Die Stromrechnung zu durchschauen, ist nicht leicht. Konsumenten zahlen zum Beispiel für «Systemdienstleistungen» 0,4 Rappen pro Kilowattstunde (kWh). Bloss: Was sind Systemdienstleistungen? Der Begriff fasst jene Dienste zusammen, die den sicheren, konstanten Betrieb des Stromnetzes garantieren sollen. Ein wesentlicher Teil besteht darin, in Kraftwerken sogenannte Regelenergie bereitzuhalten. Diese braucht es, um unvorhergesehene Schwankungen im Netz – etwa wegen Kraftwerksausfällen oder falscher Verbrauchsprognosen – ausgleichen zu können.
Vor der Öffnung des Strommarktes wurden die Produzenten dafür nicht speziell entschädigt. Dass das Stromnetz einwandfrei funktioniert, lag ja auch im ureigensten Interesse der Erzeuger, besonders der grossen, im internationalen Handel aktiven Konzerne. Das ist noch heute so. Geändert hat sich nur, dass die Kraftwerksbetreiber jetzt mit der Regelenergie Kasse machen können. Bezahlt werden sie von der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid, die das Geld dazu unter anderem bei den Konsumenten einziehen lässt.
Seit der Strommarktöffnung ist nämlich Swissgrid verantwortlich dafür, dass das Netz stets sauber läuft. Die dazu nötigen Systemdienstleistungen hat die Netzgesellschaft bei den Kraftwerken «in einem marktorientierten, diskriminierungsfreien und transparenten Verfahren» zu beschaffen. So steht es in der Verordnung zum Stromversorgungsgesetz.
Und die Kraftwerksbetreiber dürfen sich die Hände reiben. Denn es fliesst reichlich Geld. Aus verschiedenen Dokumenten der nationalen Netzgesellschaft lässt sich errechnen: Würde Swissgrid fürs Bereithalten von Regelenergie die im Sommer 2009 eingeführten Maximalpreise zahlen, kassierten die Stromproduzenten 474 Millionen Franken pro Jahr. Bezogen auf den jährlichen Gesamtstromverbrauch in der Schweiz ergäben sich Kosten von rund 0,76 Rp./kWh, die unter dem Titel Regelenergie auf die Verbraucher abgewälzt werden könnten.
Doch die Konsumenten zahlen «nur» 0,4 Rp./kWh für Systemdienstleistungen, bei denen nach Expertenschätzungen der Posten Regelenergie etwa zwei Drittel ausmacht. Entsprechend dürfte Swissgrid den Kraftwerksbetreibern im Geschäft mit Regelenergie rund 150 bis 200 Millionen Franken pro Jahr vergüten. Das ist zwar weniger als 474 Millionen, aber noch immer eine stattliche Summe.
«Unnötiger Administrativaufwand»
Für den Energie-Ingenieur Heini Glauser ist diese Summe massiv zu hoch. Er kritisiert, dass der «Pseudomarkt» für Systemdienstleistungen viel unnötigen Administrativaufwand erzeuge. Und er fordert einen Systemwechsel: «Man sollte die Kraftwerke verpflichten, Regelenergie zum Beispiel entsprechend ihrem Gesamtenergieumsatz bereitzustellen. Und man sollte ihnen effektiv gelieferten Regelstrom zu einem angemessenen Fixpreis – etwa 10 Rp./kWh – vergüten. So liessen sich die Kosten von 150 Millionen auf höchstens noch 25 Millionen Franken pro Jahr reduzieren.»
Swissgrid kommentiert diese Zahlen nicht. Die Netzgesellschaft erinnert aber daran, dass sie zur «marktbasierten Beschaffung» der Systemdienstleistungen gesetzlich verpflichtet sei. Und sie macht geltend, nicht zu teuer einzukaufen. Die Preise fürs Bereithalten der Regelenergie richteten sich nach den Kosten, die bei den Kraftwerken anfielen – etwa für technische Einrichtungen oder «die Einsatzbereitschaft der Mannschaft, damit die Leistung jederzeit abgerufen werden kann».
Bundesrat senkte den Tarif
Allerdings: Besonderes resolut dürfte Swissgrid bei den Kraftwerksbetreibern wohl nicht für tiefe Preise kämpfen. Denn die nationale Netzgesellschaft gehört vollumfänglich den Stromkonzernen Alpiq, Axpo, EGL, EWZ, BKW, CKW und Rätia Energie. Nach den ursprünglichen Plänen von Swissgrid hätten den Verbrauchern sogar 0,9 Rp./kWh für Systemdienstleistungen abge- knöpft werden sollen.
Erst der Bundesrat senkte diesen Tarif auf 0,4 Rp./kWh und verordnete, dass ungedeckte Restkosten von den Betreibern der grossen Kraftwerke zu tragen seien. Und noch im Juni 2009 hielt die Regierung in ihrer Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss nüchtern fest: «Aufgrund der Tatsache, dass im Wesentlichen nur die Eigner von Swissgrid als Anbieter von Systemdienstleistungen auftreten, besteht ein gewisses Risiko von möglichen Marktverzerrungen.»