Balkan-Prämie für Belgier
Dass Autofahrer aus Balkanstaaten und südlichen Ländern mehr für die Versicherung zahlen - das ist bekannt. Doch solche Aufschläge gibts auch für Lenker aus dem Norden.
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K-Tipp 7/2005
06.04.2005
Patrick Gut - redaktion@ktipp.ch
Weil die Haftpflichtversicherung für sein Auto um rund 200 Franken aufschlug, machte sich Raymond Dalebroux aus Füllinsdorf BL auf die Suche nach einer anderen Versicherungsgesellschaft.
Seine erste Anlaufstelle war der TCS, der mit der Basler Versicherung zusammenarbeitet. Doch die Offerte von Auto TCS überraschte den belgischen Staatsbürger: Aus purem Zufall bemerkte er, dass er als Belgier gegenüber Schweizer Versicherungsnehmern von der TCS-Versicherung krass benachteilig...
Weil die Haftpflichtversicherung für sein Auto um rund 200 Franken aufschlug, machte sich Raymond Dalebroux aus Füllinsdorf BL auf die Suche nach einer anderen Versicherungsgesellschaft.
Seine erste Anlaufstelle war der TCS, der mit der Basler Versicherung zusammenarbeitet. Doch die Offerte von Auto TCS überraschte den belgischen Staatsbürger: Aus purem Zufall bemerkte er, dass er als Belgier gegenüber Schweizer Versicherungsnehmern von der TCS-Versicherung krass benachteiligt wird.
Konkret: Für die Haftpflichtdeckung muss er rund 28 Prozent mehr zahlen als ein Schweizer. Bei der Teilkasko sind es 797 statt 468 Franken oder 70 Prozent mehr.
Aufgrund der breiten öffentlichen Diskussion weiss man: Für Leute aus Balkanstaaten und südlichen Ländern ist die Motorfahrzeugversicherung teurer. Dass aber auch ein Belgier - und damit ein Nordländer - von höheren Prämien betroffen ist, das ist überraschend.
Der K-Tipp wollte es deshalb genau wissen und hat in einer Stichprobe bei sieben Versicherern im Internet Online-Offerten für eine Haftpflichtversicherung eingeholt, und zwar bei Auto TCS, Basler, Coop Versicherung, Vaudoise, Winterthur, Zürich und Züritel.
Abgerufen wurden die Prämien für je 15 Versicherungsnehmer mit Alter 20 beziehungsweise 40, die einen Opel Astra Caravan oder einen (etwa doppelt so teuren) Audi A6 fahren.
Die entscheidende Frage lautete natürlich: Gelten auch Nordländer - wie Fahrer aus Balkanstaaten - als schlechte Risiken und zahlen aus diesem Grund mehr?
Auch das Alter bestimmt die Prämie
Die Antwort lautet Ja. Auto TCS zum Beispiel verlangt von Belgiern, Iren und Luxemburgern einen Zuschlag von 27,5 Prozent. Bürger von Rumänien und Serbien-Montenegro müssen satte 51,7 Prozent mehr bezahlen.
Auch die Coop Versicherung schröpft nicht nur Versicherungsnehmer aus den Bal-kanstaaten. Unter anderem kostets für Belgier, Iren, Luxemburger und Niederländer 25 Prozent mehr.
Bei der Winterthur wiederum müssen gemäss der Stichprobe auch Österreicher mehr bezahlen als Schweizer - und zwar 5 Prozent.
Die Versicherer betonen zwar in ihren Stellungnahmen, die Nationalität sei nur einer von diversen Faktoren, welche die Höhe der Prämien beeinflussen. Doch dieser Faktor hat einiges Gewicht, wie die K-Tipp-Stichprobe klar zeigt. Einzig bei der Vaudoise spielt die Nationalität - laut Stichprobe - keine Rolle.
Auffällige Unterschiede gibt es übrigens auch beim Alter eines Autobesitzers.
Bei Zürich und Zürite- beispielsweise sind nur Deutsche und Österreicher in derselben Kategorie eingeteilt wie die Schweizer.
20-jährige Belgier, Dänen, Finnen, Iren, Luxemburger, Niederländer, Norweger und Schweden müssen gemäss der K-Tipp-Stichprobe rund 16 Prozent mehr bezahlen. Für Italiener kostets bereits 25 (Zürich) respektive 32 (Züritel) Prozent mehr. Für 40-Jährige sinkt die Prämiendifferenz prozentual je nach Nation auf einen Drittel oder Viertel.
Die Basler hingegen verlangt nur von 20-jährigen Versicherten aus der Balkanregion einen Aufschlag von 30 Prozent. Bei den 40-Jährigen sind die Prämien gemäss Stichprobe für alle Nationalitäten identisch.
Sämtliche Versicherer beteuern, dass die Prämienunterschiede auf «versicherungsmathematischen Risikoanalysen» beruhen. Das heisst: Diese Nationalitäten verursachen höhere Unfallkosten. Genauer will sich allerdings niemand in die Karten schauen lassen.
Raymond Dalebroux ist «extrem schockiert» von dieser Praxis und spricht von Diskriminierung: «Es darf doch wohl nicht sein, dass Autolenker nach ihrer Nationalität eingestuft werden statt nach dem Verhalten auf den Strassen.» Dalebroux selber sitzt seit 1967 am Steuer - unfallfrei.
Mit seinem Ärger wandte er sich an die belgische Botschaft in Bern. Der belgische Konsul sieht aber keine Möglichkeit zu intervenieren. «Es ist zwar befremdlich, dass man aufgrund seiner Nationalität eine höhere Versicherungsprämie bezahlen muss, aber das ist nun mal der freie Markt.»
«Das ist eine Art Kollektivhaftung»
Unterstützung erhält Dalebroux hingegen von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR). «Die Kommission hat mit den massgeblichen Akteuren Verhandlungen aufgenommen. Ziel ist es, die störende Ungleichbehandlung unterschiedlicher Nationalitäten zu beheben», sagt Doris Angst, Leiterin des EKR-Sekretariats.
Und Vizepräsidentin Boël Sambuc liess sich im Westschweizer Fernsehen zitieren: «Mit dieser Praxis überträgt man das falsche Verhalten einiger Personen auf eine gesamte Gruppe. Es handelt sich um eine Art Kollektivhaftung.»
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