Ein Liter Ramseier Apfelsaft ab Presse kostet gegenwärtig bei Coop Fr. 2.80. Genau gleich viel kostete dieser Direktsaft beispielsweise im Oktober 2021. Ob es Saison ist oder nicht, ob die Ernte gross war oder klein: All das hat auf den Preis im Laden keinen Einfluss.
Grund: Bei grossen Ernten bringen die marktbeherrschenden Mostereien Ramseier und Möhl den überschüssigen Saft nicht in die hiesigen Geschäfte. Sie dicken ihn zu Konzentrat ein und verkaufen ihn ins Ausland.
Billigexporte auf Kosten der Bauern
Gemäss Zahlen eines Insiders gingen von der Grossernte des Jahres 2020 nicht weniger als 4250 Tonnen Apfelsaftkonzentrat und 350 Tonnen Birnensaftkonzentrat in die EU. Die beiden Grossmostereien halten sich schadlos, indem sie die Kosten dieser Exporte den Bauern weiterbelasten. Gemäss einem Insider kostet die Herstellung eines Kilogramms Obstsaftkonzentrat Fr. 3.40. Die Grossmostereien können es auf dem europäischen Markt aber nur für 80 Rappen verkaufen. Die fehlenden Fr. 2.60 belasten sie über Preisabzüge den Obstbauern.
Das heisst: Die Bauern bekommen weniger Geld für ihre Äpfel. Wegen der Überschüsse der Ernte 2020 erhielten sie insgesamt 8,5 Millionen Franken weniger.
Definitive Kilopreise erst nach der Ernte
Wie gross die Preisabzüge Jahr für Jahr sind, wissen die Obstbauern zum Zeitpunkt der Ernte nicht. Der Obstverband und die Mostereien Ramseier und Möhl teilen ihnen den definitiven Preis für Mostobst erst im Nachhinein mit. So erfuhren die Obstbauern im Rekordjahr 2020 erst kurz vor Weihnachten, dass sie nur 13 statt 26 Rappen pro Kilogramm Mostobst erhalten würden.
In solchen Jahren sei das Auflesen und Abliefern von Mostobst für sie ein Verlustgeschäft, sagt etwa Obstbauer Max Wartenweiler aus Häuslenen TG dem K-Tipp. Familie Wartenweiler besitzt 150 Hochstammbäume. Ab einer gewissen Erntemenge gelte deshalb: Je grösser die Ernte ausfällt, desto mehr Obst würden sie auf dem Boden verfaulen lassen.
Die Konsumenten zahlen doppelt: Einerseits über künstlich hoch gehaltene Ladenpreise, die selbst in Jahren grosser Ernten nicht fallen. Zusätzlich finanzieren sie als Steuerzahler die Herstellung und Einlagerung von Apfelsaftkonzentrat mit.
Das Bundesamt für Landwirtschaft entscheidet aufgrund der Lagerkosten der Grossmostereien Jahr für Jahr, wie hoch die Subventionen ausfallen. Damit sie auch in Jahren tiefer Ernten Apfelsaft produzieren können, erhielten die Mostereien in den letzten Jahren stets 800'000 bis eine Million Franken pro Jahr. Selbst dieses Geschäftsrisiko lassen sich die Mostereien also bezahlen.
Die beiden Mostereien schreiben dem K-Tipp, die Konsumenten würden von stabilen Preisen profitieren. Zudem sei die ganzjährige Versorgung mit Schweizer Apfelsaft sichergestellt. Aus Konzentrat rückverdünnter Apfelsaft ist im Laden günstiger als Direktsaft.
Der schweizerische Obstverband meint dazu: «Aktuell haben wir keine bessere Lösung, um die grossen Ernteschwankungen aufzufangen und die Versorgung in Jahren mit kleiner Menge auszugleichen.»
Kleinere Mostereien zahlen fairere Preise
Kleinere Mostereien zeigen, dass es auch anders geht. Christof Schenk vom Holderhof etwa betreibt in Sulgen TG seit letztem Jahr ein neues Verarbeitungszentrum für Fruchtsäfte. Er macht mit den Obstbauern Abnahmeverträge und garantiert ihnen im Voraus für die gesamte Ernte einen Mindestpreis.
Aus den Äpfeln stellt er nicht nur Apfelsaft her. Einen Teil verarbeitet er auch zu Apfelmus oder bald auch zu getrockneten Apfelringen und Schnitzen. Seinen Apfelsaft verkauft Coop unter dem Label seiner Tiefpreislinie «Prix Garantie» für Fr. 1.95 pro Liter deutlich günstiger als den der Grossmosterei mit Fr. 2.80.