Auf 3D kann man getrost verzichten
Schlechtes Bild, Kopfschmerzen und eine magere Filmauswahl: 3D-Fernsehen überzeugt überhaupt nicht.
Inhalt
K-Tipp 03/2012
04.02.2012
Letzte Aktualisierung:
08.02.2012
Christian Birmele
Ein Gang durch die grossen Heimelektronik-Geschäfte zeigt: In den Regalen stehen fast nur noch Fernseher, die auch 3D-Filme – also dreidimensionale Bilder – zeigen können. Hinzu kommt: Die Preise sind stark gesunken. Kosteten solche Geräte vor einem Jahr noch mehrere Tausend Franken, gibt es sie jetzt bereits für wenige Hundert Franken: Bei Digitec.ch findet man zum Beispiel 3D-Fernseher mit 80 Zenti...
Ein Gang durch die grossen Heimelektronik-Geschäfte zeigt: In den Regalen stehen fast nur noch Fernseher, die auch 3D-Filme – also dreidimensionale Bilder – zeigen können. Hinzu kommt: Die Preise sind stark gesunken. Kosteten solche Geräte vor einem Jahr noch mehrere Tausend Franken, gibt es sie jetzt bereits für wenige Hundert Franken: Bei Digitec.ch findet man zum Beispiel 3D-Fernseher mit 80 Zentimetern Bildschirmdiagonale schon für rund 570 Franken.
Soll man den eben erst gekauften Flachbildfernseher also gleich wieder durch ein neues Gerät ersetzen? Braucht man 3D wirklich? Zweimal nein – und zwar aus folgenden Gründen:
Nur wenige Filme
Es gibt noch fast keine echten 3D-Filme. Zwar steht auf immer mehr Filmhüllen «3D», doch der Grossteil davon wurde nachträglich umgewandelt. Das Resultat: minderwertige Bildqualität. Das belegen die regelmässigen Filmtests des deutschen Fachmagazins «Audio Vision» (empfehlenswerte 3D-Filme, siehe Kasten).
Keine 3D-TV-Sender
Bislang sind erst einige wenige Testsender aufgeschaltet, über die man 3D-Sendungen empfangen kann. Diese sind meist mit kostenpflichtigen Angeboten verknüpft und wiederholen immer die gleichen Inhalte. Übers normale Fernsehkabel gibt es keine 3D-Kanäle. Und das wird auch noch einige Jahre so bleiben. «Bis 2015 ist bei uns nichts geplant», sagt Daniel Steiner von der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Grund: Die meisten TV-Stationen haben eben erst auf hochauflösendes Fernsehen (HD) umgestellt (siehe K-Tipp 2/11). Für die neue Technologie fehlt deshalb noch das Geld. Beispiel Fussball: Laut dem Bezahlsender Sky kostet eine Bundesliga-Liveübertragung in 3D-Technik rund doppelt so viel wie eine normale.
Teures Zubehör
Zwar werden die 3D-Fernseher immer günstiger, doch die Hersteller kassieren dafür beim Zubehör ab. So braucht man eine spezielle Brille, um 3D überhaupt sehen zu können. Diese kostet je nach Hersteller mehr als hundert Franken. Kommt dazu: Jeder Hersteller hat seinen eigenen Brillen-Standard. So verwendet LG Electronics eigene Spezialbrillen mit polarisierten Gläsern. Für Samsung-Fernseher wiederum benötigt man Brillen mit sogenannter Shuttertechnik. Solche Brillen brauchen zusätzlich noch Batterien. Und: Für 3D sind nicht nur spezielle Kabel (HDMI 1.4) erforderlich, sondern auch ein spezielles Abspielgerät für die Filme – meist ein Blu-ray-Player.
Schlechte Bildqualität
In einem grossen Praxistest der deutschen Computerzeitschrift «Chip» mit 99 Testpersonen wurde die 3D-Bildqualität auf mehreren Fernsehern untersucht («Chip» 10/2011). Dafür wurden Szenen aus verschiedenen 3D-Filmen abgespielt.
Resultat: Über die Hälfte aller Tester kritisierten ein zu dunkles Bild – und zwar unabhängig vom Fernsehgerät. Grund: Die Spezialbrillen haben getönte Gläser, ähnlich einer Sonnenbrille. Ein zusätzliches Problem ist die Bildschärfe: Je nach Gerät bemängelten viele der Testpersonen leichte Unschärfen in den 3D-Bildern. Jeder Zehnte sah gar nur ein verschwommenes Bild. Weitere Kritikpunkte, die die Testpersonen nannten: Schatten, Doppelkonturen und Flimmern.
Die meisten 3D-Fernsehgeräte können laut Herstellerangaben normale Fernsehsendungen wie die «Tagesschau» in dreidimensionale Bilder umwandeln. Doch Vorsicht: Das funktioniert nicht immer reibungslos. Absurdes Beispiel: Bei der Nahaufnahme eines Gesichts müsste die Nasenspitze im Vergleich zu den Ohren näher beim Betrachter liegen. Beim umgewandelten 3D-Bild des «Tagesschau»-Sprechers aber war genau das Umgekehrte der Fall – die Nase lag bildlich hinter den Ohren.
Weiteres Problem: Nur wer direkt vor dem Bildschirm sitzt, erhält die optimale Bildqualität. Schaut man von der Seite, wird das Bild unscharf, und der 3D-Effekt verschwindet. Damit wird der gemeinsame Fussballabend vor dem Fernseher ungeniessbar.
Kopfschmerzen und Übelkeit
Nicht alle Zuschauer vertragen dreidimensionales Fernsehen gleich gut. Die Spanne der möglichen Probleme reicht dabei von Schwindel über Kopfschmerzen bis hin zu Übelkeit. Das zeigen wissenschaftliche Studien.
Selbst die TV-Hersteller warnen in ihren Betriebsanleitungen davor. Grund: Der 3D-Effekt kann die Augen überanstrengen. Denn die Tiefenwirkung der Bilder am Schirm ist bloss eine optische Täuschung. Mit echtem räumlichem Sehen, wie man es im Alltag kennt, hat das nichts zu tun.
Beruhigend: «Den Augen schaden 3D-Filme nicht», erklärt Mathias Abegg von der Augenklink des Inselspitals Bern. Und was viele nicht wissen: «Etwa jeder zehnte Mensch kann gar nicht dreidimensional sehen», hält Augenarzt Abegg fest.
Immerhin: Alle 3D-Fernseher können normale zweidimensionale Bilder in hervorragender Qualität anzeigen. Die 3D-Funktion lässt sich einfach abschalten.
Technisch gute 3D-Filme
Haben Sie bereits einen 3D-Fernseher mit dem nötigen Zubehör? Dann sind diese fünf 3D-Filme empfehlenswert, weil sie in Tests technisch überzeugten:
- «Coraline» (grusliger Trickfilm von Henry Selick)
- «Grand Canyon Adventure» (Imax-Dokumentarfilm)
- «Ich – einfach unverbesserlich» (Trickfilm von Pierre Coffin und Chris Renaud)
- «Pina» (Dokumentarfilm von Wim Wenders)
- «Tron: Legacy» (Actionfilm von Joseph Kosinski)
Ob auch andere 3D-Filme etwas taugen, kann man auf www.audiovision.de unter der Rubrik «Test-Archiv» oder unter www.digitaleleinwand.de nachlesen.