Die SBB und weitere Zug- und Busbetriebe verteuerten im Dezember vergangenen Jah-res die Billette im Durchschnitt um 4,8 Prozent. Dabei handelte es sich um die 15. Preiserhöhung seit dem Jahr 1990. Viele SBB-Billette sind heute mehr als doppelt so teuer wie damals (K-Tipp 8/2023). Die Branche rechtfertigte den Preisaufschlag unter anderem mit einer angeblich «angespannten finanziellen Lage» und «grossen finanziellen Herausforderungen».
Vor kurzem veröffentlichten die grossen Bahnbetriebe ihre Geschäftsberichte für das Jahr 2023, zuletzt die Rhätische Bahn und die Südostbahn. Der K-Tipp schaute die Zahlen genauer an. Sie zeigen: Viele Verkehrsbetriebe verzeichneten 2023 Rekorde bei den Passagierzahlen. Auch die Erträge stiegen. Beispiele:
- Die Rhätische Bahn erzielte im Personenverkehr 2023 einen Ertrag von 118 Millionen Franken. Das sind 19 Prozent mehr als im Vorjahr.
- Die Südostbahn steigerte den Betriebsertrag auf 292 Millionen Franken – ein Plus von 4 Prozent.
- Die BLS legte beim Betriebsertrag um 7 Prozent zu.
- Die SBB vergrösserten den Betriebsertrag um fast 700 Millionen Franken auf über 11,4 Milliarden Franken. Die SBB verkaufen auch immer mehr Billette: 193 Millionen waren es im Jahr 2023, nach 165 Millionen im Vorjahr. Der Mietertrag der Immobilien stieg ebenfalls – von 653 auf 681 Millionen Franken.
- Bei Postauto blieb der Betriebsertrag gemäss Geschäftsbericht stabil, nämlich bei rund 1,1 Milliarden Franken.
Die Preisaufschläge waren unnötig
Für alle Betriebe gilt: Sie beförderten 2023 deutlich mehr Passagiere als im Vorjahr. Aargau Verkehr, BLS, Postauto, Rhätische Bahn und Südostbahn verzeichneten gar mehr Passagiere als je zuvor. Bei den SBB waren es nahezu gleich viele Passagiere wie im bisherigen Rekordjahr 2019. Im neuen Jahr ging es im gleichen Stil weiter: So meldete der Verband öffentlicher Verkehr Anfang Mai, dass im ersten Quartal 2024 noch mehr Leute mit dem Zug unterwegs waren als im ersten Quartal 2023.
Das zeigt: Die Preisaufschläge vom Dezember waren unnötig. Gemäss Karin Blättler, der Präsidentin des Passagierverbands Pro Bahn, heisst es in den Chefetagen vieler Betriebe des öffentlichen Verkehrs hinter vorgehaltener Hand: «Die höheren Billettpreise sind kein Problem. Die Leute zahlen das ja.» Karin Blättler findet diese Haltung zynisch: Der öffentliche Verkehr gehöre zur Grundversorgung und müsse für die ganze Bevölkerung da sein. Zudem: «An Normal- und Wenigverdiener denkt offenbar kaum jemand.»
Bahnfahren ist in der Schweiz bis fünf Mal so teuer wie in Nachbarländern. Das zeigte ein Billettpreisvergleich für Zugfahrten auf Regional- und Fernverkehrsstrecken in der Schweiz, in Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich («Saldo» 13/2023).
Der Branchenverband Alliance Swisspass verteidigt gegenüber dem K-Tipp die hohen Billettpreise und Aufschläge der vergangenen Jahre. Er schreibt, die Finanzlage der Verkehrsbetriebe habe sich zwar zum Teil entspannt. Es gebe jedoch Mehrkosten: «Mehr Reisende heisst auch, dass wir das Angebot ausbauen müssen.»
Preisüberwacher Stefan Meierhans sieht das anders: Er hat ausgerechnet, dass die Branche des öffentlichen Verkehrs nicht zusätzlich Geld braucht. Meierhans hielt bereits letztes Jahr fest: «Eine weitere Erhöhung der Tarife ist nicht mehr angezeigt.»
Zudem wies Meierhans darauf hin, dass die Verkehrsunternehmen im Fernverkehr erhebliche Gewinne machten. Diese fielen in den letzten Jahren gar häufig so hoch aus, dass sie Meierhans als «nicht angemessen» beurteilte.