«Höchstwahrscheinlich wäre das Unglück Anfang Jahr bei einer modernen Sesselbahn nicht passiert», sagt der ETH-Dozent für Seilbahntechnik Gabor Kovacs. Denn bei neueren Bahnen sei das Seil meist stärker gespannt. Dadurch schwingt es bei einem Notstopp weniger und bleibt eher im Seilfänger, wenn es entgleist.
Beim Sesselbahnunglück auf der Kleinen Scheidegg kam am 3. Januar ein junger Deutscher ums Leben, drei Personen wurden verletzt. Die Unglücksbahn ist seit 26 Jahren in Betrieb. Sie wurde 2002 vom Seilbahnhersteller Garaventa umgebaut.
Laut Aussagen eines Ingenieurs von einem Konkurrenzbetrieb werden Sesselbahnen in der Regel für eine Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren gebaut. Die Unglücksbahn sei also schon fast «steinalt». Auch wenn alte Bahnen nicht unbedingt schlechte Bahnen sein müssen, sollten sie in der Schweiz häufiger erneuert werden, fordert er.
Viele Zwischenfälle gehen glimpflich aus
Der Unfall von Grindelwald scheint ihm recht zu geben. Die Überschlagsicherung brach, als der Wind das Seil aus den Sicherungen drückte. Das könnte offenbar auch bei anderen Bahnen passieren, denn das Bundesamt für Verkehr schliesst nicht aus, bei 400 Bahnen Nachrüstungen vorzunehmen.
Die Jungfraubahnen sehen das Alter nicht als Problem. Sprecherin Kathrin Naegeli: «Das Alter hat keine Rolle gespielt.» Die Bahn sei im Jahr 2005 einer Betriebsrevision unterzogen und dabei auf den aktuellen Stand der Technik gebracht worden. Das Bundesamt für Verkehr erteilte eine Konzession bis Oktober 2022.
Seilentgleisungen kommen bei Schweizer Bahnen immer wieder vor. Dies zeigt die Statistik. Dem Bundesamt für Verkehr werden von Seilbahnunternehmen jährlich 50 Unfälle und Betriebsstörungen gemeldet, darunter bis zu drei Seilentgleisungen. Laut Gregor Saladin vom Bundesamt für Verkehr wird dabei meist niemand verletzt. Sie ereignen sich häufig dann, wenn die Bahn abgestellt ist. Ursache seien oft Windböen.
Dem technischen Leiter von Garaventa, Istvan Szalay, sind diese häufigen Seilentgleisungen angeblich nicht bekannt. Er wolle sie weder dementieren noch bestätigen, sagt er.
In der Forschung arbeitet man bereits an der Lösung des Problems. Ein System setzt auf Sensoren an den Rollen, die der Station sofort ein Signal geben, wenn das Seil nicht mehr richtig in den Rollen liegt. Gleichzeitig drosselt die Bahn das Tempo. Bis heute verfügt erst die Gletscherbahn in Zermatt über diese neueste Technik.
Tipp: Kinder auf dem Sessellift gut festhalten
Unfälle mit Seilbahnen sind in der Schweiz nicht selten: Pro Jahr ereignen sich laut Statistik des Bundesamts für Verkehr zwischen 11 und 25 Unfälle mit Toten und Verletzten, fast alle mit Sesselliften. Die meisten beim Ein- und Aussteigen.
In Saas Grund stürzte Anfang Jahr nach Betriebsschluss eine Achtergondel ab – Ursache war der Wind. Im April 2002 krachte in Zermatt eine leere Gondel in die Tiefe. Und im Jahr 1999 war auf der Seebodenalp ein Tragseil aus allen sechs Masten gesprungen.
Sicher auf dem Sessellift:
Vorsicht bei starkem Wind! Das Seil kann aus der Rolle springen. Auf die Seilfänger ist besonders bei älteren Bahnen kein Verlass.
Lassen Sie lieber einen Sessel leer fahren, als durch Hetzen einen Sturz zu provozieren.
Kinder können unter dem Bügel durchrutschen. Sie dürfen erst ab einer Grösse von 1,25 m alleine auf den Sessellift. Halten Sie Ihr Kind gut fest!