Für den Empfang von Radio- und Fernsehprogrammen zahlen Konsumenten der Billag AG pro Jahr Fr. 451.10. Früher kam noch die Mehrwertsteuer in der Höhe von Fr. 11.30 dazu – bis letzten April das Bundesgericht diese Steuerpraxis als gesetzeswidrig beurteilte. Begründung: Die Empfangsgebühr werde nicht bezahlt, um dafür eine bestimmte Leistung zu erhalten. Denn bezahlen muss sie auch, wer gar keine gebührenfinanzierten Programme konsumiert. Das Konsumieren einer Leistung wäre aber Voraussetzung für eine Mehrwertsteuerpflicht.
Fazit: Die Konsumentinnen und Konsumenten haben jahrelang zu hohe Empfangsgebühren bezahlt (K-Tipp 10/2015).
Der K-Tipp-Leser Walter Locher aus Susten VS schaute sich nach dem Billag-Urteil des Bundesgerichts seine Abfall-, Wasser- und Stromrechnungen etwas genauer an. Zum einen zahlt er dort Gebühren für bezogene Leistungen: also zum Beispiel Sackgebühren für die Abfallentsorgung, Gebühren für Wasser- und Stromverbrauch sowie Abwasser.
Beim Studium seiner Rechnungen stiess Walter Locher aber auch auf verschiedene Grundgebühren und weitere Abgaben. So zahlt er eine Grundgebühr für die Abfallentsorgung in der Höhe von 90 Franken pro Jahr – plus 8 Prozent Mehrwertsteuer. Oder eine Grundgebühr für Wasser und Abwasser in der Höhe von 170 Franken – plus 2,5 bzw. 8 Prozent Mehrwertsteuer. Die Stromlieferantin Rell Energie AG stellt Locher einen «Grundpreis» von 120 Franken pro Jahr in Rechnung – plus 8 Prozent Mehrwertsteuer.
Abgaben ohne direkte Gegenleistung
Der Basler Jurist und Steuerexperte Bernhard Madörin bezeichnet diese Mehrwertsteuer-Praxis als zumindest höchst fragwürdig: «Es geht bei den erwähnten Beispielen mehr um eine Infrastrukturabgabe als um einen Leistungsaustausch.» Deshalb sei es möglich, dass auf solchen Grundgebühren gar keine Mehrwertsteuer erhoben werden dürfte.
Laut seiner Stromrechnung bezahlt Locher zudem für «Systemdienstleistungen Swissgrid» rund 60 Franken, eine «gesetzliche Förderabgabe» von 48 Franken und eine «Bundesabgabe Schutz der Gewässer und Fische» von rund 10 Franken – alle plus 8 Prozent Mehrwertsteuer. Das sind alles Abgaben ohne direkte Gegenleistung – weshalb laut Madörin ebenfalls keine Mehrwertsteuer erhoben werden dürfte.
Solche von den Behörden womöglich zu Unrecht erhobenen Steuern rufen nun auch die Politik auf den Plan: Der Aargauer SVP-Nationalrat Hansjörg Knecht hat eine Motion «Stopp der Doppelbesteuerung» eingereicht. Er verlangt in seinem Vorstoss, dass alle vom Bund erhobenen Verbrauchssteuern, Abgaben und Gebühren von der Mehrwertsteuer befreit werden.
«Kein Anspruch auf Rückzahlung»
Und die Aargauer SVP-Nationalrätin Sylvia Flückiger-Bäni fordert den Bundesrat in einer Motion dazu auf, den Konsumenten und Unternehmen die von der Billag zu Unrecht erhobene Mehrwertsteuer zurückzubezahlen.
Am 20. August hat das Bundesamt für Kommunikation allerdings beschlossen, dass die zu viel bezahlte Mehrwertsteuer nicht zurückerstattet wird.