Man könnte es einen gesetzlichen Selbstbehalt nennen: Haben sich Arbeitslose für den Bezug von Taggeldern angemeldet, so müssen sie in vielen Fällen zuerst eine gewisse Anzahl Tage «stempeln», ohne dafür einen Anspruch auf Taggelder zu haben. Erst anschliessend beginnt der Anspruch.
Diese Wartetage gelten im Prinzip für alle Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung. Es sind also keine Einstelltage mit Strafcharakter, die das Amt denjenigen Arbeitslosen aufbrummt, die ihre Pflichten verletzen.
15 Wartetage für einen Ingenieur
Die Tabelle zeigt die Einzelheiten dieser Regelung: Die Anzahl Wartetage ist abhängig von der familiären Situation und vom letzten Lohn.
Ein 44-jähriger Ingenieur aus dem Raum Zürich erhielt deshalb von der Arbeitslosenkasse den Bescheid, für ihn gelte eine Wartezeit von 15 Tagen. Der Mann hat keine Kinder und verdiente im Jahr 117 000 Franken (also einen Betrag zwischen 90 000 und 125 000 Franken).
Mit den 15 Tagen Wartezeit war der Versicherte nicht einverstanden und klagte vor Gericht. Hintergrund: Die Schweiz ist 1991 einem internationalen Übereinkommen beigetreten, das die Wartezeit generell auf 7 Tage begrenzt. Den Vertrag aufgesetzt hat die Internationale Arbeitsorganisation (IAO).
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hatte dem Mann zunächst Recht gegeben. Es sah einen Verstoss gegen den IAO-Staatsvertrag und setzte seine Wartezeit auf 7 Tage herab. Das passte aber dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nicht. Es klagte beim Bundesgericht – und siehe da: Die höchsten Richter erklärten die 15-tägige Karenzfrist für rechtens.
Die Schweizer Regelung ist besser
Begründung: Der Staatsvertrag setze nur einen Mindeststandard. Doch die Schweizer Gesetzgebung stelle Arbeitslose «klar besser» – und des-halb sei die Missachtung der 7-Tage-Regel unter dem Strich gerechtfertigt. Drei Details dazu:
- Das IAO-Übereinkommen sieht Wartetage für sämtliche Arbeitslosen vor. Das Schweizer Recht macht Ausnahmen.
- Das IAO-Übereinkommen fordert als Arbeitslosenentschädigung 50 Prozent des vorherigen Lohns. Schweizer Beschäftigte erhalten 70 oder 80 Prozent (je nach Versichertenkategorie).
- Schweizer erhalten in jedem Fall 200 Taggelder. Die IAO sieht weniger vor. Der Mann im vorliegenden Fall hatte Anspruch auf 400 Taggelder.
Fazit der höchsten Richter in Luzern: Die zusätzlichen Wartetage seien im konkreten Fall «durch die übrige Besserstellung bei Weitem kompensiert».
Die Wartetage für Arbeitslose
So lesen Sie die Tabelle: Bei einem versicherten Jahresverdienst zwischen 36 000 und 60 000 Franken gibt es keine Wartetage, falls die Person für Kinder unter 25 Jahren unterhaltspflichtig ist. Sonst sind es 5 Tage.
Ab 60 001.– Jahreslohn gibt es generell 5 Wartetage für Arbeitslose mit Unterhaltspflicht für Kinder unter 25 Jahren.
Bei Jahreslöhnen über 60 000 Franken gibt es vom Lohn abhängige Wartetage für Personen ohne eine solche Unterhaltspflicht.