Andrea Hutter (Name geändert) erhielt im August 2018 Post vom Bezirksgericht Zofingen AG. Es teilte ihr in einem Urteil mit, dass ihre Cousine am 22. Dezember 2017 gestorben sei. Hutter sei eine von 30 Erben, vier davon hätten eine «Ausschlagungserklärung» abgegeben. Die heute 74-jährige Hutter aus Altdorf UR hatte ihre Cousine vor über 60 Jahren das letzte Mal gesehen.
Hutter wusste nicht, ob und wie sie auf das Zofinger Urteil reagieren sollte. Deshalb wandte sie sich an einen Anwalt. Seine kurze Antwort per Brief: «Offenbar haben vier Miterben das Erbe ausgeschlagen. Sie müssen demzufolge nichts machen.» Hutter folgte diesem Rat und unternahm nichts.
Happige Rechnung für die Bestattungskosten
Im Januar 2019 fiel sie aus allen Wolken, als sie ein Schreiben der Gemeinde Oftringen AG erhielt. Dort wohnte die verstorbene Cousine vor ihrem Tod. Die Gemeinde stellte Andrea Hutter die Bestattungskosten von Fr. 1121.85 in Rechnung, weil sie die Erbschaft angetreten habe.
Die Urnerin realisierte, dass sie die Erbschaft hätte ausschlagen sollen, als sie das Urteil erhalten hatte – und zwar innert dreier Monate nach Eingang des Briefs. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem der Betreffende vom Tod der Person erfährt (siehe Kasten).
Vom Bezirksgericht Zofingen erfuhr die 74-Jährige nun, dass mittlerweile alle andern 29 Erben die Erbschaft ausgeschlagen hatten. Das bedeutete: Hutter war Alleinerbin und haftet für alle bestehenden Schulden. Auf Empfehlung des Gerichts nahm sich Hutter einen anderen Anwalt. Dieser besorgte sich beim Bezirksgericht einen Erbschein und verlangte von verschiedenen Banken und vom Steueramt Auskunft. Weitere Schulden kamen nicht zum Vorschein.
Dafür «fand» der Anwalt 8000 Franken, die bei einer Bank auf einem Sparbüchlein lagen. Nach Abzug der Bestattungskosten und der Kosten für den Anwalt blieben so noch 6000 Franken übrig, die nun Hutter erhält: «Damit werde ich Geschenke für meine Enkelkinder kaufen.»
Erbschaft ausschlagen oder annehmen – So gehen Sie vor
Erben haften mit ihrem ganzen persönlichen Vermögen für geerbte Schulden. Deshalb sollte man Erbschaften nicht ungeprüft annehmen, wenn man die finanzielle Situation des Verstorbenen nicht kennt. Die wichtigsten Tipps:
Ausschlagen oder annehmen: Ist die Erbschaft überschuldet, sollten Sie sie ausschlagen. Schlagen alle Erben aus, wird über die Erbschaft der Konkurs eröffnet. Bleibt nach der Liquidation etwas übrig, wird der Überschuss wieder an die Erben verteilt.
Fristen: Die Frist für die Ausschlagung beträgt drei Monate. Sie beginnt für die gesetzlichen Erben zu laufen, wenn diese vom Tod des Erblassers erfahren. Bei den per Testament oder Erbvertrag eingesetzten Erben läuft die Frist ab Erhalt der Testamentseröffnung. Die Erbschaftsbehörde kann diese Frist auf Antrag verlängern.
Öffentliches Inventar: Kennen Sie die finanzielle Situation des Verstorbenen nicht, können Sie innert eines Monats ein öffentliches Inventar verlangen. Dann erhalten Sie ein Verzeichnis über die Vermögenswerte und Schulden des Verstorbenen. Danach können Sie die Erbschaft annehmen, ausschlagen oder die «Annahme unter öffentlichem Inventar» verlangen. Bei Letzterem haften Sie nur für Schulden, die im Inventar verzeichnet sind.
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