Die Abstimmung im Parlament fiel knapp aus: 127 Politiker stimmten letzte Woche für und 111 gegen die Reform der Altersvorsorge. Am Schluss war es ein Kräftemessen zwischen den Parteien – ohne jeden Bezug zu den konkreten Folgen für die Bevölkerung. Immerhin: Die Stimmbürger werden das letzte Wort haben.
Wer aber profitiert von der Rentenreform, und wer zahlt drauf? Der K-Tipp fragte dazu keine Politiker, er hat, gestützt auf die Gesetzesänderungen und die Daten des Bundesamts für Statistik, selbst nachgerechnet. Grundlage dafür ist der Schweizer Durchschnittslohn von jährlich 77 124 Franken brutto. Die eine Hälfte der Schweizer verdient laut Statistik weniger, die andere mehr.
Höhere Steuern und Abzüge
Fazit: Von der Reform profitieren die Pensionskassen, die Versicherungen und die Bundeskasse. Die Schweizer Bevölkerung zahlt durchs Band mehr und erhält weniger. Die Resultate im Detail:
Mehrwertsteuer: Sie wird um 0,6 Prozentpunkte erhöht. Damit werden Waren und Dienstleistungen für sämtliche Haushalte teurer. Berufstätige gaben gemäss der letzten Haushaltsbudgeterhebung des Bundesamts für Statistik im Jahr 2014 rund 20 000 Franken für mehrwertsteuerpflichtige Waren und Dienstleistungen aus. Das heisst: Nach der Rentenreform müssten sie auf dieser Summe mindestens 100 Franken mehr Mehrwertsteuer zahlen. Rechnet man dies aufs gesamte Erwerbsleben hoch, sind das 4500 Franken.
AHV-Abzüge: Für die AHV zahlen alle Angestellten künftig 4,35 Prozent. Beim erwähnten schweizerischen Durchschnittslohn macht dies pro Jahr 116 Franken mehr AHV-Lohnabzüge aus. Oder bis zur Pensionierung rund 5220 Franken. Für Frauen kommt dazu: Sie müssen ein Jahr länger arbeiten. Das kostet sie weitere 3354 Franken für die AHV.
PK-Abzüge: Auch die Abzüge für die Pensionskasse steigen. Durchschnittliche Angestellte müssen in ihrem gesamten Erwerbsleben neu rund 13 000 Franken mehr in die 2. Säule einzahlen. Der Grund: Die sogenannten Altersgutschriften werden für 35- bis 54-Jährige um 1 Prozentpunkt erhöht. Und Frauen müssen ein Jahr länger einzahlen. Das kostet sie durchschnittlich zusätzlich 4980 Franken.
Total Beiträge: Zusammengerechnet zahlen Angestellte also bis zur Pensionierung rund 18 220 Franken mehr an die Sozialversicherungen, Frauen sogar rund 26 500 Franken.
Auswirkung auf Löhne: Auch die Arbeitgeber müssen so viel mehr zahlen wie die Angestellten. Ob sie das Lohnbudget um die entsprechenden neuen Kosten erhöhen oder tiefere Bruttolöhne zahlen, um die Kosten aufzufangen, ist offen. Klar ist: Die Angestellten sind am kürzeren Hebel.
Renten der 2. Säule sinken
Für all diese Mehrausgaben erhalten die Versicherten eine leicht höhere AHV- Rente: Ledige bekommen pro Jahr 840 Franken mehr, Verheiratete maximal 1356 Franken mehr. Bei der heutigen Lebenserwartung nach der Pensionierung macht dies für Alleinstehende gut 17 600 Franken mehr AHV aus. Frauen erhalten allerdings ein Jahr weniger Rente, weil sie künftig erst ab 65 pensioniert werden: Das ist bei der durchschnittlichen AHV-Rente ein Minus von gut 20 000 Franken.
Doch das ist erst die halbe Rechnung: Denn der Rentenumwandlungssatz der Pensionskassen wird um 12 Prozent gesenkt. Gerechnet auf das schweizerische Durchschnittseinkommen und die Bestimmungen des neuen Gesetzes, ergibt dies künftig eine um 640 Franken tiefere Rente pro Jahr. Auf die statistische Lebenserwartung nach der Pensionierung umgerechnet sind das 13 440 Franken weniger.
Fazit: Angestellte zahlen bis zur Pensionierung 4500 Franken mehr Mehrwertsteuer und 18 220 Franken höhere Sozialversicherungsbeiträge, Frauen sogar 26 500 Franken mehr. Werden sie mit 65 Jahren pensioniert, erhalten sie jährlich eine leicht höhere Rente von der AHV und eine leicht tiefere von der Pensionskasse. Die Frauen verlieren zudem noch im 65. Altersjahr eine ganze AHV- und Pensionskassenrente von rund 40 000 Franken.
Das VZ Vermögenszentrum hat die Auswirkungen der Rentenreform ebenfalls berechnet, und zwar für einen 55-jährigen Mann mit einem Jahreseinkommen von brutto 120 000 Franken. Fazit: Der Mann zahlt pro Jahr 497 Franken mehr AHV, Pensionskasse und Steuern, und er erhält ab Alter 65 pro Jahr 1830 Franken weniger Rente.
Die Rentenreform wird vor allem von den Linksparteien als Verbesserung für die Wenigverdiener verkauft. Fakt ist: Auch diese zahlen von ihren tiefen Löhnen höhere Zwangsbeiträge an die AHV und die Pensionskasse. Falls sie unter dem Strich einen Franken mehr Rente erhalten, würden ihnen die Ergänzungsleistungen genau um diesen Betrag gekürzt. Davon betroffen sind über 200 000 Pensionierte, Tendenz steigend.
Rekordkohe Reserven
Der 2. Säule und der AHV geht es heute sehr gut – auch wenn Politiker das Gegenteil behaupten. Die Pensionskassen verfügten per Ende 2015 über rund 116 Milliarden Franken Reserven (siehe «Saldo 4/2017). Und bei der AHV belief sich das gesamte Vermögen im selben Jahr auf 44,2 Milliarden Franken. Damit erwirtschafteten die Vermögensverwalter 1,2 Milliarden Gewinn – das sind 3,9 Prozent Jahresrendite.
Heutige Erwerbstätige1
- Mindestens Fr. 100.– mehr Mehrwertsteuern
- Fr. 116.– mehr Beiträge an die AHV
- Bis Fr. 550.– mehr Pensionskassenbeiträge (je nach Alter)
- AHV-Rente steigt um Fr. 840.– bis Fr. 1356.–
- Pensionskassenrente sinkt um Fr. 640.–
- Frauen: zusätzliche AHV- Beiträge im Alter 64 von Fr. 3354.– und rund Fr. 20 000.– weniger AHV-Rente in diesem Jahr
Heutige Rentner
• Renten bleiben gleich mindestens 60 Franken mehr Mehrwertsteuer pro Jahr
Kommentare zu diesem Artikel
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar hinzuzufügen
Sind Sie bereits Abonnent, dann melden Sie sich bitte an.
Nichtabonnenten können sich kostenlos registrieren.
Besten Dank für Ihre Registration
Sie erhalten eine E-Mail mit einem Link zur Bestätigung Ihrer Registration.
Keine Kommentare vorhanden