Gebetsmühlenartig behaupteten Pensionskassen, Versicherungen, Banken, Politiker und Medien in den letzten Jahren, die zweite Säule der Altersvorsorge stehe auf höchst unsicherem Boden. Die Versicherten würden immer älter, die Anlagerenditen sänken. Darum reiche das bis zur Pensionierung angesparte Kapital nicht mehr aus, um die Renten bis ans Lebensende zu finanzieren.

Unter dem Druck der Finanzlobby beschloss das Parlament, das Pensionskassengesetz zu ändern. Es setzte Rentenkürzungen und höhere Beiträge fest – was zu grösseren Lohnabzügen führen würde.

Das letzte Wort haben aber die Stimmberechtigten, da Gewerkschaften und SP das Referendum ergriffen und auch mit Unterstützung des K-Tipp in nur zwei Monaten über 130'000 Unterschriften sammelten.

Ein Ja zur Gesetzesänderung hätte gravierende Folgen für die Versicherten: Das Hauptziel ist die Senkung des Mindestumwandlungssatzes von heute 6,8 auf 6 Prozent. Das hätte knapp 12 Prozent tiefere Renten zur Folge.

200 Franken weniger Rente pro Monat

Der Umwandlungssatz bestimmt, wie das Altersguthaben der Versicherten in eine lebenslange Rente umgerechnet wird. Beispiel: Wer bis zur Pensionierung im Obligatorium in der zweiten Säule 300'000 Franken gespart hat, hat heute Anspruch auf eine Monatsrente von 1700 Franken. Nach einem Ja am 22. September wären es noch 1500 Franken.

Von der ­Senkung wären alle Ver­si­cherten betroffen, nicht nur diejenigen, deren Alterskapital im Rahmen des Obligatoriums liegt. Die zweite Säule ist aktuell nur bis zu einem Jahreslohn von 88'200 Franken obligatorisch und nur ab einem Mindestlohn von 22'050 Franken. Der gesetzliche Umwandlungs­satz gilt nur für dieses obligatorische Kapi­tal.

Viele Angestellte zahlen aber mehr in die zweite Säule ein, als vorgeschrieben ist, etwa weil sie mehr verdienen. Dann sparen sie auch überobligatorisches Alterskapital an. Für dieses Geld gibt es keine Vorschriften. Die Kassen dürfen für diesen Teil des Gesparten den Umwandlungssatz unter das gesetzliche Minimum senken. Viele Kassen haben das bereits getan: Der durchschnittliche Umwandlungssatz beträgt zurzeit nur noch 5,31 Prozent.

Weniger Rente für Gutverdiener

Die Kassen müssen den Versicherten aber eine Rente garantieren, die mindestens so hoch ist wie die ­Rente, die für den obliga­to­­rischen Teil des angesparten Alters­kapitals vorgeschrieben ist. Darum hätte die Senkung des Mindest-umwandlungs­satzes auf 6­ Prozent auch negative Folgen für Versicherte mit überobligatorischem Kapital.

Beispiel: Ein Versicherter hat mit 65 im Obli­ga­­torium 300'000 Franken und im Überobligatorium 50'000 Franken angespart. Sein Alterskapital beträgt also total 350'000 Franken. Die Pensionskasse will seine Rente nun mit dem tiefen Satz von 5,3 Prozent umrechnen.

Das darf die Kasse aber heute nicht. Denn das ergäbe nur 1545 Franken monatlich. Der obligatorische Teil des Alterskapitals von 300'000 Franken muss ­gemäss geltendem Gesetz mit einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent umgerechnet werden. Das ergibt eine Mindestrente von 1700 Franken. Auf diese hat der Versicherte einen garantierten Anspruch, darunter darf die Pensions­kasse nicht gehen.

Das Beispiel zeigt auch: Das überobligatorisch gesparte Alterskapital von 50'000 Franken bringt ­keinen Franken zusätzliche Rente.

Sinkt der Mindestumwandlungssatz wie mit der Gesetzesänderung geplant auf 6 Prozent, dürfte die Pensionskasse künftig eine Monatsrente von nur 1545 Franken bezahlen. Denn gesetzlich geschützt wäre nur noch eine Rente auf der Basis von 6 Prozent der 300'000 Franken im Obligatorium. Das sind 1500 Franken pro Monat. Dieser Betrag läge tiefer als die 1545 Franken, welche die Pensionskasse dem Versicherten inklusive Überobliga­torium gestützt auf den Umwandlungssatz von 5,3 Prozent zahlen will.

Ja zur Revision macht Kassen noch reicher  

Die vom Parlament geplante Rentenkürzung hätte im Total happige Konsequenzen: Ende 2023 betrug das ­Altersguthaben aller Er­werbs­tätigen 646 Milliarden Franken. 260 Milliarden davon betreffen das Obligatorium. Für dieses Altersguthaben müssen die Kassen nach heutigem Recht eine Rente auf der Basis von 6,8 Prozent pro Jahr zahlen, bei ­einem Ja am 22. September nur noch 6 Prozent. Das sind knapp 12 Prozent weniger. Die Rentenansprüche sänken um gut 30 Mil­liar­den Franken. So viel könnten die Kassen weniger auszahlen, wenn alle Pensionierten die Rente wählen.