Aromatisch und antibiotisch
Die gute Nachricht: Schweizer Käser wollen weiterhin ohne das Konservierungsmittel E 235 produzieren. Die schlechte Nachricht: Solcher Käse liegt bereits in Kühlregalen.
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K-Tipp 11/2004
02.06.2004
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Die neue E-Nummern-Verordnung gilt seit gut zwei Jahren. Mit ihrem Erlass hatte der Bundesrat für böses Blut gesorgt, wurden damit doch auf einen Streich 56 Lebensmittel-Zusatzstoffe neu zugelassen.
Harsche Kritik gabs nicht zuletzt wegen der Billigung von Natamycin (E 235), einem in der Käseproduktion verwendbaren Antibiotikum. Die Schweizerische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie warnte, der Stoff könne zu Hautausschlägen führen und Antibiotikaresistenz begüns...
Die neue E-Nummern-Verordnung gilt seit gut zwei Jahren. Mit ihrem Erlass hatte der Bundesrat für böses Blut gesorgt, wurden damit doch auf einen Streich 56 Lebensmittel-Zusatzstoffe neu zugelassen.
Harsche Kritik gabs nicht zuletzt wegen der Billigung von Natamycin (E 235), einem in der Käseproduktion verwendbaren Antibiotikum. Die Schweizerische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie warnte, der Stoff könne zu Hautausschlägen führen und Antibiotikaresistenz begünstigen.
Als Konservierungsmittel zur Behandlung der Käserinde verhindert Natamycin Hefe- und Schimmelpilzbefall - und entlastet den Käser von aufwändiger Käsepflege. Trotzdem verpflichteten sich die Schweizer Käseproduzenten Anfang November 2002 in einem Branchenkodex, auf E 235 zu verzichten.
Man wolle «ein deutliches Zeichen zugunsten der Natürlichkeit» von Schweizer Käse setzen, begründete die Käseorganisation Schweiz (KOS) ihren Schritt - und erklärte, sie wolle auch die neu erlaubten und ebenso umstrittenen Konservierungsstoffe Nisin (E 234) und Lysozym (E 1105), die Fehlgärungen verhindern, nicht einsetzen (s. Kasten).
Käse aus Italien und Spanien mit E 1105
Der Branchenkodex soll laut KOS-Vertreter Jürg Kriech dieses Jahr erneuert werden. Für wie lange, lässt er offen. Hinweise, dass derzeit irgendwo in der Schweiz Käse mit den erwähnten Zusatzstoffen produziert werde, gebe es keine.
Das deckt sich mit dem Befund des Berner Kantonschemikers Urs Müller. Er hat zwar schon Natamycin in Käse gefunden, aber nur in Provolone und Pecchorino aus Italien. Fest steht zudem: In diversen Läden gibts Grana Padano oder den spanischen Manchego mit E 1105 zu kaufen.
Kaspar Engeli vom Verband der Käseimporteure bestätigt denn auch, dass Käse mit den umstrittenen Zusatzstoffen in die Schweiz importiert wird. Genaue Angaben zu Sorten und Importmenge macht er keine.
Klar ist aber: Natamycin, Nisin und Lysozym sind auf der Verpackung zu deklarieren. Das hält Martin Brügger, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Gesundheit (BAG), unmissverständlich fest. Bei offen verkauftem Käse wiederum müsste das Verkaufspersonal Auskunft geben können.
Erhältlich ist Käse mit Zusatzstoffen zum Beispiel bei Coop: Er hat im Rahmen der Spanien-Spezialitätenwoche unlängst den Mahon aus Menorca angeboten, dessen Rinde mit Natamycin eingerieben wurde. Bei so behandeltem Käse sollte man die Rinde mindestens 0,5 Zentimeter dick abschneiden.
Bei den Coop-Eigenmarken seien E 234 und E 235 aber nicht erlaubt, erklärt Sprecher Jörg Birnstiel.
Peinliche Entdeckung bei der Migros
Keinen Käse mit Natamycin oder Nisin verkaufen nach eigenen Angaben Denner, Spar, Volg, Pick Pay sowie die Usego AG (Primo und Visavis). Globus gibt sich vorsichtig: Trotz Beteuerung der Lieferanten, keine Ware mit E 234 oder E 235 zu liefern, könne man diese Frage «nicht umfassend beantworten».
Und die Migros? Sie hat für alle Käseartikel den Einsatz von Natamycin und Nisin untersagt. Bloss: Der K-Tipp hat holländischen Gouda gefunden - auf dessen Etikette war u. a. E 235 deklariert. Das ist der Migros peinlich: «Das Produkt wird bis auf weiteres nicht mehr verfügbar sein», so Sprecher Urs Peter Naef. Es liege ein Deklarationsfehler vor; der Lieferant versichere, kein Natamycin zu verwenden. Dennoch habe die Migros jetzt eine Analyse veranlasst.
«Unbedingt meiden» - gilt speziell für Allergiker
Die Konservierungsmittel E 234, E 235 und E 1105 sind «unbedingt zu meiden» - besonders von Allergikern. Das empfiehlt Experte Heinz Knieriemen im Pulstipp-Ratgeber «E-Nummern».
- E 234 (Nisin): Wirkt gegen gewisse Bakterien (antibiotische Wirkung). Kann potenziell Migräne auslösen und die Entwicklung antibiotikaresistenter Bakterien fördern.
- E 235 (Natamycin): Antibiotikum, das in der Medizin u. a. gegen Pilzkrankheiten eingesetzt wird. Kann zu Hautausschlägen führen und als Lebensmittel-Zusatzstoff unerwünschte Resistenzen begünstigen.
- E 1105 (Lysozym): Gegen bestimmte Bakterien wirkendes Enzym. Wird aus Hühnereiern gewonnen und kann bei Hühnerei-Allergikern schwere Reaktionen auslösen.
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