse der Mieter generell auf eigene Kosten ersetzen, «auch wenn eine Beschädigung durch Dritte vorliegt», heisst es.
200-Franken-Grenze wird ignoriert
Das ist bei den heutigen teuren Fensterscheiben gegen das Gesetz. Wenn etwa fremde Kinder beim Fussballspiel (oder Einbrecher) die Isolier-Fensterscheiben einer Mietwohnung zertrümmern und die Reparatur deutlich mehr als 200 Franken kostet, muss der Mieter für den Schaden nicht geradestehen. Zahlen muss er diesen nur, falls beispielsweise seine eigenen Kinder den Glasbruch verursacht haben.
Mit anderen Worten: Auch wenn der Mieter einen solchen Vertrag unterschrieben hat, ist er nicht daran gebunden. Haben Fremde die teure Scheibe beschädigt, geht die Reparatur ganz klar zu Lasten des Vermieters (beziehungsweise des «Täters»).
Auch in einem anderen Punkt schlagen die Aargauer über die Stränge. Zwar findet sich auch im Aargauer Formular-Mietvertrag die nicht unübliche Limite von 200 Franken für die Behebung von kleinen Mängeln. Sie bedeutet: Kostet eine Reparatur weniger als 200 Franken, muss sie der Mieter zahlen - auch wenn ihn kein Verschulden trifft. Was hingegen teurer kommt, ist Sache des Vermieters.
Aber: Die Aargauer wollen diese Bestimmung aushebeln, indem sie eine ganze Palette von Reparaturen aufzählen, die der Mieter ungeachtet der 200-Franken-Grenze selber zahlen muss - auch wenn sie teurer werden.
Darunter fällt zum Beispiel das «Ersetzen von Kochfeldern» - und das kann ins Geld gehen: Ein neues Glaskeramikfeld kostet bis zu 1500 Franken. Selbst das Ersetzen von Rollladenkurbeln oder Bändern an Zugjalousien oder das Entkalken von Boilern (auch all das ist nach Aargauer Diktat in jedem Fall Sache des Mieters) könnte durchaus über 200 Franken kosten.
Aargauer sind nicht die einzigen Sünder
Doch Forderungen mit Beträgen über 200 Franken würde ein Vermieter vor Schlichtungsbehörde und Gericht kaum durchbringen. Denn Mieterinnen und Mieter können nicht verpflichtet werden, so hohe Beiträge zu zahlen - es sei denn, sie haben etwas aus Unachtsamkeit selber beschädigt. In einem solchen Fall würde übrigens die (hoffentlich vorhandene) Privathaftpflicht-Versicherung einspringen.
Die Aargauer sind freilich nicht die Einzigen, die ihre Mieter auf ungerechtfertigte Weise schröpfen wollen. Versucht haben es auch die Vermieter J. und A. B. aus Bernhardzell SG mit der Vertragsbestimmung: «Unterhalt und Reparaturen an elektronischen Geräten sind bis zu 300 Franken pro Schaden vom Mieter zu übernehmen.»
Als dann die Mieterin Annelise Müller 276 Franken für die Reparatur des Geschirrspülers zahlen sollte, hat sie sich auf Anraten des K-Tipp dagegen gewehrt - mit Erfolg.
Der Aargauer Hauseigentümerverband bestreitet alle Vorwürfe. Seine Bestimmungen seien nicht rechtswidrig, in anderen kantonalen Verträgen gebe es gleiche Bestimmungen, und er sei kein «Hardliner-Verband».
Der kleine Mangel: Diese Schäden müssen Mieter übernehmen
Im Gesetz steht: «Der Mieter muss Mängel, die durch kleine, für den gewöhnlichen Unterhalt erforderliche Reinigungen oder Ausbesserungen behoben werden können, nach Ortsgebrauch auf eigene Kosten beseitigen.»
Die Schlüsselworte sind «gewöhnlicher Unterhalt» und «klein». Daraus folgt: Braucht es für die Behebung des Mangels einen Fachmann, weil der Mieter selber dazu keinesfalls in der Lage ist, ist die Bezahlung im Prinzip nicht Sache des Mieters, sondern des Vermieters.
Allerdings kommt noch eine Frankengrenze ins Spiel: Sie bewegt sich zwischen 100 und 200 Franken - je nach Kanton. Was darunter liegt, muss der Mieter in jedem Fall zahlen. Dazu gehört beispielsweise das Auswechseln von Sicherungen, Filtern, Duschschläuchen, Scharnieren und Ähnliches. Was teurer kommt, ist Sache des Vermieters.
Die erwähnten 100 bis 200 Franken sind kein Selbstbehalt, der - wie bei Versicherungen - in jedem Fall vom Mieter zu tragen ist. Ist eine Rechnung teurer, geht sie vollumfänglich zu Lasten des Vermieters.
Tipp: Falls Sie bei kleinen Reparaturen mit dem Vermieter Probleme haben, sollten Sie sich zuerst bei der für Ihren Wohnort zuständigen Schlichtungsbehörde nach der ortsüblichen Praxis erkundigen.
Bestimmungen im Mietvertrag, die vorsehen, dass die Mieter alle Reparaturen bis zur Grenze von beispielsweise einem Prozent des Jahres-Nettomietzinses übernehmen müssen, sind nichtig.