Die Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist für Autohalter obligatorisch. Das lässt die Kassen der Versicherer kräftig klingeln: Allein im Jahr 2023 nahmen sie in der Schweiz über 2,5 Milliarden Franken an Prämiengeldern ein. Die Deckung der Schäden kostete sie aber nur gut 1 Milliarde Franken. Die Schadenquote betrug nämlich nur 41,2 Prozent.
Das bedeutet: Autohalter zahlten für 1 Franken Schaden nicht weniger als Fr. 2.40. Das geht aus Zahlen der Finanzmarktaufsicht (Finma) hervor. Die Haftpflichtversicherung eines Autohalters deckt bei einem Unfall mit dem Auto die finanziellen Schäden der anderen Unfallbeteiligten.
Hohe Prämien trotz tiefer Schadenquote
Für die Versicherungen gilt: je tiefer die Schadenquote, desto rentabler das Geschäft. Im Durchschnitt der zehn Jahre von 2014 bis 2023 belief sich die Schadenquote bei der Fahrzeughaftpflicht in der Schweiz auf 38,8 Prozent. Das ist ein sehr tiefer Wert. Die Versicherer deckten in diesem Zeitraum Schäden von 10,2 Milliarden Franken. Dafür nahmen sie 26,3 Milliarden an Prämien ein.
Zum Vergleich: In Deutschland lag die mittlere Schadenquote in den vergangenen zehn Jahren bei 79,5 Prozent. Das heisst: Die Schweizer Fahrzeughalter bezahlen für den gleichen Schadenbetrag doppelt so hohe Prämien wie die Autobesitzer in Deutschland.
Ein Blick auf die Zahlen der acht grossen Versicherungen Allianz Suisse, Axa, Baloise, Generali, Helvetia, Mobiliar, Vaudoise und Zürich zeigt: Es gibt unter den Gesellschaften durchaus Unterschiede, was die Schadenquote über die letzten zehn Jahre betrifft. Die Baloise verdiente mit einer Schadenquote von 23 Prozent am meisten an den Autohaltern, die Helvetia mit gegen 52 Prozent am wenigsten.
Angesichts der im Vergleich zu den Schäden sehr hohen Prämien fragte der K-Tipp die Versicherer: Dürfen ihre Kunden bald mit tieferen Prämien rechnen?
Die Baloise sagt dazu, die Zeitspanne von zehn Jahren sei «für das langfristige Motorfahrzeug-Haftpflichtgeschäft relativ kurz». So habe man in den Jahren zuvor zum Beispiel grosse Rückstellungen für Schleudertraumafälle bilden müssen. «Nach einem Urteil des Bundesgerichts konnten diese Rückstellungen in den ersten Jahren der Beobachtungsperiode aufgelöst werden», hält die Baloise fest. Das erkläre die niedrige Schadenquote.
Andere Versicherungen argumentieren ähnlich. Einige Gesellschaften, zum Beispiel die Mobiliar, verweisen zudem auf «die anhaltend hohe Inflation insbesondere in den Bereichen Ersatzteile, Service- und Reparaturkosten». Und sie argumentieren, man dürfe in der Autoversicherung die Haftpflicht nicht gesondert betrachten, sondern nur in Verbindung mit der Teil- und der Vollkasko. Dort hätten sich die Schäden in den letzten Jahren deutlich verteuert.
Haftpflichtgeschäft subventioniert Kasko
Ein Brancheninsider, der anonym bleiben will, bestätigt diese interne Mischrechnung gegenüber dem K-Tipp: «Die Versicherer benutzen das hochrentable Haftpflichtgeschäft zur Quersubventionierung der Kaskopolicen.» So könnten sie Prämienerhöhungen bei der freiwilligen Kasko verhindern oder zumindest dämpfen. «Bei der Haftpflicht ist das Risiko von Kündigungen viel kleiner, weil sie obligatorisch ist. Darum haben die Versicherungen dort ziemlich freie Hand.»
Der Branchenkenner geht nicht davon aus, dass die Prämien für die Autohaftpflicht sinken werden: «Sie werden im Gegenteil eher steigen, damit die Versicherer ihr Kaskogeschäft bei Bedarf noch stärker quersubventionieren können.»
Dazu passt die Tatsache, dass keine der acht angefragten Versicherungsgesellschaften dem K-Tipp verraten will, was sie bezüglich Prämienhöhe bei der Fahrzeughaftpflicht plant. Wer die Prämien senken will, hätte eigentlich keinen Grund, dies zu verschweigen.
Autoversicherung: Vergleichen Sie regelmässig die Prämien
Wer die Autoversicherung wechselt, kann oft mehrere Hundert Franken pro Jahr sparen. Das zeigen Untersuchungen von K-Tipp und seiner Partnermagazine (K-Tipp 10/2023, «Saldo» 12/2022, «K-Geld» 4/2022). Ein Prämienvergleich lohnt sich nicht nur beim Kauf eines neuen Autos, sondern auch vor Ablauf des bestehenden Versicherungsvertrags. So gehen Sie vor:
- Erfassen Sie direkt auf den Internetseiten der Versicherungen die verlangten Angaben zu Ihrer Person und zu Ihrem Fahrzeug inklusive Typenscheinnummer (zu finden im Fahrzeugausweis).
- Wählen Sie nur Deckungen, die Sie brauchen. Verzichten Sie zum Beispiel auf eine Deckung bei Marderschäden, falls Ihr Auto nachts meist in einer geschlossenen Garage steht.
- Holen Sie bei den günstigsten Versicherern konkrete Offerten ein und prüfen Sie, ob die Deckungen Ihren Bedürfnissen entsprechen.
- Erkundigen Sie sich bei Ihrer bestehenden Versicherung, ob sie bereit ist, die Prämie auf das Niveau der günstigsten Offerte zu senken. Ist das nicht der Fall, nehmen Sie die beste Offerte an und kündigen Sie die bestehende Police auf Ende des Versicherungsjahres. Die Kündigungsfrist beträgt in der Regel drei Monate. Bei Verträgen mit mehr als drei Jahren Laufzeit darf man nach Gesetz auf Ende des dritten und jedes darauffolgenden Versicherungsjahres kündigen.
- Wer ein Auto kauft, sollte auch beim Markenhändler nach einer Versicherungsofferte fragen. Händler vermitteln Policen zum Teil zu besseren Konditionen als die Versicherungen selbst (K-Tipp 10/2023).