Asbest: Diese Decke muss raus!
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K-Tipp 9/2002
01.05.2002
K-Tipp-Leser-Aktion: Über 200 von insgesamt 500 Materialproben enthielten Asbest
Vor sechs Wochen rief der K-Tipp seine Leser auf, Asbestverdächtige Materialien im Labor testen zu lassen. Von 500 Proben enthalten 200 den gefährlichen Stoff. In mehreren Fällen müssen Spezialfirmen sanieren.
Patrick Gut pgut@ktipp.ch
Rosmarie Halter ist besorgt. Sie wohnt in einem rund 100-jährigen Haus in Werdenberg SG. Zusammen mit ihrem Mann besitzt sie die Lie...
K-Tipp-Leser-Aktion: Über 200 von insgesamt 500 Materialproben enthielten Asbest
Vor sechs Wochen rief der K-Tipp seine Leser auf, Asbestverdächtige Materialien im Labor testen zu lassen. Von 500 Proben enthalten 200 den gefährlichen Stoff. In mehreren Fällen müssen Spezialfirmen sanieren.
Patrick Gut pgut@ktipp.ch
Rosmarie Halter ist besorgt. Sie wohnt in einem rund 100-jährigen Haus in Werdenberg SG. Zusammen mit ihrem Mann besitzt sie die Liegenschaft seit 27 Jahren. Die früheren Besitzer hatten das Haus in den 50er- oder 60er-Jahren saniert. Unter anderem liessen sie in der Küche eine neue Decke montieren. Diese sollte nicht nur schön aussehen, sondern auch als Brandschutz dienen. Als unterste Schicht wurden daher Leichtbauplatten verlegt.
«Seit zwei Wochen habe ich Gewissheit», sagt Rosmarie Halter: Die Leichtbauplatten in ihrer Küche bestehen hauptsächlich aus Asbest. Das haben die Spezialisten der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf ZH anhand einer Materialprobe festgestellt. Halter hatte die Probe im Rahmen einer K-Tipp-Leser-Aktion (K-Tipp 6/02) an die Empa gesandt.
In Zusammenarbeit mit der Empa und der Sulzer Innotec in Winterthur ermöglichte der K-Tipp seinen Leserinnen und Lesern, verdächtiges Material zu günstigen Bedingungen auf Asbest testen zu lassen.
Das Asbest-Problem in Rosmarie Halters Küche ist laut den Empa-Spezialisten «schwerwiegend». Grund: Die gefährlichen Asbestfasern sind in den Leichtbauplatten nur schwach gebunden. Es braucht also wenig, damit die Fasern von den Platten in die Raumluft abgegeben werden. «Blosse Vibrationen können bereits genügen», sagt Michael Romer von der Empa. Da läuten bei Halter die Alarmglocken: «Bei uns fahren häufig Lastwagen vorbei. Dann haben wir im Haus ein Erdbeben der Stärke 6.»
Die Empfehlung der Empa: «Asbesthaltige Leichtbauplatten sollte man aus Wohnräumen - inklusive Küche, Bad -, aber auch aus Arbeitsräumen fachgerecht entfernen lassen.» Fachgerecht heisst, dass man damit eine Spezialfirma beauftragt. Eine Liste der Firmen gibt es unter www.ktipp.ch/asbest oder auf der Homepage der Suva (www.suva.ch - das Stichwort «Asbest» im Suchfeld eingeben).
Ein Farbanstrich ist keine Garantie
Laut Empa sollte man die Platten auch entfernen, falls sie mit Farbe überstrichen sind. «Die Freisetzung der Fasern kann so nur auf der angestrichenen Seite verhindert werden. Für die unbemalte Rückseite gilt das nicht.» Ein Anstrich komme allenfalls als vorübergehende Notmassnahme in Frage.
Bei der Entfernung von asbesthaltigen Leichtbauplatten wie im Haus von Rosmarie Halter gelten dieselben Suva-Richtlinien wie für den Umgang mit dem berüchtigten Spritzasbest, der in den 60er- und 70er-Jahren in insgesamt 4000 Gebäuden als Isolation zum Einsatz kam.
«In erster Linie geht es darum, die Arbeiter nicht zu gefährden. Sie haben bis zu 240 Tage im Jahr mit den problematischen Materialien zu tun», sagt Sergio Bonomo, Asbest-Fachmann bei der Suva. Ausserdem wolle man die Bewohner des Hauses schützen und verhindern, dass das ganze Haus mit Asbestfasern verunreinigt werde. Die Richtlinien sehen unter anderem vor, dass die Spezialisten mit Atemschutzgeräten und Schutzanzügen ausgerüstet sind.
Gratis ist eine solche Sanierung und Entsorgung des asbesthaltigen Materials natürlich nicht. Laut Roger Achermann von der Arge Achermann, einer spezialisierten Dübendorfer Firma, müssen Halters mit Kosten von bis zu 7500 Franken rechnen.
Bestandteil der Sanierungsarbeiten ist auch eine Luftmessung, die nach Entfernung des asbesthaltigen Materials erfolgt. Die Messung gilt als Beweis dafür, dass die Spezialisten seriös gearbeitet haben und damit die Sicherheit für den Auftraggeber gewährleistet ist.
Asbesthaltig waren meist Bodenbeläge
Rosmarie Halter steht mit ihrem Asbest-Problem nicht allein. Rund 30 Leserinnen und Leser haben Proben von identischem oder ähnlichem Material eingesandt.
Insgesamt sind bei der vom K-Tipp organisierten Aktion in den beiden Labors über 500 Proben eingegangen. Mehr als 200-mal wurden die Spezialisten fündig. Meist - rund 150 Proben - handelte es sich um asbesthaltige Kunststoff-Bodenbeläge.
Empa-Fachmann Michael Romer schätzt asbesthaltige Bodenbeläge weniger gefährlich ein als die Leichtbauplatten, wie sie in Rosmarie Halters Küche verwendet wurden. «Sind die Beläge verlegt, geben sie kaum Asbestfasern frei», sagt Romer. «Kritisch wird es erst, wenn asbesthaltige Bodenbeläge stark abgenutzt sind oder wenn sie entfernt werden müssen.»
Der Laie sollte davon die Finger lassen. Solange es aber «nur» um asbesthaltige Bodenbeläge geht, ist eine Sanierung mit vereinfachten Methoden erlaubt.
Wer einen defekten asbesthaltigen Bodenbelag nicht entfernen lassen will, kann als Alternative auch einen neuen Belag darüber kleben lassen. «Eine echte Lösung des Problems ist das jedoch nicht», sagt Michael Romer. Irgendwann - und sei es erst beim Abbruch der Liegenschaft - muss der asbesthaltige Belag durch Spezialisten entfernt werden.
Klarstellung
Im K-Tipp-Artikel über Asbest (6/02) wurde der Begriff Novilon als Überbegriff für alle PVC-Bodenbeläge gebraucht. Novilon ist aber eine weltweit geschützte Marke der Forbo-Gruppe und nicht bei allen PVC-Belägen handelt es sich um ein Produkt der Forbo-Gruppe. Forbo betont, seit Anfang der 80er-Jahre keine asbesthaltigen Kunststoffbeläge mehr zu produzieren.
Die Redaktion
Labortests - Asbest-freie Materialien
Es gibt einige Materialien, in denen die Spezialisten der Empa noch nie Asbest nachweisen konnten. Auch bei den 300 Proben, die sich im Rahmen der K-Tipp-Leser-Aktion als asbestfrei erwiesen, waren verschiedene solche Stoffe dabei. Es sind dies:
- Teppiche (Spannteppich), Nadelfilz
- Gipsplatten (inklusive Gipskartonplatten)
- Tapeten
- Schaumstoff oder Schaumglas zur Gebäudeisolation
- Mörtel, Verputz, Bausteine (Leichtbausteine, Backsteine, Betonsteine etc.)
- Holzwolleplatten (im Bild)
Die K-Tipp-Leser-Aktion ist zwar abgeschlossen, die Labors untersuchen aber selbstverständlich weiterhin verdächtige Materialien auf Asbest. Bei der Empa in Dübendorf kostet eine Analyse 150 Franken. Die Sulzer Innotec in Winterthur verlangt für eine aufwändigere Methode 280 Franken. Weitere Firmen, die Analysen vornehmen, findet man unter www.ktipp.ch/asbest