Auto kaputt - weiterzahlen!
Der K-Tipp hat das Kleingedruckte von zehn Leasingfirmen überprüft. Resultat: Es wimmelt von einseitigen und ungültigen Klauseln - vor allem bei Fiat und Daimler-Chrysler.
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K-Tipp 14/2004
08.09.2004
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Stellen Sie sich vor: Sie leasen ein Auto, vereinbaren einen Liefertermin, doch der Wagen kommt einfach nicht. Nach ein paar Wochen oder Monaten reisst Ihnen der Geduldsfaden. Sie wollen den Vertrag auflösen.
Doch die Leasingfirma hält Ihnen die Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) unter die Nase. Dort heisst es bei Amag Leasing, GE Capital Bank und Renault Crédit: «Lieferverzögerungen berechtigen den Leasingnehmer nicht, den Vertrag aufzulösen.» Sie müssten also im Extre...
Stellen Sie sich vor: Sie leasen ein Auto, vereinbaren einen Liefertermin, doch der Wagen kommt einfach nicht. Nach ein paar Wochen oder Monaten reisst Ihnen der Geduldsfaden. Sie wollen den Vertrag auflösen.
Doch die Leasingfirma hält Ihnen die Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) unter die Nase. Dort heisst es bei Amag Leasing, GE Capital Bank und Renault Crédit: «Lieferverzögerungen berechtigen den Leasingnehmer nicht, den Vertrag aufzulösen.» Sie müssten also im Extremfall warten, bis Sie alt und grau - und vielleicht nicht mehr fahrtauglich - sind.
Nicht besser sind die Perspektiven, wenn der Wagen zwar geliefert wird, aber Macken hat. Oder wenn er sich erst später als Montagsauto entpuppt und wochenlang in der Garage steht. Für diese Fälle heisst es im Kleingedruckten sämtlicher Leasingfirmen: Rate trotzdem zahlen! Der Kunde kann weder ein Ersatzfahrzeug verlangen noch den Vertrag auflösen. Einzig Multilease, die Leasinggesellschaft der Emil Frey AG, gewährt ein Kündigungsrecht - aber erst nach drei Monaten.
Als «rechtlich ausserordentlich problematisch» beurteilt Rechtsprofessor Thomas Koller von der Uni Bern diese Klauseln. «Sie verstossen gegen das Mietrecht. Aber es ist umstritten, ob dieses auf Leasingverträge überhaupt anwendbar ist.» Deshalb fordern Koller und viele seiner Berufskollegen seit Jahren ein Gesetz gegen einseitige Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Für den K-Tipp hat der Professor ausgewählte Klauseln aus den Vertragsbedingungen von 10 grossen Auto-Leasingfirmen unter die Lupe genommen. Seine Einschätzung: «Zahlreiche Bestimmungen verstossen gegen das Konsumkreditgesetz.» Dieses schützt Privatpersonen, die ein maximal 80 000-fränkiges Auto leasen.
Beispiele ungültiger Klauseln:
- Multilease und GE Capital Bank verlangen eine Bearbeitungsgebühr, wenn der Kunde den Vertrag innert 7 Tagen widerruft respektive vor Ablauf kündigt.
«Damit erschweren sie unzulässigerweise das Ausüben gesetzlicher Rechte», kritisiert Koller. Multilease wiegelt ab: Es gehe «primär darum, die Kunden auf die mit einem Leasingantrag ausgelösten Kosten aufmerksam zu machen».
Tipp: Nicht zahlen!
- Daimler-Chrysler-Leasing und Fiat Finance sind wahre Künstler im Risiko-Abwälzen: Haben sie dem Garagisten eine Vorauszahlung fürs Auto gemacht und kommt der Kaufvertrag dann doch nicht zu Stande, gilt: Der Leasingnehmer muss für die Summe geradestehen, falls die Garage der Leasingfirma das Geld nicht zurückerstattet. Dies, obwohl der Kunde mit dem Kauf gar nichts zu tun hat. Denn Leasing funktioniert ja so, dass die Leasinggesellschaft oder Bank das Auto von der - oft zum gleichen Konzern gehörenden - Garage kauft und dem Leasingnehmer vermietet.
Tipp: Nichts bezahlen!
- Mit sich selber sind Fiat und Daimler-Chrysler hingegen grosszügig. Sie erlauben sich, die Leasingrate während der Vertragsdauer zu erhöhen, falls der Listenpreis des betreffenden Modells in der Zwischenzeit gestiegen ist. Credit Suisse (CS) und GE Capital Bank gewähren sich dieses Recht immerhin noch zwischen Vertragsabschluss und Autolieferung. Fiat Finance schreibt dem K-Tipp dazu, der Leasingnehmer profitiere umgekehrt auch von Preissenkungen des Fahrzeugs.
Tipp: Keinen Aufschlag akzeptieren!
- Sehr zum Nachteil des Kunden ist eine weitere Klausel von Daimler-Chrysler-Leasing und Fiat Finance: «Bestandteile und Zubehör, welche der Leasingnehmer während der Dauer des Vertrages einbaut, werden ohne Anspruch auf Entschädigung unverzüglich Eigentum der Leasinggesellschaft.» Im Klartext: Lässt der Kunde etwa ein Radio einbauen, muss er dieses bei der Rückgabe des Autos drin-lassen - gratis. Diese Klausel hält Koller für «ungültig, sofern das Zubehör ohne Beschädigung des Fahrzeugs entfernt werden kann».
Tipp: Entfernbares Zubehör ausbauen!
- Auch beim Vertragsablauf werden die Kunden nicht eben generös behandelt: Fiat Finance bürdet ihnen im Kleingedruckten «Rücknahmespesen» und «Experti-senkosten» in ungenannter Höhe auf. Daimler-Chrysler-Kunden werden verpflichtet, unbesehen alle Instandstellungskosten gemäss Testbericht zu berappen.
Tipp: Nur für Schäden und eine übermässige Abnützung zahlen!
- Renault Crédit schiebt die Verantwortung für das Erstellen des Rücknahmeprotokolls kurzerhand auf die Kunden ab. Wer keines verlangt, «anerkennt die vom Garagisten errechneten Kosten vollumfänglich» (siehe auch K-Tipp 10/04).
Tipp: Verspätet gemeldete Schäden müssen Sie nicht übernehmen.
- Die Leasingfirma des französischen Autoherstellers nimmt sich überdies das Recht heraus, im Streitfall den Gerichtsstand zu bestimmen - ein klarer Verstoss gegen das Gerichtsstandsgesetz. Sie will nun diese Klausel «umgehend anpassen».
Tipp: Gerichtsstand ist Ihr Wohnort. Sie können die Firma aber auch an ihrem Sitz einklagen.
- Beim Datenschutz haperts ebenfalls gewaltig. So erfährt der Kunde meist nicht genau, wo die Leasingfirma (Bonitäts-)Auskünfte über ihn einholt. «Bei IKO, ZEK und anderen öffentlichen und privaten Stellen», heisst es zum Beispiel nebulös in den AVB der CS. Das sei eine «Missachtung des Transparenzprinzips», urteilt der Sprecher des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, Daniel Menna.
Tipp: Schriftliche Präzisierung verlangen!
- Nichts mit Datenschutz am Hut haben Fiat Finance und GE Capital Bank: «Allfällige vom Leasingnehmer verfügte Datensperren gelten gegenüber dem Leasinggeber unwiderruflich als aufgehoben», verfügen sie im Kleingedruckten. Das sei nötig, um die Kreditfähigkeit des Kunden sorgfältig zu prüfen, behauptet Fiat.
Tipp: Schreiben Sie auf den Vertrag, dass Sie damit nicht einverstanden sind.
- Amag und Fiat Finance sichern sich einen Zusatzverdienst - durch Adresshandel. Mit seiner Unterschrift willigt der Kunde ein, dass seine Daten an «Dritte» weitergegeben und für Werbemitteilungen «an seine Post-, E-Mail- oder Telefonadresse (z. B. SMS)» verwendet werden. Amag-Kunden müssen auch damit leben, dass ihre Daten «in Staaten verarbeitet werden, die über keinen gleichwertigen Datenschutz wie die Schweiz verfügen».
Tipp: Widerrufen Sie diese Einwilligung schriftlich!
Am wenigsten ungültige Klauseln gibts im Kleingedruckten von PSA Finance (Citroën, Peugeot) und FCE Bank (Ford, Volvo), am meisten bei Fiat Finance und Daimler-Chrysler-Leasing.
Ungültige Klauseln: Vertrag bleibt in Kraft
Fiat Finance kontert: «Unser Vertrag berücksichtigt in ausgewogener Weise die wirtschaftlichen Eckpunkte des Leasinggeschäfts und ist kundenfreundlich.» Ähnlich äussern sich Amag Leasing, Daimler-Chrysler-Leasing sowie GE Capital Bank. Trotzdem scheint einigen Gesellschaften ihr Vertragswerk nicht ganz geheuer zu sein. Nicht umsonst heisst es zum Teil am Schluss: «Der Vertrag bleibt auch dann bestehen, wenn einzelne Klauseln ungültig sind.»
Demo-Verbot für Leasingauto
Wer das Kleingedruckte von Leasingfirmen studiert, stösst auf Erstaunliches - und zum Teil Kurioses.
Haben Sie etwa gewusst, dass...
- ...Sie das Auto meist nicht beliebig ausleihen dürfen, sondern je nach Leasingfirma nur an Angehörige oder ausschliesslich an Personen, die mit Ihnen im gleichen Haushalt leben?
- ...Sie verpflichtet sind, der Leasinggesellschaft den Standort des Wagens jederzeit bekannt zu geben, damit diese ihn besichtigen oder überprüfen lassen kann (Daimler-Chrysler-Leasing, Fiat Finance)?
- ...Sie als Multilease-Kunde eine «schriftliche Bewilligung» der Leasingfirma benötigen, wenn Sie das Fahrzeug für «politische Aktionen» verwenden wollen? Pikant: Multilease gehört zum Garagen-Imperium des ehemaligen SVP-Nationalrats Walter Frey.
- ...Sie die Leasingrate bei den meisten Gesellschaften auch dann weiterzahlen müssen, wenn das Fahrzeug gestohlen wurde?
- ...Sie als CS-Kunde eine schriftliche Erlaubnis einholen müssen, falls Sie beabsichtigen, mit dem Auto für länger als einen Monat ins Ausland zu fahren?
- ...Sie als Kunde von Fiat Finance und PSA Finance (Citroën, Peugeot) nicht nur jeden Wohnsitz-, sondern auch jeden Arbeitsstellenwechsel mindestens 14 Tage im Voraus schriftlich melden müssen?
- ...Sie bei der GE Capital Bank und PSA Finance 200 respektive 100 Franken für den Besuch eines Inkassobeauftragten zahlen müssen, falls die Leasingfirma einen solchen Besuch bei Ihnen für nötig hält?