Evelyn Gruber (Name geändert) aus Sion VS wollte sich nach der Matura zur eidgenössisch diplomierten Hôtelière/Restauratrice HF (Hotelfachfrau) weiterbilden. Die damals 20-Jährige unterschrieb im Jahr 2014 einen Schulvertrag der Zürcher Hotelfachschule Belvoirpark, die dem Wirte- und Hotelierverband Gastrosuisse gehört. Das sollte für sechs Semester inklusive Verpflegung rund 50 000 Franken kosten.
Im vierten Semester absolvierte Gruber in einer Hotelküche in Zermatt VS ein Praktikum. Der Schülerin ging es dabei gesundheitlich zunehmend schlechter. Sie litt an Schlafstörungen und war völlig erschöpft. Zuletzt war sie gemäss Hausarzt arbeitsunfähig. Deshalb kündigte die Studentin Mitte 2016 den Ausbildungsvertrag mit der Schule. Die Hotelfachschule Belvoirpark stellte ihr postwendend Rechnung für die noch nicht besuchten Semester in der Höhe von rund 22 000 Franken.
Die Schule stützte ihre Forderung auf eine Klausel im Ausbildungsvertrag: «Kann der Student die Schule – unabhängig von seinem Verschulden – nicht beenden (z. B. wegen Krankheit, Unfall, zu vielen Absenzen, Unterrichtsausfall usw.), so verfällt das gesamte Schulgeld (1. bis 6. Semester) unter Abzug nicht bezogener Verpflegungsanteile.»
Studenten tragen das ganze Risiko
Gruber wehrte sich mit Unterstützung des K-Tipp gegen die Forderung. Hauptargumente ihres Anwalts: Ausbildungsverträge lassen sich laut Gesetz jederzeit kündigen. Erfolgt die Kündigung aus einem wichtigen Grund wie Krankheit, ist keine Zahlung geschuldet. Die Vertragsklausel benachteilige die Schüler zu stark und sei deshalb unlauter. Die Studenten tragen dabei das ganze finanzielle Risiko: Sie müssen das Schulgeld zahlen, obwohl sie die Leistungen der Schule unverschuldet nicht beanspruchen können.
Das Bezirksgericht Zürich hiess die Klage der Hotelfachschule jedoch vollumfänglich gut: Die Kündigung der Ausbildung sei «zur Unzeit» erfolgt. Deshalb müsse die Schülerin den vereinbarten Betrag zahlen.
Ähnlich argumentierte auf Grubers Beschwerde hin das Obergericht des Kantons Zürich: Anders als das Bezirksgericht ging es aber immerhin darauf ein, dass die Schülerin den Vertrag unbestrittenermassen aus gesundheitlichen Gründen kündigte. Das Zürcher Obergericht schrieb im Urteil, gemäss bisheriger Rechtsprechung der Gerichte sei nicht restlos klar, ob eine Zahlung auch in diesem Fall geschuldet sei. Das heisst: Das Bundesgericht hatte in anderen Fällen schon zugunsten von Schülern entschieden.
Am Ende befand das Zürcher Obergericht im Fall Gruber aber, dass sie den Betrag zahlen muss. Der Weiterzug ans Bundesgericht brachte ihr nichts: Die Bundesrichter befassen sich in der Regel nur mit Forderungen ab einem Betrag von 30 000 Franken. Bei «Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung» könnte sich das Bundesgericht trotzdem mit einem solchen Streitfall auseinandersetzen. Es fand aber, dass im Fall Gruber keine wichtige Rechtsfrage zu beantworten sei.
An anderen Schulen gibts Geld zurück
Die Schweizerische Hotelfachschule Luzern zeigt, dass es auch anders geht. Dort kann man den Studiengang zur eidgenössisch diplomierten Hôtelière/Restauratrice HF für knapp 33 000 Franken inklusive Verpflegung absolvieren. Die Schulordnung sieht für den Fall eines Studienabbruchs vor, dass nur die Kosten des laufenden Semesters geschuldet sind. Bis zu drei Monate vor Beginn der verbleibenden Semester können sich die Schüler vom Bildungsgang abmelden. Gemäss Schuldirektorin Christa Augsburger können erkrankte Schüler nach Vorlage eines Arztzeugnisses den Studiengang abbrechen und erhalten sogar die Gebühren eines bereits laufenden Semesters erstattet.
Der gleiche Studiengang kostet bei der Hotelfachschule Passugg GR – einem Mitglied der Hotelfachschulgruppe Lausanne – samt Verpflegung knapp 17 000 Franken. Die Schule hat die gleiche Regelung wie die Hotelfachschule Luzern. Gemäss Pressesprecherin Michaela Kohler wird bei Studienabbrechern mit einem Arztzeugnis individuell geprüft, ob das bereits bezahlte Studiengeld erstattet wird. «Wir gelten als sehr kulant», sagt Kohler.
Die Hotelfachschule Thun BE bietet den Studiengang samt Verpflegung für fast 27 000 Franken an. Sie wollte dem K-Tipp keinen Einblick in die Studienvereinbarung geben. Gemäss schriftlicher Auskunft werden bei einem Studienabbruch – egal, ob aus gesundheitlichen Gründen – nur bereits angefangene Semester nicht erstattet.
Andere Schulen können laut Vertrag wie die Hotelfachschule Belvoirpark von Studienabbrechern Geld verlangen: So sehen zum Beispiel die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Berner Fachhochschule vor, dass bei einem Abbruch der volle in Rechnung gestellte Betrag geschuldet ist. Bei einer Erkrankung mit Arztzeugnis könne die Schule zwar auf die Zahlung ganz oder teilweise verzichten – das liege aber «ganz im Ermessen» der Schule.
In den Geschäftsbedingungen des Weiterbildungszentrums der Fachhochschule St. Gallen steht, dass der Vertrag nur auf Ende eines Lehrgangs gekündigt werden könne: «Die Kosten für den laufenden Zertifikatslehrgang werden nicht zurückerstattet.» Laut Sprecherin Lea Müller werden Studiengebühren jedoch in der Regel pro rata zurückerstattet: «Musste das Weiterbildungszentrum zum Beispiel keine Kursinteressenten abweisen, liegt keine Kündigung zur Unzeit vor.» Die Schule werde die Geschäftsbedingungen entsprechend anpassen.
Verträge immer genau prüfen
Fazit: Schüler gehen mit dem Abschluss eines Ausbildungsvertrages das Risiko ein, auch im Krankheitsfall zahlen zu müssen. Deshalb lohnt es sich, den Vertrag genau zu prüfen, bevor man ihn unterschreibt.