Mitte Mai wollten Rahel und Deborah Hoffmann mit dem Swiss-Abendflug von Amsterdam nach Zürich reisen. Doch das Flugzeug am Gate war defekt, der Flug wurde annulliert. Um eine Ersatzmaschine einzufliegen, war es zu spät. Trotzdem zahlte die Airline keine Entschädigung, wie sie Passagieren in solchen Fällen aufgrund der Verordnung über die Fluggastrechte grundsätzlich zusteht (K-Tipp 13/15).
Swiss machte geltend, die Annullierung sei Folge eines Vogelschlags gewesen, also einer Kollision mit Vögeln beim Landeanflug auf Amsterdam. Das sei ein aussergewöhnlicher Umstand, den Swiss nicht zu verantworten habe. Weiter ergänzte die Airline, dass diese Ansicht «von der Europäischen Kommission bestätigt» werde. Sie verwies auf eine im April 2013 veröffentlichte Liste der aussergewöhnlichen Umstände, auf der auch «Vogelschlag» aufgeführt ist.
Bloss: Die Liste stellt keine verbindliche Stellungnahme der Europäischen Kommission dar. Sie ist vielmehr das Resultat eines Meetings der nationalen Behörden, die in ihren Ländern den Vollzug der Fluggastrechte zu kontrollieren haben. Und sie hat nur informellen Charakter.
Gerichtsurteil mit Folgen für Passagiere
Zudem ist es rechtlich umstritten, ob Vogelschlag die Fluggesellschaften von der Entschädigungspflicht entbindet. Gerichte in der Schweiz haben sich noch nicht mit dieser Frage befasst. Doch in Deutschland gibt es bereits mehrere Urteile, die zu uneinheitlichen Schlüssen gelangen.
Mit dem Bundesgerichtshof stufte im Herbst 2013 allerdings das oberste deutsche Gericht Vogelschlag als aussergewöhnlichen Umstand ein. Folge: Ansprüche der von einer Verspätung oder Annullierung betroffenen Passagiere lehnen Airlines «immer häufiger mit der pauschalen Begründung eines Vogelschlags ab», so der Berliner Verkehrsrechtsexperte und Anwalt Sascha Kugler.
Weitere Urteile haben seither aber verdeutlicht: Beruft sich eine Airline auf Vogelschlag, muss sie diesen belegen. Und sie muss nachweisen, dass es unmöglich war, den Schaden schnell genug zu reparieren oder eine Ersatzmaschine bereitzustellen, um die Verzögerung bzw. Annullierung zu verhindern.
Fazit: Für Airlines ist die Versuchung gross, «Vogelschlag» als Ausrede zu benützen. Passagiere sollten sich damit nicht abspeisen lassen, sondern konkrete Angaben, etwa zum Zeitpunkt des Vorfalls, einfordern und diese durch eine Anfrage beim betreffenden Flughafen überprüfen.