Die Mutter von Désirée Grob (Name geändert) lebte in Nesslau SG und wurde über 95 Jahre alt. Die letzten drei Jahre vor ihrem Tod im Dezember 2021 verbrachte sie im Pflegeheim. Die Rechnungen des Heims stiegen mit zunehmender Pflegebedürftigkeit. Erst im vergangenen April bemerkte Grobs Tochter, dass sich die Wohngemeinde nicht an den Kosten beteiligt hatte – obwohl dies das Kranken- versicherungsgesetz vorschreibt. Benötigt ein Patient mehr Pflege, als die Kasse zahlt, muss der Kanton oder die Gemeinde den Rest zahlen. Das war bei Grobs Mutter der Fall.
Die Tochter reichte das Formular für ihre Mutter nachträglich bei der Gemeinde ein. Doch diese übernahm die Restfinanzierung nur für die letzten sechs Monate. Und dies, obwohl Grobs Mutter bereits ein Jahr zuvor Anspruch auf die Beiträge der Gemeinde gehabt hätte. In der Verfügung der Sozialversicherungsanstalt St. Gallen heisst es, laut kantonalem Gesetz könnten die Pflegekosten «rückwirkend für längstens sechs Monate seit Antragsstellung ausgerichtet werden». Die Seniorin musste wegen der verspäteten Anmeldung also rund 6800 Franken selbst übernehmen.
Das stösst bei Rechtsexperten auf Kritik. Ueli Kieser, Anwalt und Titularprofessor für Sozialversicherungsrecht an der Uni St. Gallen, sagt: «Es stellt sich die Frage, ob die sechsmonatige Verwirkungsfrist gegen Bundesrecht verstösst.» Denn die Frist sei viel kürzer als die allgemeine fünfjährige Frist im Sozialversicherungsrecht. Kieser: «Deshalb drängt es sich auf, die Frage einem Gericht zu unterbreiten.»
Andere Gemeinden zahlen von sich aus
Désirée Grob ist enttäuscht: «Uns sagte niemand, dass es für die Restfinanzierung durch die Gemeinde einen Antrag braucht.» In ihrem Wohnkanton Zürich zum Beispiel sei das nicht nötig. Zürcher Gemeinden würden die Pflegekosten von sich aus an das jeweilige Heim zahlen.
Eine Umfrage des K-Tipp zeigt: Heimbewohner müssen sich in den meisten deutschsprachigen Kantonen für die Restkosten der Gemeinde oder der Kantone nicht selber anmelden. Die Heime schicken die Rechnung direkt an die kantonal zuständige Stelle. Abgesehen vom Kanton St. Gallen, braucht es in Nidwalden, Schwyz und Thurgau eine Anmeldung. In diesen drei Kantonen kann man die Gelder aber fünf Jahre lang nachfordern.
Heim: Diese Kosten fallen an
Ein Aufenthalt im Alters- und Pflegeheim geht rasch ins Geld. Das sind die grössten Posten:
- Pflegekosten: Sie umfassen den Aufwand für medizinische Betreuung, Hilfe bei der Körperpflege, beim Essen oder beim An- und Auskleiden. Die Krankenkassen übernehmen die Pflegekosten je nach Intensität der Pflege. Es gibt zwölf Pflegestufen. Auf der höchsten Stufe zahlen die Kassen bis Fr. 115.20 pro Tag. Die Heimbewohner müssen sich mit maximal 23 Franken daran beteiligen. Braucht ein Patient mehr Pflege, als die Kasse zahlt, müssen die Kantone oder Gemeinden den Rest zahlen.
- Kosten für Unterkunft und Betreuung: Heimbewohner müssen Miete, Verpflegung und Betreuung selber zahlen. Es lohnt sich, die Preise mit jenen anderer Gemeinden zu vergleichen und den Vertrag gut zu prüfen. Wer nicht genug Vermögen hat, kann Ergänzungsleistungen beantragen. Diese decken die ortsüblichen Tagesansätze in einem Heim und Auslagen für Kleider, Hygiene, Steuern und Zeitungen.