Apotheker platzieren im Herbst Schnupfenspray, Hustensirup und Halstabletten gut sichtbar in ihren Regalen. Und im Sommer stellen sie Arzneimittel gegen Heuschnupfen und Mückenstiche aus.
Viele Kunden glauben, ihr Apotheker präsentiere diese Medikamente so prominent, weil er sie besonders wirksam findet. Tatsache ist aber: Die meisten Apotheker stellen nur solche Produkte verkaufsfördernd in ihren Regalen und Schaufenstern aus, für die sie von den Pharmafirmen Geld bekommen.
Die Läden verlangen Regalgebühren
Besonders Apothekenketten machen damit ein Geschäft. Sie verlangen von den Herstellern eine sogenannte Regalgebühr. Diese Gebühren sind vertraulich. Der K-Tipp ist aber im Besitz von aktuellen Preislisten der Apothekenketten Amavita, Coop Vitality, Feelgood’s und Sun Store. Sie alle gehören zu Galenicare, einer Tochterfirma der Galenica Group. Dieser Medikamentenhändler kontrolliert das grösste Apothekennetzwerk der Schweiz mit insgesamt rund 500 Apotheken.
In der Preisliste für das Jahr 2018 sind die Regalgebühren unter dem Titel «Erfolgreich verkaufen» detailliert aufgelistet. Ein paar Beispiele:
200 Franken pro Apotheke und Monat muss eine Pharmafirma bei Amavita mit 160 Apotheken in der Schweiz für die Präsentation ihres Produktes in sogenannte «Bodensteller» zahlen. Dabei handelt es sich um ein kleines Regal, worin Apotheker Medikamente oder andere Produkte ausstellen.
9000 Franken pro Monat kostet in 90 Sun-Store-Apotheken die Werbung in «Rollbodenstellern». Das sind mobile Regale auf Rädern. Dazu heisst es: «Ideal für Spontankäufe, optimale Platzierung in Kassennähe.»
12 000 Franken pro Monat kostet die Präsentation in «Thekenstellern» bei den 90 Sun-Store-Apotheken.
Sogar 39 000 Franken pro Regal und Monat muss die Pharmabranche für den «Promo Corner» bei Amavita, Feelgood’s und Coop Vitality zahlen, in 380 Apotheken in der Schweiz: «Gut sichtbare Platzierung direkt hinter der Kasse», inklusive einer halben Seite Inserat in den Magazinen.
32 000 Franken pro Monat kosten «Thekensteller» bei Amavita und Feelgood’s in 300 Läden, inklusive Inserat im Amavita-Magazin.
Die Prospekte von Galenicare nennen auch Preise für Werbung in ihren Apothekermagazinen und in Familienkalendern, die gratis in den Apotheken aufliegen. Ein Standbild oder ein Werbefilm bis 15 Sekunden, der auf 448 Werbemonitoren in den Apotheken gezeigt wird, kostet 6050 Franken für drei Wochen.
«Apotheker verlieren ihre Neutralität»
Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbandes Schweizerischer Patientenstellen, stösst sich an dieser Geschäftemacherei: «Es ist falsch, sich von der Pharmaindustrie bezahlen zu lassen. Denn dadurch verlieren Apotheker ihre Neutralität. Sie beraten ihre Kunden nicht mehr unbefangen.» Die Gefahr sei sehr gross, dass sie nicht das beste Medikament empfehlen würden, sondern das, wofür sie Werbung machen. «Damit strapazieren sie das Vertrauen ihrer Kunden.»
Galenicare bestreitet dies: «Wir stellen den individuellen Kundennutzen und die Gesundheit der Patienten ins Zentrum unserer Aktivitäten.» Das Vermarkten von Promotionen sei eine übliche Praxis im Einzelhandel.
Die Apotheke von Fabian Vaucher, dem Präsidenten des Apothekerverbandes Pharmasuisse, gehört der Apothekenkette Toppharm an, der 130 Apotheken angeschlossen sind. Toppharm verlangt ebenfalls Regalgebühren. Das sei im Fachhandel üblich, lässt Vaucher über Pharmasuisse ausrichten. Die Apotheker würden jedoch dafür sorgen, «dass die kompetente und individuelle Fachberatung der Kunden gewährleistet» bleibe.