Ärzte und andere Angestellte im Gesundheitswesen unterstehen dem Berufsgeheimnis. Das Strafrecht verbietet es ihnen, Drittpersonen über eine Behandlung zu informieren. Sie dürfen nur Auskünfte geben, wenn der Patient damit einverstanden ist oder wenn das zuständige kantonale Gesundheitsamt den Arzt von der Schweigepflicht entbindet.
Nach dem Tod eines Angehörigen im zeitlichen Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung bleiben Verwandte oft ratlos zurück: Gerne würden sie erfahren, unter welchen Umständen das Familienmitglied gestorben ist – und allenfalls prüfen, ob ein Behandlungsfehler passierte. Wenn Angehörige Verstorbener mit ihrem Anliegen an Ärzte gelangen, müssen diese beim Gesundheitsamt die Entbindung von der Schweigepflicht verlangen.
Die Behörden haben dabei einen grossen Ermessensspielraum. Beim Gesundheitsdepartement der Stadt Basel heisst es auf Anfrage: «Damit eine medizinische Fachperson vom Berufsgeheimnis entbunden werden kann, muss bei Angehörigen ein deutlich überwiegendes privates oder öffentliches Interesse vorliegen.» Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich schreibt in einem Merkblatt: «Eine Entbindung wird nur sehr zurückhaltend vorgenommen, nach eingehender Rechtsgüterabwägung.»
Erfolgloser Gang vor Bundesgericht
Die Problematik zeigt sich in einem Fall aus dem Kanton St. Gallen: Eine Frau erkrankte und wurde 2016 in einer psychiatrischen Klinik stationär behandelt. In den Ferien beging sie Suizid. Der Ehegatte und die beiden Töchter baten die Klinik um Einsicht in die Krankenakte der Verstorbenen.
Der behandelnde Arzt beantragte beim Gesundheitsdepartement die Entbindung von der Schweigepflicht – was dieses verweigerte. Auf Beschwerde der Angehörigen hin gewährte das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen eine beschränkte Auskunft, soweit es für die Töchter notwendig sein könnte. Der Mann und die Töchter beantragten daraufhin vor Bundesgericht vergeblich die Einsicht in die vollständige Krankenakte – unter anderem um Haftungsansprüche gegen die Klinik zu prüfen.
Das Bundesgericht entschied 2018: Angehörige bekämen keine Einsicht in die Patientendaten, um Haftungsansprüche gegen ein Spital zu prüfen. Anders wäre es, wenn die Angehörigen bereits eine Klage gegen die Klinik eingeleitet hätten oder demnächst einleiten würden. Der Wunsch der Angehörigen, Zugriff auf die Patientenakte zu erhalten, um die Trauer zu bewältigen, reiche nicht für die Einsicht in die Akte.
Grosszügiger zeigt sich die Gesundheitsdirektion des Kantons Bern. Ein Sprecher sagt, ein überlebender Ehegatte erhalte Auskünfte, «wenn es zur Trauerbewältigung erforderlich ist, etwa im Fall eines Suizides».
Der K-Tipp hat aufgrund dieser Rechtslage das Muster für eine Patientenverfügung ergänzt (siehe Kasten unten): Die unterzeichnende Person kann darin eine oder mehrere Personen einsetzen, die im Todesfall das Patientendossier einsehen dürfen.
Auch kann man wählen, ob die Angehörigen alle Unterlagen oder nur Auskunft über die Todesursache erhalten – oder über die Fähigkeit, ein Testament zu verfassen.
Diese Lösung hat den Vorteil, dass die Ärzte beim Gesundheitsamt keine Entbindung mehr verlangen müssen. So kommen Angehörige nach einem unklaren Todesfall schnell und ohne einen Streit mit den Behörden zu den gewünschten Unterlagen.