Ein Umzug ins Ausland oder ein Todesfall: In solchen Fällen wird manchmal vergessen, die Bank zu informieren. Bekommt die Bank dann ihre Post ungeöffnet und mit dem Vermerk «Weggezogen» zurück, erhält das Konto für zehn Jahre den Status «kontaktlos». Falls sich in dieser Zeit niemand meldet, gilt das Vermögen anschliessend bis zu 50 Jahre lang als nachrichtenlos. Das ist in der Bankenverordnung so geregelt.
Nach Ablauf der insgesamt 60 Jahre müssen die Banken verwaiste Vermögen ab 500 Franken auf der Internetseite www.dormantaccounts.ch veröffentlichen. Auf dieser Website sind Vor- und Nachnamen der Kontoinhaber, zum Teil deren Geburtstag und ihr letzter Wohnort sowie die Kontonummer aufgeführt.
Geld geht an die Bundeskasse
Meldet sich innerhalb eines Jahres nach der Aufschaltung im Internet noch immer niemand, fliesst das Geld in die Bundeskasse. Das dürfte der Normalfall sein. Denn die Website ist kaum jemandem bekannt. Und wer sich 60 Jahre bei einer Bank nicht nach dem Konto erkundigt hat, dürfte kaum im Jahr 61 auf dieser Internetseite nachsehen. Wie viele Leute das schon getan haben, weiss Sindy Schmiegel, Sprecherin der Bankiervereinigung, nicht: «Wir machen dazu keine statistische Erhebung.» Die Bankiervereinigung schätzt aber, dass sich seit der Aufschaltung der Seite im Dezember 2015 ungefähr zu jedem 20. Vermögenswert ein Berechtigter meldete.
Die Regelung, dass das Geld nach 61 Jahren an die Bundeskasse fliesst, gilt seit Januar 2015. Im laufenden Jahr überwiesen die Banken erstmals nachrichtenlose Gelder an den Bund. Das Eidgenössische Finanzdepartement erhielt laut Sprecher Roland Meier bis jetzt von 34 Finanzinstituten Zahlungen von insgesamt 5,6 Millionen Franken.
Am kräftigsten langt die UBS zu
Nachrichtenlose Vermögen bleiben also während 61 Jahren bei den Banken. In dieser Zeit kassieren diese teilweise horrende Summen. Das ergibt eine Umfrage des K-Tipp bei zehn Banken. Besonders kräftig langt die UBS zu.
Dem K-Tipp schreibt die Bank zwar: «Die UBS verrechnet nach einem Jahr für Kontakt- und Nachrichtenlosigkeit eine Gebühr von 200 Franken jährlich. Weitere Gebühren fallen nicht an.»
Doch der K-Tipp weiss: Dem UBS-Kunden Martin Wyser (Name geändert) aus Herisau AR zog die Bank von seinem Konto pauschal 960 Franken ab, weil sie einen Brief an eine nicht existierende Postfachadresse geschickt und wieder zurückerhalten hatte. Danach deaktivierte die UBS Wysers E-Banking-Konto und setzte den Kunden in den Status «kontaktlos».
Pikant: Martin Wysers aktuelle Wohnadresse wäre aus seinem E-Banking- Konto hervorgegangen. Die Bank hätte ihren Kunden somit jederzeit und ohne Aufwand kontaktieren können. Wyser sagt jedoch: «Ich habe nie ein Telefon von der Bank erhalten.»
Bei der Kontrolle seiner Bankauszüge stellte er dann eine Belastung für «banklagernde Post» fest. Jahresgebühr: 960 Franken. In 61 Jahren hätte sich das auf 58 560 Franken summiert.
Die UBS erklärte sich erst nach zahlreichen Reklamationen Wysers bereit, die Belastung zu stornieren. Die Bank wollte dazu gegenüber dem K-Tipp nicht Stellung nehmen.
Der Fall Wyser zeigt, dass die Gebühren für kontakt- und nachrichtenlose Konten bei einigen Banken sehr hoch ausfallen. Auch die Migros-Bank zeigt diesbezüglich wenig Zurückhaltung: Sie belastet bei Kontakt- und Nachrichtenlosigkeit nach eigenen Angaben jährlich pauschal 500 Franken. In 61 Jahren würden so stattliche 30 500 Franken zusammenkommen. Dazu kommt noch eine Gebühr für die Adresssuche. Diese beträgt laut Migros-Bank je nach Aufwand mindestens 30 Franken für eine Inland- oder mindestens 200 Franken für eine Auslandsuche.
«Für die Nachforschung entstehen bei der Bank Personalaufwand und externe Kosten, welche durch den Kunden verursacht wurden», sagt die Migros-Bank. Werde das Konto eines Kunden kontakt- oder nachrichtenlos, erbringe die Bank die gleiche Dienstleistung wie bei banklagernder Post. Deshalb werde dafür auch der gleiche Tarif von 500 Franken pro Jahr angewendet.
Gebühren nur wenn vereinbart
Wichtig: Pauschalgebühren sind nur zulässig, wenn sie vertraglich vereinbart sind. Die Banken verweisen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf ihre Preislisten. Bei der CS und der UBS finden sich darauf keine Angaben. CS- und UBS-Kunden schulden also keine Pauschalgebühren. Auch in den übrigen Fällen ist unter Juristen höchst umstritten, ob ein Verweis im Kleingedruckten auf Preislisten im Internet die dort veröffentlichten Gebühren zum Vertragsinhalt macht.
So finden Sie vermisste Konten
Wird ein Vermögen ab 500 Franken kontaktlos, müssen Banken die Angaben zum Besitzer an eine zentrale Datenbank melden. Auf diese hat nur der Bankenombudsmann Zugriff.
Wer kontaktlose Gelder sucht – zum Beispiel von einem verstorbenen Angehörigen –, kann sich an den Bankenombudsmann wenden. Dieser führt eine Abfrage der Datenbank durch. Die Suche kostet 100 Franken. Weitere Informationen und Fragebogen unter: www.bankingombudsman.ch ! Kontosuche, oder Telefonnummer 043 266 14 14.
Langfristig kontaktlose Vermögenswerte werden im Internet auf Dormantaccounts.ch publiziert und können direkt über diese Website geltend gemacht werden.