Achtung, Band läuft mit!
Bei geschäftlichen Telefongesprächen sollte man seine Worte vorsichtig wählen - es kann sein, dass man ungefragt auf Band spricht.
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K-Tipp 6/2004
24.03.2004
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Die Änderung von Artikel 179 des Strafgesetzbuches trat am 1. März in Kraft. Seither ist es erlaubt, ohne die Gesprächsteilnehmer zu informieren, Telefonate im Geschäftsverkehr aufzunehmen, «welche Bestellungen, Aufträge, Reservationen und ähnliche Geschäftsvorfälle zum Inhalt haben».
Diese Aufweichung der Persönlichkeitsrechte geht auf einen Vorstoss des Schwyzer CVP-Ständerats Bruno Frick von Ende 1997 zurück. Dieser hatte argumentiert, dass es im Wirtschaftsleben ...
Die Änderung von Artikel 179 des Strafgesetzbuches trat am 1. März in Kraft. Seither ist es erlaubt, ohne die Gesprächsteilnehmer zu informieren, Telefonate im Geschäftsverkehr aufzunehmen, «welche Bestellungen, Aufträge, Reservationen und ähnliche Geschäftsvorfälle zum Inhalt haben».
Diese Aufweichung der Persönlichkeitsrechte geht auf einen Vorstoss des Schwyzer CVP-Ständerats Bruno Frick von Ende 1997 zurück. Dieser hatte argumentiert, dass es im Wirtschaftsleben «schlicht nicht machbar» sei, jeweils das Einverständnis der Gesprächsteilnehmer einzuholen. Das gelte insbesondere im Bankverkehr, im Devisenhandel sowie im Reservations- und Bestellwesen.
Die Praxis der letzten Jahre zeigt: Es ist durchaus machbar, Telefonaufzeichnungen vorgängig anzukündigen. Doch das hinderte National- und Ständerat nicht daran, Artikel 179 auf der Basis von Fricks Vorstoss zu revidieren und nach einigem Hin und Her im Oktober 2003 schliesslich zu verabschieden.
Nicht sehr begeistert darüber zeigt sich der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür. Im Vorfeld der Gesetzesänderung hatte Thür diese als «ungerechtfertigte Verletzung der Privatsphäre» kritisiert und geltend gemacht: «Die Aufzeichnung mit der Einwilligung aller Beteiligten reicht in der Geschäftswelt zur Beweisführung oder Ausräumung eventueller Missverständnisse vollkommen aus.»
Datenschützer fordert Zurückhaltung
Genützt hats wenig. Jetzt setzt sich der Datenschützer dafür ein, dass Artikel 179 wenigstens eng interpretiert wird. Konkret sollen Aufnahmen ohne Ankündigung bei telefonischen Reservationen, Bestellungen, Börsenaufträgen oder Wettbewerben zulässig sein, wenn sie ausschliesslich der Beweissicherung dienen. Weiterhin nur mit Ankündigung erlaubt wären sie bei Verkaufsgesprächen, Reklamationen, Umfragen sowie zur Ausbildung und Kontrolle der Angestellten.
Ob sich diese Auslegung durchsetzen wird, ist noch offen. Doch eine Stichprobe des K-Tipp zeigt schon jetzt: Mit heimlichen Aufnahmen muss gerechnet werden (siehe Kasten).
So plant zum Beispiel Postfinance, abgehende Telefonate ohne Ankündigung «zur Schulung der Mitarbeitenden in den Call Centers» aufzuzeichnen. Vom K-Tipp darauf hingewiesen, dass das gemäss Datenschützer nicht zulässig wäre, gibt Sprecher Alex Josty schliesslich zu Protokoll, Postfinance werde «die Interpretationen des Datenschützers und anderer Fachpersonen in geeigneter Weise berücksichtigen» und sich «bei der Umsetzung immer im legalen Bereich bewegen».
Eher auf der Linie des Datenschützers bewegt sich Extratel. Die Firma, die unter anderem die Hotlines von Fust, Mövenpick und Bank Coop betreut, will künftig zwar ebenfalls unangekündigt aufzeichnen, aber nur «auf Antrag der Kunden» und «zum ausschliesslichen Zweck der Beweisführung».
Bereits diese beiden Fälle machen deutlich: Die Bandbreite der Interpretationen von Artikel 179 ist beträchtlich. So beträchtlich, dass selbst der Branchenverband der Call-Center-Betreiber «Callnet.ch» seinen Mitgliedern in Sachen Telefonaufnahmen «ein gewisses Mass an gesunder Zurückhaltung» empfiehlt.
Und freimütig gibt der Vizepräsident von Callnet, Stefan Buess, zu, sein Verband habe sich für die Revision des Gesetzesartikels eingesetzt, «jedoch nicht erwartet, dass er nun in einer so "liberalen" Form daherkommt».
Die meisten Firmen zeichnen auf
In einer Stichprobe des K-Tipp haben lediglich 4 von 25 Firmen angegeben, derzeit keine Telefongespräche aufzuzeichnen.
- Aufnahmen ohne Ankündigung: Tele2, Extratel, Postfinance 1 (geplant), MS Mail Service 2
- Telefonaufzeichnungen nur nach Ankündigung: UBS, CS, Zürcher Kantonalbank, Viseca, Swisscard, Cablecom, Orange 2, Swisscom 2, Sunrise 2, Bluewin 2
- Keine Aufnahmen: Winterthur Versicherungen, Zürich Schweiz, Mobiliar, Diners Club Schweiz
- K-Tipp-Anfrage innert Frist nicht beantwortet: National Versicherung, UBS Card Center, Green.ch, Tiscali, Bertelsmann Medien (Schweiz), IBA Bürobedarf, Telag Communications
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