Für sich und ihren Partner buchte Iris Schär aus Grosshöchstetten BE im Reisebüro Net-Tours GmbH für den März 2020 eine Rundreise auf Kuba. Kosten: rund 6100 Franken. Als Anzahlung leistete sie 1200 Franken. Der Reiseveranstalter mit Sitz in Opfikon ZH annullierte dann die Reise wegen der Corona-Pandemie. Schär forderte die Anzahlung zurück.
Das Reisebüro teilte ihr mit, dass es für seinen Aufwand 200 Franken abziehe. Diese Bearbeitungsgebühr habe es «in Absprache mit dem Ombudsmann der Schweizer Reisebranche festgelegt». Die gleiche Erfahrung machten viele andere Leser und meldeten das dem K-Tipp.
Alle ärgern sich zu Recht. Denn gemäss Gesetz sind die Reiseveranstalter verpflichtet, die Anzahlungen vollständig zurückzuzahlen, falls sie gebuchte Reisen absagen. Der Abzug von Bearbeitungsgebühren ist also unzulässig. Das bestätigt Vito Roberto, Professor an der Universität St. Gallen und Reiserechtsexperte. Er stellt klar: Ein Reisebüro darf von der Vorauszahlung des Kunden nur etwas behalten, wenn es die Reise nicht selbst organisiert und zusätzlich bei der Buchung ausdrücklich ein Entgelt für den Aufwand vereinbart worden sei. Sonst hätten Kunden laut Gesetz Anspruch auf «schnellstmögliche Rückerstattung aller von ihnen bezahlten Beträge».
Im Fall von Iris Schär ist Net-Tours selbst Reiseveranstalter – und müsste ihr also den gesamten Betrag zurückerstatten. Trotzdem erhielt sie von Franco Muff, dem Ombudsmann der Schweizer Reisebranche, eine abschlägige Antwort. Er sagte Schär, die Gebühr von 200 Franken sei angebracht. «Andere Anbieter verlangen bis zu 500 Franken pro Person oder mehr, was auch ihr Recht ist.»
Kein Verständnis für kritische Kunden
Der Ombudsmann vertritt hier also die Interessen der Reisebranche, er handelt weder als Rechtsberater noch als Vermittler. Aus seiner Haltung macht Muff keinen Hehl. Im Branchenmagazin «Travel Inside» äusserte er Ende März in einem Kommentar zur Corona-Krise sein Unverständnis über Kunden, die keine Bearbeitungsgebühren zahlen wollen. Da müssten die Reisebüros hart bleiben. Und diese Haltung «unterstützt unsere Stelle klar».
Im aktuellen Jahresbericht des Ombudsmanns tönt es allerdings ganz anders: Er sei zu «absoluter Neutralität verpflichtet und kein Interessenvertreter». Als unabhängiger Ombudsmann stelle er seine «guten, beratenden Dienste» allen Konsumenten zur Verfügung, die Unstimmigkeiten mit der Reisebranche hätten und nicht wüssten, wie sie zu ihrem Recht kämen. Auch in den Medien stellt er sich immer wieder als Kämpfer für die Konsumenten dar. Gegenüber dem Schweizer Fernsehen beispielsweise sagte er im Jahr 2017, er setze sich für die Rechte von Flugpassagieren ein: «Im Gegensatz zum einzelnen Reisenden haben wir Erfahrung und auch den nötigen Biss, durchzuhalten.»
Oft nur Ratschläge und Erklärungen
Wer die Jahresberichte des Ombudsmanns genauer anschaut, bemerkt allerdings: Die Stelle schreitet in den wenigsten Fällen ein. Sie erledigt den Grossteil der Anfragen mit blossen Ratschlägen oder Erläuterungen. Die Erklärungen an die Konsumenten seien «schweisstreibend», weil diese wenig Verständnis aufbringen würden, heisst es in den Berichten.
Immerhin: Zum Teil waren die Beanstandungen der Konsumenten erfolgreich. Laut Jahresbericht konnte Muff im Jahr 2018 bei 115 von 1423 Reklamationen einen Bon oder eine Erstattung herausholen, 2017 bei 113 von 1494 Fällen. In welcher Höhe die Gutschriften waren, geht aus den Berichten nicht hervor.
Der mässige Erfolg der Ombudsstelle erstaunt nicht: Sie wird vollumfänglich von der Reisebranche finanziert. Sie befindet sich im gleichen Gebäude wie der Verband der Reisebüros und Reiseveranstalter. Was vielen Konsumenten nicht bewusst ist: Das Ziel von Ombudsstellen ist nicht der Schutz der Konsumentenrechte, sondern die Streiterledigung. Manche sind – wie auch die Reise-Ombudsstelle – nicht einmal von Juristen besetzt.
Muff bestreitet gegenüber dem K-Tipp nicht, dass es vereinzelt Absprachen mit Reisebüros gebe. Es gebe aber «keine grundsätzlichen Absprachen» mit der Branche. Die Stelle sei neutral. Zuweilen habe sie eine eigene Meinung, die sich nicht mit derjenigen der Konsumenten oder der Reisebranche decke.
Für Iris Schär war die Stelle keine Hilfe. Net-Tours hält am Abzug der 200 Franken fest – verspricht aber, das Geld bei einer allfälligen erneuten Buchung anzurechnen.