Sandra Schmidt (Name geändert) aus Bern unterzeichnete im letzten Juli in einer Garage in Basel einen Kaufvertrag für einen Mercedes der B-Klasse. Preis: 61 000 Franken. Liefertermin war laut Vertrag Ende November. Das Fahrzeug wurde Mitte Dezember ausgeliefert – ohne die bestellten elektrischen Sitze und die elektrische Heckklappe. Die Versicherungsfachfrau akzeptierte das nicht. «Dann müssen wir das Auto nochmals bestellen», sagte der Garagist – und fügte an, es sei im April möglicherweise teurer.
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zum Kaufvertrag von Sandra Schmidt heisst es tatsächlich unter dem Titel «Preisänderungen»: «Sind bei der Ablieferung des Fahrzeugs mehr als 60 Kalendertage seit der Aufgabe der Bestellung vergangen und hat Mercedes-Benz Schweiz die Preise für das gekaufte Fahrzeug in dieser Zeit erhöht, ist der Verkäufer berechtigt, die Preiserhöhung im gleichen Verhältnis an den Käufer weiterzuverrechnen.»
Für Thomas Probst, Professor für Obligationenrecht an der Universität Freiburg, ist klar: Die Klausel ist ungültig. «Eine Klausel zur einseitigen Preiserhöhung in den AGB, die der Kunde ungelesen übernommen hat, ist für ihn nicht verbindlich, da sie ungewöhnlich ist.» Nach Treu und Glauben könne sie «nicht als gewollt betrachtet» werden. Zudem sei die Klausel gegenüber Konsumenten missbräuchlich. Sie verstosse gegen Artikel 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Dieser Artikel verbietet AGB-Klauseln, die Konsumenten erheblich und ungerechtfertigt benachteiligen. Das ist bei der Preisänderungsklausel klar der Fall. Denn Kunden müssen danach mit einer Preiserhöhung in unbekannter Höhe rechnen, die Mercedes allein festlegen kann.
Andere Autohändler wie VW-Partner Amag und Mercedes-Vertreter Merbag verwenden in ihren Verträgen ähnliche Klauseln (siehe Box). Die Amag-Garagen ermächtigen sich im Vertrag zu einer Preiserhöhung, wenn zwischen Abschluss des Vertrags und Übergabe des Fahrzeugs mehr als drei Monate liegen und sich in dieser Zeit der Katalogpreis ändert.
Bei den Autoverträgen der Merbag müssen zwischen Vertragsabschluss und vereinbartem Liefertermin mehr als 90 Tage liegen, damit der Garagist Preise bei einer Änderung der Katalogpreise erhöhen darf.
Im Mustervertrag ist die Klausel gestrichen
Diese beiden Klauseln sind für Experte Probst ebenfalls unzulässig. Denn je später der Liefertermin, desto höher kann der Preis ausfallen. Und der Liefertermin wird allein vom Verkäufer bestimmt.
Anders sieht der aktuelle Mustervertrag des Autogewerbe-Verbandes Schweiz aus. Der Verband strich bei der Überarbeitung des Vertrags die Preisanpassungsklausel im Jahr 2016. Die Autoverkäufer müssen seither eine mögliche Preiserhöhung bis zur Auslieferung mit dem Käufer im Vertrag unter «Besondere Abmachungen» ausdrücklich vereinbaren. Dieses Vorgehen ist für den Kunden transparent und auch zulässig.
2021 stiegen die Preise gewisser Modelle, wie eine Stichprobe des K-Tipp zeigte. Hersteller wie Mercedes und BMW verknappten das Angebot bewusst, um höhere Preise durchzusetzen (K-Tipp 15/2021). Offen ist, ob die Hersteller auch dieses Jahr so vorgehen.
Werden die Händler dann nachziehen und die Mehrkosten bei bereits bestellten, aber noch nicht gelieferten Autos an die Kunden weitergeben? «Es wird Preiserhöhungen geben», sagt Fabio Privitera, Geschäftsleiter der Merbag in Schlieren ZH. «Wir werden versuchen, mit den Kunden eine Lösung zu finden. Ein Ausstieg aus dem Vertrag wird aber nicht möglich sein.» Ein Entgegenkommen signalisiert dagegen die Amag. Ihr Sprecher Emanuel Steinbeck sagt: «Die Amag wird sich um eine kulante Lösung bemühen und mit dem Käufer über eine kostenlose Vertragsauflösung verhandeln.»
So weit wollte es Sandra Schmidt nicht kommen lassen: Sie trat vom Mercedes-Kaufvertrag zurück. Die Garage akzeptierte dies. Schmidt sucht nun ein anderes Fahrzeug. Einen neuen Kaufvertrag wird sie aber nur unterschreiben, wenn er keine Preiserhöhungsklausel enthält.
Tipp: Streichen Sie in den AGB Klauseln, die den Verkäufer berechtigen, den Preis zu erhöhen.
Wie Amag und Merbag im Kleingedruckten schummeln
Amag (VW, Skoda, Audi, Seat): «Falls zwischen dem Abschluss dieses Vertrags und dem Zeitpunkt, zu dem das Fahrzeug beim Verkäufer zur Übergabe bereitsteht, mehr als drei Monate liegen und der Nettolistenpreis (Katalogpreis abzgl. schweizweiter Prämien) in diesem Zeitraum ändert, ist der Verkäufer berechtigt, den Kaufpreis im gleichen Verhältnis zu ändern, wie der Nettolistenpreis in diesem Zeitraum angestiegen oder gesunken ist.»
Merbag (Mercedes): «Basis des vereinbarten Preises des gekauften Fahrzeugs ist der bei Vertragsabschluss gültige Katalogpreis. Treten Änderungen ein und liegen zwischen Vertragsabschluss und vereinbartem Liefertermin mehr als drei Monate, ist die Firma berechtigt, den Preis im gleichen Verhältnis zu ändern, wie der Katalogpreis angestiegen oder gesunken ist.»
Dazu Thomas Probst, Professor für Obligationenrecht, Uni Freiburg: «Die beiden Klauseln sind missbräuchlich, da sie dem Kunden vortäuschen, eine Preisanpassung würde in beide Richtungen erfolgen. Effektiv soll aber nach diesen Klauseln nur der Verkäufer das Recht auf eine Preiserhöhung, nicht aber der Käufer das Recht auf eine Preissenkung erhalten. Probst kritisiert: «Wer solche juristisch ausgeklügelten AGB formuliert, tut dies nicht zufällig, sondern will seine Kundschaft offenbar in die Irre führen.»