Bantam Camping ist einer der grössten Camping-Händler der Schweiz. Die Firma bietet in ihrer Filiale in Urdorf ZH unter anderem das Modell «Hymer B 504 DL» an. Der Camper ist zwei Jahre alt und hat 28 100 Kilometer auf dem Tacho. Er kostet 71 190 Franken. Dafür bekommt man laut dem Händler ein Reisemobil mit einer Klimaanlage, Alufelgen, einem grossen Kühlschrank und einer Rückfahrkamera.
Nur eines erfahren Kaufinteressenten nicht: Das Wohnmobil steht im Verdacht, ein Luftverpester zu sein. Denn es ist auf einem Fiat Ducato 2.3. L aufgebaut. Solche Basisfahrzeuge benutzen seit Jahren viele Wohnmobil-Hersteller.
Die Deutsche Umwelthilfe testete vor kurzem ein solches Wohnmobil im Strassenverkehr. Es war seit 2019 zugelassen. Sein Fiat- Ducato-Dieselmotor «130 Multijet» entspricht offiziell der Abgasnorm Euro 6. Das Fahrzeug dürfte daher nicht mehr als 125 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstossen. In Wirklichkeit stiess es jedoch im Durchschnitt 1520 Milligramm Stickoxid aus – elf Mal mehr als erlaubt. Beim Kaltstart und bei Aussentemperaturen von 1 bis 2 Grad stiegen die Emissionen sogar auf 2377 Milligramm pro Kilometer – das 19-Fache des Grenzwerts.
Filtersystem nicht eingebaut
Ende April testete der renommierte Autoabgas-Experte Axel Friedrich von der Deutschen Umwelthilfe einen anderen Fiat-Camper – mit ähnlichen Ergebnissen. Friedrich wirft Fiat vor, beim Ducato 130 Multijet Euro 6 «aus Kostengründen» auf den Einbau von SCR-Katalysatoren zur Abgasreinigung verzichtet zu haben: «Deshalb können die Fiat- Wohnmobile im Strassenverkehr keine niedrigen Abgaswerte erzielen.»
SCR-Katalysatoren sind bei Euro-Norm-6-Dieselautos Standard. Fiat rüstet laut Friedrich bloss neuere Fahrzeuge, die der Abgasnorm «Euro 6d temp» genügen sollen, mit diesem Filtersystem aus.
Die Deutsche Umwelthilfe testete im vergangenen Herbst auch zwei Wohnmobile, die auf Fiat- Ducato-Dieselfahrzeugen basieren, die der Abgasnorm Euro 5 entsprechen: Der im Jahr 2015 zugelassene «Dethleffs T 7150» überschritt den Stickoxid- Grenzwert um das 9-Fache, der 2016 zugelassene «Pilote G700G» um das 4,6-Fache.
Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt führte bereits im Jahr 2016 solche hohen Werte darauf zurück, dass Fiat «unzulässige Abschalteinrichtungen» in Dieselmodelle Euro 5 und 6 eingebaut habe. Dies zeigen Dokumente, die das deutsche TV-Magazin «Plusminus» vor kurzem veröffentlicht hat.
Die italienischen Behörden erteilten den Fiat-Modellen damals trotzdem die Typengenehmigungen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ermittelt nun wegen Betrugsverdacht bei Fiat-Chrysler-Motoren der Baujahre von 2014 bis 2019. Bisher haben sich rund 670 Besitzer von Wohnmobilen als Zeugen gemeldet.
Das Bundesamt für Strassen erklärt: «Sollte sich herausstellen, dass es Genehmigungen mit Mängeln geben sollte, würden wir die erforderlichen Massnahmen ergreifen.» Dazu können Rückrufe oder Nachrüstungen der betroffenen Fahrzeuge gehören.
Nachrüstung verlangen
Ende September 2020 waren laut der Branchenorganisation Auto Schweiz total 71200 Wohnmobile zugelassen, davon waren 31208 Modelle von Fiat. Stephan Heiniger, Leiter der K-Tipp-Rechtsberatung, rät den Besitzern entsprechender Fiat-Wohnmobile, vom Verkäufer eine Gratis-Nachrüstung zu verlangen.
Schweizer Wohnmobilhändler lehnen dies jedoch ab. Christoph Hostettler vom Verband Caravaningsuisse: «Sollte es bei Fiat zu Unregelmässigkeiten gekommen sein, müsste von dort und über die Fiat-Garagen eine Lösung kommen.» Bantam Camping und der Stellantis-Konzern, dem Fiat-Chrysler inzwischen gehört, äusserten sich nicht zu den Anfragen des K-Tipp.